...doch am größten ist die Liebe
"Gott ist die Liebe", heißt es im ersten Johannesbrief (1 Johannes 4,8). Wer aber liebt, braucht ein Gegenüber. Gott hat es sich im Menschen geschaffen. Und es grenzt an ein Wunder: Trotz großer Enttäuschungen in der Beziehung zu seinen Geschöpfen hört Gottes Liebe nicht auf. Immer wieder schenkt er die Chance eines Neubeginns und lässt dabei in seiner Liebe nicht locker.
Gott führt sein Volk aus der Knechtschaft Ägyptens ins Gelobte Land. Und obwohl sich die Israeliten von ihm abwenden, sendet er Propheten, die sie wieder auf den rechten Weg zurückführen. Er kommt sogar als Mensch in die Welt, wirkt Wunder, predigt Gottes- und Nächstenliebe. Seine Liebe findet schließlich im Kreuzestod Jesu Christi höchste Vollendung: Durch seine Auferstehung macht er den Weg zum ewigen Leben frei. "Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir." (Jesaja 43,1) Mit diesen Worten nimmt Gott jeden Menschen an.
Liebe mit Schattenseiten
In vielen Textstellen der Bibel finden sich göttliche Liebesbeweise, etwa beim Propheten Jeremia: "Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt." (Jeremia 31,3) "Diese Worte gelten mir persönlich", erklärt der Benediktinerpater Anselm Grün. "Ich kann Gottes bedingungslose Liebe spüren, wenn ich die Heilungswunder Jesu und seine Begegnung mit Menschen betrachte. Und ich kann sie in der Schöpfung wahrnehmen - in der Sonne, die mich mit ihren warmen Strahlen durchdringt, oder im Wind, der mich zärtlich streichelt."
„Liebe ist die stärkste Macht der Welt, und doch ist sie die demütigste, die man sich vorstellen kann.“
"Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Sie hört niemals auf", schreibt der Apostel Paulus unter der Überschrift "Das Hohelied der Liebe" an die Korinther (1 Kor 13,7-8). Es gehört zu den am meisten zitierten Texten der Bibel. Paulus räumt der Liebe gegenüber den beiden anderen göttlichen Tugenden Glaube und Hoffnung eine Sonderstellung ein: "Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe." (1 Kor 13,13).
Dennoch hat Liebe immer auch Schattenseiten: Wenn das Bild, das sich jemand vom anderen macht, nicht dem eigenen Wunschdenken entspricht, beginnt es zu kriseln. Oder es wird vieles zur Gewohnheit, und eine gewisse Tristesse macht sich breit. "Lieben ist einfach; geliebt zu werden und dies liebend zu erwidern, das ist die Kunst", sagt Martin Seel, Professor für Philosophie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Ein Lebensprogramm, an dem nicht wenige scheitern. Besitzansprüche, Eifersucht und Missverständnisse stellen die Liebe auf den Prüfstand. Doch wahre Liebe hat mit Geduld, Nachsicht, dem Aushalten von Durststrecken, dem Ertragen von Krisen zu tun. "Liebende lassen einander Zeit zu wachsen. Sie verzichten darauf, den andern so zu formen, wie sie ihn gern haben möchten und nehmen ihn an mit all seinen Stärken und Schwächen", sagt Anselm Grün. "Wenn ich den andern geduldig sein lasse, wie er ist, dann werde ich ihn in seiner Einmaligkeit immer mehr lieb gewinnen."
„Die Liebe trägt die Seele, wie die Füße den Leib tragen.“
Manche können sich nur schwer auf eine Liebesbeziehung einlassen. Kränkungen und Zurückweisungen haben ihnen die Illusion von der großen Liebe geraubt. Doch dies ist auf Dauer unbefriedigend. "Wir würden dann als reine Zuschauer außen vor bleiben und nichts vom Leben empfangen, weil wir nichts geben. Das ist die Tragik vieler Menschen", sagt Benedikt Müntnich, Abt der Benediktinerabtei Maria Laach.
Neuanfang durch Vergebung
Tag für Tag stirbt die Liebe zahlreiche Tode - und erlebt doch immer wieder Auferstehung. Nicht nur in Paarbeziehungen, sondern vor allem auch im alltäglichen menschlichen Umgang - etwa mit Vorgesetzten, Kollegen, beim Autofahren, in voll besetzten Zügen, in Warteschlangen, aber auch bei Vorurteilen gegenüber Fremden.
In seiner Bergpredigt propagiert Jesus Gewaltverzicht und Feindesliebe. Damit sind vor allem die kleinen Nadelstiche, Beleidigungen und Verletzungen gemeint, die das Leben schwer machen. Dann sind die Fronten verhärtet, und zunächst kleine Probleme wachsen ins Uferlose. "Wir sollten lernen, unsere Mitmenschen, die Gott genauso liebt wie uns, grundsätzlich in Liebe anzuschauen. Sobald uns das gelingt, sehen wir sie auf einmal anders und ihre tatsächlichen Fehler gelassener", sagt Benedikt Müntnich. Und dann passiert nicht selten ein kleines Wunder. Der Benediktinerabt beschreibt es so: "Die Mitmenschen haben sich verändert, weil das Licht der Liebe auf sie gefallen ist. Und wir selbst haben uns verändert, weil Gott unterdessen in uns Wohnung genommen hat."
