Vorbei mit Gehorsam: Vor 500 Jahren begann der Deutsche Bauernkrieg
Graf Siegmund II. von Lupfen ist perplex. "Zwei-, dreihundert oder noch viel längere Jahre hatten unsere Vorfahren die Landgrafschaft Stühlingen friedlich verwaltet", schreibt er im August 1524 an die Stadt Freiburg. "Die Untertanen hatten dabei ihre Pflichten wie zum Beispiel Steuern und Dienste wohl gehorsam getan."
Mit dem Gehorsam von Siegmunds Bauern aber ist es vor 500 Jahren vorbei. Am 23. Juni 1524 ziehen sie vor das Stühlinger Schloss im Süden des heutigen Baden-Württemberg und erklären, keine Frondienste mehr leisten zu wollen. Angeblich sind sie erbost, weil die Gräfin ihnen mitten in der Erntezeit befohlen hatte, Schneckenhäuser zu sammeln.
Vermittlungsversuche zwischen den Stühlinger Bauern und dem Landgrafen scheitern. Ab Oktober 1524 werden auch Bauern anderer Landstriche unruhig, zunächst im benachbarten Hegau, im Klettgau und im Schwarzwald. Sie plündern Burgen und Klöster und bilden Heere, sogenannte Haufen. Allmählich breiten sich die Aufstände über weite Teile Deutschlands aus. Unter dem Namen "Deutscher Bauernkrieg" sind sie heute bekannt.
Leiden unter der Fron
Ob die Sache mit den Schneckenhäusern stimmt, ist unklar, die Quellen sind hierzu zweideutig. Klar ist aber, dass die Bauern zu dieser Zeit unter der Fron leiden und sie als Willkür empfinden. Der Marburger Kirchenhistoriker Wolf-Friedrich Schäufele verweist außerdem auf die Herrschaftsverdichtung und die rechtliche Verschlechterung der Bauern als Mit-Ursachen des Aufstands. "Die Fürsten setzen zunehmend Amtsleute ein", erklärt er. "Das schränkt die bäuerliche Selbstverwaltung ein."
In Südwestdeutschland herrscht die Realteilung vor, Bauern verteilen ihr Land hier gleichermaßen an ihre Söhne. In anderen Gebieten Deutschlands erbt der älteste Sohn den ganzen Hof. Legt man eine Karte der Gebiete, die vom Bauernkrieg erfasst waren, über eine Karte der Gebiete mit Realteilung, erkennt man: Sie sind fast deckungsgleich. Kein Zufall, erklärt Schäufele: "Da, wo die Realteilung praktiziert wird, werden die Parzellen zu klein, um Familien zu ernähren."
In Norddeutschland und in Bayern bleibt es daher weitgehend ruhig. Denn dort haben die Bauern etwas zu verlieren. Nicht sie sind dort die unterste soziale Schicht, sondern Knechte und Mägde. Auf den Höfen in Südwestdeutschland, die wegen der Realteilung meist nur klein sind, gibt es hingegen kaum Gesinde. Hier stehen die Bauern selbst ganz unten.
Zwölf Artikel
Im Februar oder März 1525 schreiben die Bauern ihre Forderungen in den sogenannten Zwölf Artikeln zusammen. In diesem zentralen Manifest verlangen sie unter anderem die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Reduktion der Fron, die Begrenzung von Abgaben und – als eine von der Reformation inspirierte Forderung – das Recht, ihre Pfarrer selbst zu wählen.
Nach dem sogenannten Weinsberger Blut-Ostern eskaliert die Lage vollends. Am 16. April 1525, Ostersonntag, stürmen und plündern Bauern aus dem Odenwald, dem Neckartal und aus Hohenlohe die Stadt und die Burg Weinsberg nahe Heilbronn. Sie lassen tags darauf den Grafen Ludwig von Helfenstein und dessen Söldner Spießruten laufen, eine ehrlose Form der Hinrichtung.
Der Reformator Martin Luther (1483-1546), auf dessen Theologie sich die Bauern vielfach berufen, verfasst daraufhin seine Schrift "Wider die Mordischen und Reubischen Horden der Bawren". Luther fordert die Fürsten zum kompromisslosen Bekämpfen der Aufständischen auf. "Darum soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann", schreibt er.
Heere schon gesammelt
Die Fürsten und Städte des Reichs haben zuvor schon Heere gesammelt. Bei Frankenhausen in Thüringen schießen hessische und sächsische Truppen den Bauernhaufen unter der Führung des Reformators Thomas Müntzer zusammen. Von 6.000 Bauern sterben 5.000, Müntzer wird geköpft. Bei Böblingen nehmen die Sieger den Rädelsführer des Weinsberger Blutostern, Jäcklein Rohrbach, gefangen und lassen ihn lebendig verbrennen. Im November 1525, am Ende des Kriegs nach mehreren Schlachten, sind mehr als 70.000 Menschen tot.
Die historische Einordnung des Bauernkriegs ist bis heute nicht ganz eindeutig. In der DDR-Forschung galt er als "frühbürgerliche Revolution". Auch heute sehen ihn viele Historiker als Revolutionsversuch, andere als bloße Revolte. Der Marburger Forscher Schäufele sagt: "Der Bauernkrieg hat schon etwas Revolutionäres." Die Bauern hätten eine egalitäre Gesellschaftsvorstellung gehabt und sich dabei nicht auf althergebrachtes Recht berufen, sondern auf etwas Neues, ein göttliches Recht.
Der Heidelberger Kirchenhistoriker Johannes Ehmann urteilt hier vorsichtiger. Müntzer habe zwar klar revolutionäre Absichten gehabt. Aber andere Wortführer der Bauern hätten beispielsweise an den Papst und an den Kaiser appelliert, Missstände abzustellen. "Sie bleiben da klar in der bestehenden Ordnung", sagt Ehmann. Er bezweifle, dass die meisten Bauern Visionen gefolgt seien. Wichtiger seien ihnen konkrete Verbesserungen ihres Lebens gewesen.