Die Hoffnung ist eine der drei göttlichen Tugenden

Was uns täglich antreibt

Veröffentlicht am 14.08.2015 um 13:30 Uhr – Von Margret Nußbaum – Lesedauer: 
Man sieht nur die Händer der Frau, der Raum ist bis auf das Strahlen der Kerzen völlig dunkel.
Bild: © KNA
Göttliche Tugenden

Bonn ‐ Glaube, Hoffnung und Liebe - katholisch.de beleuchtet die drei göttlichen Tugenden. Im heutigen zweiten Teil geht es um die Hoffnung: Wie kann es gelingen, sie immer wieder neu zu schöpfen? Und was unterscheidet die christliche Hoffnung vom Optimismus?

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"Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen": Kaum ein anderer Spruch bringt die Fürsorge Gottes und das Vertrauen darauf so treffend zum Ausdruck wie der 23. Psalm. Weil er Hoffnung macht, gehört er zu den beliebtesten Tauf-, Kommunions- und Firmsprüchen. Schwerkranken und Angehörigen Verstorbener dient er als Trostspender. Der Psalm macht Mut, in der Gegenwart Gottes zu leben, ihm zu vertrauen, die Hoffnung nicht aufzugeben, gelassen zu bleiben, auch wenn die Stürme des Lebens heftiger werden. Die finstere Schlucht hat nichts Furchterregendes mehr, weil sich der Beter von Gott beschützt weiß.

Wer so vertrauensvoll betet, spürt in sich die Kraft der Hoffnung, die an einen guten Ausgang glaubt. Die Bibel ist voll von hoffnungsfrohen Geschichten. Mit Gottes Hilfe führt Mose die Israeliten ins gelobte Land. Der Herr erbarmt sich seines hungernden Volkes und lässt Manna vom Himmel regnen. Das Neue Testament erzählt von den Wundern, die Jesus gewirkt hat: Blinde können wieder sehen, Taube hören, Lahme gehen, Aussätzige werden rein. Menschen, die ihre Hoffnung auf Heilung längst aufgegeben haben, werden an Leib und Seele gesund.

Diese Heilsgeschichten finden ihre Vollendung in der Auferstehung Jesu von den Toten und seiner Zusage, dass er auch uns einen Platz im Himmel bereiten wird. Glaube, Hoffnung und Liebe - diese drei göttlichen Geschenke geben Halt und  Orientierung fürs Leben. Das kleine Senfkorn Hoffnung hat Gott in jeden Menschen gepflanzt. Eine wichtige Lebensaufgabe: es zum Wachsen und Gedeihen zu bringen und die Hoffnung lebendig zu halten.

„Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu ertragen: die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.“

—  Zitat: Immanuel Kant, deutscher Philosoph

Wie die Hoffnung zur Welt kam, erzählt eine Geschichte aus der griechischen Mythologie: Prometheus schenkte den Menschen das Feuer, indem er es aus der Schmiede des Gottes Hephaistos stahl. Der Göttervater Zeus sann auf Rache und befahl Hephaistos, aus Erde eine Frau zu formen - Pandora. Sie wurde mit einer Büchse als Geschenk zu den Menschen geschickt. Diese war mit Krankheit und Unglück, aber auch mit Hoffnung gefüllt. Als Pandora die Büchse öffnete, entwichen Krankheit und Unglück, die Hoffnung aber blieb drinnen. Von da an brach das Unheil über die Menschen herein. Erst später, als Pandora die Büchse wieder öffnete, konnte die Hoffnung entweichen.

Hoffnung kann leben retten

Was passieren kann, wenn ein Mensch alle Hoffnung verliert, erzählt die folgende Geschichte: Ein Mann wurde am Abend aus Versehen in einem Kühlhaus eingeschlossen. Sein Todesurteil, so glaubte er. Denn niemand war mehr da, und man würde ihn erst am nächsten Morgen entdecken. Er war sicher, die Nacht in der extremen Kälte nicht überleben zu können. Der Mann schrieb einen Abschiedsbrief an seine Familie. Am nächsten Morgen fand man ihn tot auf. Sein Tod blieb ein Rätsel, denn in der Nacht war die Kühlanlage ausgefallen, und der Mann hätte überleben müssen. Todesursache Hoffnungsverlust?