„Liebe ist die Schönheit der Seele.“
Ein gutes Wort, eine nette Geste, ein Lächeln und ein Zuhören können beim Gegenüber positive Reaktionen auslösen, mit denen eigentlich niemand gerechnet hätte. Hermann Hesse bringt es auf folgenden Nenner: "Damit das Mögliche entsteht, muss das Unmögliche versucht werden." Dazu gehört vor allem auch die Bereitschaft zur Vergebung. "Wir werden alle aneinander schuldig. Das ist die Gebrochenheit unseres Menschseins. Wir können uns gegenseitig unsere Erwartungen nicht erfüllen und tun einander weh - aus Gedankenlosigkeit, Rücksichtslosigkeit, Bosheit. Nur die Vergebung hilft uns dann, die Beziehung nicht enttäuscht und verletzt abzubrechen. Sie macht sogar einen Neuanfang möglich", sagt Benedikt Müntnich.
Der Völkerapostel Paulus hat auch für solche unerquicklichen Situationen im Leben eine Antwort parat: "Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt." (Eph 4,29)
Verantwortung für sich und andere
Neben der Gottes- und Nächstenliebe räumt Jesus Christus der Selbstliebe einen besonderen Stellenwert ein: "Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst." (Lk 10,27) Selbstliebe hat keinesfalls mit Selbstverliebtheit zu tun. Diese macht nämlich auf Dauer unfähig, sich in andere einzufühlen. Selbstliebe hingegen bedeutet, seine eigenen körperlichen, geistigen und seelischen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Dies versäumen Menschen, die sich pausenlos für andere aufopfern, bis sie physisch und psychisch zusammenbrechen. Manche spüren dann gar nicht mehr, wie sehr sie sich selber in die Opferrolle begeben haben. Andere fühlen sich darin recht wohl. Denn sie machen so auf sich aufmerksam, lenken ab von eigenen Schwächen und Defiziten.
„Wenn auf der Erde die Liebe herrschte, wären alle Gesetze entbehrlich.“
Ein gutes Vorbild für alle im sozialen Bereich Arbeitenden ist das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10, 30-37). Dieser kümmerte sich als einziger um einen von Räubern schwer Verletzten. Doch er brach über der Last seiner Verantwortung nicht zusammen. Der Samariter brachte den Mann, nachdem er Erste Hilfe geleistet hatte, zur weiteren Versorgung und Pflege in eine Herberge. Dafür bezahlte er den Wirt. Er stahl sich nicht aus der Verantwortung, erhob nicht den Anspruch, alles alleine stemmen zu müssen.
Nächstenliebe verlangt, sich spontan um Menschen zu kümmern, die Hilfe brauchen: das weinende Kind, der alte, verwirrte Mensch, das Unfallopfer. Sie verlangt aber auch, sich mit den Ursachen von Not im eigenen Umfeld und weltweit auseinander zu setzen: Lebenskrisen von Bekannten, Kollegen, Nachbarn, die seelischen Beistand brauchen; Not in sozialen Brennpunkten vor der eigenen Haustür; globale Krisen durch unreflektierten Konsum, durch Verschwendung von Ressourcen.
Nächstenliebe heißt in solchen Fällen auch, Verantwortung zu übernehmen, sich ehrenamtlich zu engagieren, etwa in Friedensbewegungen, Umweltorganisationen, christlichen Initiativen, die sich gegen die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen zur Wehr setzen und Gegenprogramme entwerfen.
Der Glaube als göttliche Tugend
"Ein Anker in stürmischer See" ist der Glaube. Welchen Stellenwert hat der christliche Glaube heute? Warum brauchen Menschen ihn heute dringender denn je? Katholisch.de hat sich auf die Suche nach Antworten begeben.Impulse
Die Beziehung zu Gott neu beleben, liebevoller mit sich selber und mit anderen umgehen: Wie kann dies gelingen? Die folgenden Impulse sollen bei der Antwortsuche behilflich sein.
Zwiesprache mit Gott
Einfach im Rhythmus des Atems, beim Gehen, beim Stehen in einer Warteschlange, beim Sitzen in einer Kirche oder auch im Zug ein kurzes Gebet in Gedanken sprechen: Das macht ruhiger und stärkt die Gewissheit, dass Gott mitgeht. Beispiele für kurze Gebete: "Herr Jesus Christus, geh mit mir!", "Gott, halte mich in deiner Hand!", "Heiliger Geist, schenke mir deine Kraft!"
Liebe zeigen
Einem geliebten Menschen immer mal wieder zeigen, was er einem bedeutet: Von einer solchen Wertschätzung lebt eine Liebesbeziehung. Vielleicht eine spontane Umarmung und die Zusage: "Du bist eine Bereicherung für mich." Oder heimlich ein rotes Papierherz mit einem kleinen Gedicht auf den Frühstücksteller schmuggeln.
Ich finde mich gut
Tage, an denen vieles nicht gut gelaufen ist, haben nicht nur Schattenseiten. Lebenskunst besteht darin, in der Rückschau immer auch lichtvolle Seiten zu entdecken: nette Begegnungen, ein aufmunterndes Wort für die Kollegin, der Verzicht auf einen pünktlichen Feierabend, damit der Kollege pünktlich eine wichtige Verabredung einhalten kann. Dies alles lässt die Selbstliebe wachsen.
Lebensmotto: Freundlich sein
Freundlichkeit, liebe Worte, nette Gesten stecken an und bescheren nicht nur das Gefühl, etwas Gutes für andere getan zu haben. Alles wird nämlich in den meisten Fällen zurückgegeben. Griesgrame grüßen zurück, und manche gerunzelte Stirn wird im Nu durch ein Gegenlächeln glatter. Unfreundlichkeit erzeugt hingegen nicht selten Gewalt durch verbale Angriffe.