Orden fordert Wiederaufnahme von Ermittlungen

Priester hielt hunderte Missbrauchsfälle in Tagebuch fest

Veröffentlicht am 18.06.2024 um 12:21 Uhr – Lesedauer: 

Madrid ‐ Als Missionar in Bolivien hatte der Jesuit Luis María Roma viel Kontakt mit indigenen Kindern – und nutzte diese Nähe für Missbrauch. Seine Taten hielt er detailliert in einem Tagebuch fest, wie ein Zeitungsbericht nun belegt.

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Der verstorbene spanische Jesuit Luis María Roma hat über Jahrzehnte hunderte indigene Mädchen in Bolivien missbraucht und seine Taten detailliert in seinem Tagebuch festgehalten. 70 Opfer konnten durch die Aufzeichnungen des Missbrauchstäters identifiziert werden, berichtete die spanische Zeitung "El País" am Sonntag. Das Tagebuch Romas wurde nach seinem Tod im August 2019 in seinem Nachlass gefunden und ist bislang unveröffentlicht, liegt aber der Zeitung vor. Zudem wurden wenige Monate vor seinem Tod zahlreiche Videos und Fotos von Kindern bis zu einem Alter von etwa 12 Jahren sowie Collagen mehrerer Kinderfotos in Romas Besitz entdeckt. Zuvor hatte es Missbrauchsanschuldigen gegen den 84-jährigen Ordensmann gegeben. Die Beweise gegen Roma waren derart erdrückend, dass er kurz vor seinem Tod zugab, ein Missbrauchstäter gewesen zu sein. "Ich habe mich in einigen Situationen gehen lassen und an Kindern zwischen acht und elf Jahren Akte der Wollust verübt, die sich für einen Ordensmann nicht gehören", erklärte Roma laut Zeitungsbericht damals vor einem Notar.

In seinem Tagebuch beschrieb Roma etwa, dass er sich mit mehreren Mädchen duschte, sie fotografierte und die Fotos zur Selbstbefriedigung nutzte. In seinen Aufzeichnungen bringt Roma auch seinen Bruder Francesc in Verbindung mit Missbrauchstaten. Roma war von 1994 bis 2005 im Südosten Boliviens als Missionar tätig. 2019 starb er in der Stadt Cochabamba. Nach Veröffentlichung des Zeitungsberichts forderten die Jesuiten in Bolivien die Staatsanwaltschaft des Landes auf, die nach dem Tod Romas eingestellten Ermittlungen wegen möglichen Kindesmissbrauchs wieder aufzunehmen. Der Orden erklärte, niemanden schützen zu wollen, der Missbrauch begangen habe, denn die Opfer stünden immer "an erster Stelle". Der frühere Umgang mit dem in Bolivien bekannten Jesuiten Roma sei seitens des Ordens "nachlässig, gleichgültig und unheilvoll" gewesen. Man verspreche fortan umfassende Transparenz.

Die Betroffenenvereinigung "Comunidad Boliviana de Sobrevivientes" ("Bolivianische Gemeinschaft der Überlebenden") kritisierte die Äußerungen der Jesuiten als scheinheilig. Die Untersuchung der Ermittlungsbehörden gegen Roma werde wieder aufgenommen, doch nicht wegen der Bitte der Jesuiten, sondern wegen neuer Beweise und Aussagen der Opfer. Der Orden solle sich vielmehr zu seiner institutionellen Verantwortung bei Missbrauch bekennen. Der Fall Roma ähnelt dem des ebenfalls aus Spanien stammenden Jesuiten Alfonso Pedrajas. Auch Pedrajas missbrauchte Kinder in Bolivien und führte Tagebuch über seine Taten. Von 1978 bis 2000 verging er sich an mindestens 85 Kindern, er starb 2009. Im vergangenen Jahr hatte "El País" über Pedrajas und sein Tagebuch berichtet. (rom)

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