Mediziner wissen: Die Chancen, eine Krankheit zu überwinden, sind umso größer, je mehr Hoffnung der Kranke hat. Wer sich aufgibt, verliert sehr viel schneller den Kampf. "Hoffnung ist eine Emotion. Sie ist in alte Gehirnschichten eingebettet, die wir mit den Säugetieren gemeinsam haben", erklärt der Religionspädagoge Anton Buchner von der Universität Salzburg. "Hoffnung kann starke Energien freisetzen - auch in widrigsten und aussichtslosesten Situationen."

„Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung.“

—  Zitat: Albert Camus, französischer Dramatiker

Wie unterscheiden sich Hoffnung und Optimismus voneinander? "Optimisten sehen ein halbvolles Wasserglas, Pessimisten ein halbleeres", erklärt der Sozialwissenschaftler Stephan Marks. "Hoffnung hingegen ist die Bereitschaft, nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten dazu beizutragen, dass das Glas voller wird - ganz unabhängig davon, wie voll oder leer es jeweils sein mag." Der tschechische Menschenrechtler und Politiker Vaclav Havel beschrieb die Hoffnung einmal so: "Sie ist nicht die Überzeugung, dass etwas klappen wird, sondern die Gewissheit, dass etwas seinen guten Sinn hat - egal wie es ausgehen wird."

Optimismus ist mit christlicher Hoffnung nicht gleichzusetzen

Dass Hoffnung und Optimismus kein Zwillingspaar sind, davon ist auch Richard Rohr, Franziskanerpater und Gründer des "Zentrums für Aktion und Kontemplation" in den USA überzeugt. "Optimismus ist eine natürliche Tugend und ein wunderschönes Charaktergeschenk, wenn alles gut verläuft und man sich vorstellen darf, dass morgen alles noch besser wird, als es heute ist", erklärt er. "Christliche Hoffnung hingegen hat nichts mit der Überzeugung zu tun, morgen werde sicher alles besser sein als heute. Nur mit Ehrfurcht und Achtsamkeit stößt man zur alles auffangenden Hoffnung und zu einer Gesamtschau vor. Und nur dann wird die Welt zur sicheren Heimat."

Bild: ©Emmi/Fotolia.com

Ein Teelöffel voller kleiner Senfkörner: Seit einem Gleichnis von Jesus sind sie ein Symbol für die christliche Hoffnung, dass aus Kleinem etwas Großes erwachsen kann.

Hoffnung verkommt heute mehr und mehr zum Discount-Produkt. "Mit der Droge des positiven Denkens wird ein schwunghafter Handel betrieben - ein Betäubungsmittel, das früher oder später jede klare Orientierung zersetzt", sagt Martin Seel, Philosophieprofessor in Frankfurt am Main. "Dieses oder jenes Heil wird der Kundschaft mit großspurigen Garantien versprochen.

Hoffnung ist aber kein Versprechen, das man halten muss. Sie hält und erhält auch dann, wenn sie sich nicht - oder noch nicht - erfüllt." Im Sprichwort heißt es, dass jeder seines Glückes Schmied ist. Doch Hoffnung ist mehr als Glück. Sie setzt einen festen Glauben voraus - an Gott, an sich selbst, daran, dass sich schließlich doch alles zum Guten wendet. Hoffnung kann ihre Kraft allerdings nicht allein entfalten. Sie braucht dazu Menschen, die handeln, etwas riskieren und dabei auch Hilfe anderer annehmen.

„Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt, was wir befürchten, bestimmt.“

—  Zitat: Ernst Bloch, deutscher Philosoph

Der britische Kunsthistoriker Kenneth Clark erreichte in den 1970er Jahren weltweit Aufmerksamkeit für seine Fernsehserie "Civilisation", in der er über den Aufstieg und Niedergang von Zivilisationen berichtete. Er brachte seine Erkenntnisse einmal auf den folgenden Punkt: "Immer dann erreichen Zivilisationen ein großartiges Format, wenn die Menschen von Zuversicht erfüllt sind." Hoffnung schöpfen in Zeiten weltweiter Krisen und angesichts der Schreckensszenarien, die uns von den Medien tagtäglich frei Haus geliefert werden? Ist diese Sichtweise nicht geradezu naiv?

