Erzbischof O'Malley: Kapuziner, Kardinal und knallharter Aufklärer
Seinen braunen Habit wolle er in diesem Leben nicht mehr gegen ein andersfarbiges Gewand eintauschen, sagte Kardinal Sean Patrick O'Malley 2013. Der Kapuziner und Erzbischof von Boston reagierte damit nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. auf Gerüchte, er könne zum nächsten Papst gewählt werden. Doch dann machte der Argentinier Bergoglio das Rennen.
Dass O'Malley eine zweite Chance auf das Papstamt bekommt, ist so gut wie ausgeschlossen. Heute begeht der US-Kardinal seinen 80. Geburtstag und ist ab dann von der Teilnahme am Konklave ausgeschlossen. Der Ordensmann dürfte seine braune Kluft also weiterhin tragen – auch auf Fotos mit Franziskus zusammen verzichtet er selten darauf.
Befassung mit Missbrauch prägt Vita von O'Malley
O'Malley und den Papst verbindet eine große persönliche Wertschätzung. Der Kardinal aus Boston wurde von Franziskus 2013 in den damals neu gegründeten Kardinalsrat berufen und gehörte dem Gremium seitdem ununterbrochen an. Der Rat beriet den Papst zunächst bei der Kurienreform und später bei deren Umsetzung, seine Mitglieder genießen das besondere Vertrauen des Kirchenoberhauptes.
Daneben hat O'Malley, der sich weiterhin oft mit seinem Ordensnamen Sean – die irische Form von John in Anlehnung an die Herkunft seiner Vorfahren – anreden lässt, noch ein zweites wichtiges Standbein im Vatikan. Er ist erster Präsident der 2014 gegründeten päpstlichen Kinderschutzkommission und somit oberster Beauftragter der katholischen Kirche im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen.
Die Ernennung kam nicht von ungefähr. Die Befassung mit Missbrauchsfällen zieht sich durch die gesamte Vita des Kardinals. Am 29. Juni 1944 in Lakewood (Ohio) geboren, befasste sich O'Malley schon früh mit der Missbrauchsthematik. Mit 21 Jahren trat er 1965 den Kapuzinern bei, ab 1984 wurde er auf mehrere Bischofsposten berufen, in Saint Thomas auf den Amerikanischen Jungferninseln, Fall River in Massachusetts und Palm Beach in Florida.
Am 1. Juli 2003 bestimmte ihn Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof von Boston; der prestigereichste Bischofssitz in den USA – der aber aufgrund einer schweren Missbrauchskrise kurz zuvor am Boden lag. O'Malley folgte in Boston auf Kardinal Bernard Francis Law (1931-2017), der wegen des von der Tageszeitung "Boston Globe" aufgedeckten Missbrauchsskandals zurücktreten musste.
Der neue Erzbischof übernahm eine Diözese im schwersten Krisenmodus – machte sich aber gleich an die Arbeit. Eine der aufsehenerregendsten Maßnahmen war der Verkauf des erzbischöflichen Palais, um die Entschädigung von Missbrauchsopfern aufbringen zu können. Er selbst zog in eine deutlich kleinere Wohnung.
2006 nahm ihn Papst Benedikt XVI. ins Kardinalskollegium auf – standesgemäß für einen Bostoner Erzbischof. O'Malley gilt als polyglott. Nach Angaben des Erzbistums beherrscht er acht Sprachen: Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Italienisch sowie das Kreol Haitis, Latein und sogar Deutsch. Auch dies dürfte dabei hilfreich gewesen sein, zur zentralen Person der Weltkirche bei der Missbrauchsaufarbeitung zu werden. Dabei blieb die päpstliche Kinderschutzkommission nicht frei von Kritik – besonders nicht von interner.
Kritik von Kinderschutzexperte Zollner
Im März 2023 trat der deutsche Jesuit und Kinderschutzexperte Hans Zollner aus der Kommission aus. Er warf dem Gremium mangelnde Transparenz sowie unklare Verantwortlichkeiten vor. Besonders problematisch dabei: die Position des Vorsitzenden. Dessen Amt könne nur dann funktionieren, wenn er sich oft in Rom aufhalte und "wenn er bereit wäre, in den Ring zu steigen", betonte Zollner damals. Der Kommissionsvorsitzende müsse in Konflikte gehen, notfalls auch mit dem Papst. "Und das macht Kardinal O'Malley nicht."
Zu seinem 75. Geburtstag, an dem Bischöfe dem Papst ihren Rücktritt anbieten müssen, beließ Franziskus O'Malley vor fünf Jahren in Boston im Amt. Damit wurde er zum ältesten aktiven Bischof im notorisch gespaltenen US-Episkopat.