Sinnvolles Engagement

Stephan Marks rät zu einer bewussteren Auswahl der Informationsquellen: "Wer sich alles Unheil zu Herzen nimmt, kann leicht hoffnungslos werden. Es gibt Medien, die vorwiegend negative Nachrichten bringen, oft reißerisch aufbereitet. So etwas sollte man sich nicht antun." Wichtig sei es, sich für eine sinnvolle Sache zu engagieren: "Keine Macht der Welt kann den Menschen davon abhalten, Sinn zu verwirklichen. Das Wort 'trotzdem' ist in Bezug auf die Hoffnung ganz wichtig."

Einen großen Stellenwert nimmt in dieser Beziehung auch die Achtsamkeit ein. "Achtsamer Umgang mit Alltagsritualen macht gute Laune und hebt die Lebensfreude. Die Wertschätzung des Alltäglichen bewirkt nicht weniger als große Entwürfe", sagt die Religions- und Kulturwissenschaftlerin Brigitte Romankiewicz. Wichtig ist zudem, sich vor Augen zu führen, dass es in jedem Leben Licht und Schatten, Auf und Ab gibt. "In den alten Religionen wurde das um Leben und Tod kreisende Geheimnis als das Schicksalsrad bezeichnet, das sich ständig dreht", sagt Richard Rohr. "Also muss ich die Zeit durchstehen, in der ich auf diesem Rad ganz unten bin, und dann die Zeit begrüßen, in der mich das Rad nach oben trägt."

Der Glaube als göttliche Tugend

"Ein Anker in stürmischer See" ist der Glaube. Welchen Stellenwert hat der christliche Glaube heute? Warum brauchen Menschen ihn heute dringender denn je? Katholisch.de hat sich auf die Suche nach Antworten begeben.

Impulse

Nach vorn schauen, sich nicht entmutigen lassen, neue Hoffnung schöpfen: Wie kann das gelingen? Die folgenden Impulse geben Antworten auf diese Fragen.

Dankbarkeit nährt Hoffnung

Jammern über das, was schlecht läuft, lähmt und macht mutlos. Eine dankbare Rückschau darauf, was bisher im Leben gut gelungen ist, gibt der Hoffnung neue Nahrung. Der Königsweg der Dankbarkeit: auch, was nicht gut war, wohlwollend betrachten und dankbar sein für die Gelegenheit, etwas daraus gelernt zu haben.

Hilfe annehmen

Einzelkämpfer sind einsam. Jeder braucht zuverlässige Freundn, Nachbarn, Arbeitskollegen. Gut ist es, andere zum Hilfe zu bitten.  Umgekehrt gilt: Wer Hilfe anbietet, erklärt sich solidarisch mit denen, die sie suchen. Eine wichtige Lebensweisheit: Hoffnungslosigkeit hat in einer Solidargemeinschaft keine Chance.

Etwas wagen

Es ist wichtig, hin und wieder über sich selbst hinauszuwachsen, etwas Neues zu wagen - ohne zu wissen, wohin der Weg führt. Die Zukunft hat eine ganze Farbpalette an Möglichkeiten. Also ruhig mal den Pinsel in eine andere Farbe tauchen und schauen, wie sich das Lebens-Gemälde verändert.

Belastendes loslassen

Altlasten, die mit durchs Leben geschleppt werden, machen kraftlos und behindern die Weiterentwicklung. Wer zu sehr an der Vergangenheit klebt und Belastendes nicht loslässt, kann sich kaum auf die Gegenwart fokussieren und erst recht nicht auf die Zukunft konzentrieren. Das hilft: Belastendes aufschreiben und den Zettel verbrennen oder tief vergraben.

Von Margret Nußbaum