Es soll sogar einen Probegottesdienst geben

Katholische Kirchengemeinde sucht neuen Pfarrer – per Stellenanzeige

Veröffentlicht am 08.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Zizers ‐ Die katholische Kirchengemeinde Zizers in der Schweiz sucht ab Sommer einen neuen Pfarrer. In Zeiten des Priestermangels ist das gar kein so leichtes Unterfangen. Daher hat sich die Gemeinde etwas Besonderes einfallen lassen und selbst die Initiative ergriffen.

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Eine katholische Kirchengemeinde, die per Inserat einen neuen Pfarrer sucht? In der Schweiz ist das gar nicht so ungewöhnlich. Weil die Kirchengemeinden dort "Anstellungsbehörden" sind, werden Personalstellen öffentlich ausgeschrieben. Aufgrund des Priestermangels übernehmen das die Gemeinden oft selbst, in Absprache mit den Personalverantwortlichen des Bistums. Auch in Zizers soll die Stelle des Pfarrers nachbesetzt werden. Der ideale Kandidat ist bislang noch nicht gefunden. Selbst in einer deutschen Kirchenzeitung findet sich die Stellenausschreibung. Alois Gadola ist Vorsitzender des Kirchengemeinderats Zizers und erklärt im Interview mit katholisch.de, wie es dazu kam und warum die Bewerber für die Stelle sogar einen Probegottesdienst halten sollen.  

Frage: Herr Gadola, wie kam es dazu, dass Sie einen Pfarrer per Zeitungsannonce suchen?

Gadola: Unser Pfarrer, der jetzt über vier Jahre bei uns war, verlässt unsere Gemeinde im Sommer. Er möchte gerne Mönch werden und hat sich dafür vom Bistum Chur eine Auszeit erbeten. Daher suchen wir einen neuen. Wir machen das in Absprache mit dem Bistum. Normalerweise regelt das Bistum das für die jeweilige Gemeinde. Aber der Generalvikar setzt uns nicht irgendjemanden vor die Nase. Wir entscheiden daher zusammen, wen wir gerne für die Stelle nehmen würden. Aber es ist schwer, jemanden zu finden, auch wegen des Priestermangels. Es gibt einige Gemeinden in der Schweiz, die keinen Pfarrer mehr haben. Daher möchten wir das Problem aktiv lösen und kamen auf die Idee mit der Zeitungsannonce.

Frage: Warum suchen Sie selbst in Deutschland nach einem geeigneten Kandidaten? Dort werden doch genauso Pfarrer für die Seelsorge vor Ort benötigt…

Gadola: Wir haben vorher alle Beteiligten gefragt, ob das in Ordnung ist und wir das Inserat in der Kirchenzeitung der Diözese Rottenburg-Stuttgart schalten dürfen. Das wurde uns von allen Seiten erlaubt. Der jetzige Pfarrer kommt ursprünglich auch aus Süddeutschland, daher kam die Idee dazu auf. Wir haben gute Erfahrungen mit ihm gemacht und dachten, vielleicht lässt sich wieder jemanden aus dieser Gegend finden. Wir wollen aber niemanden von der dortigen Diözese abwerben, das ist klar.

Frage: Wäre es eine Alternative, dass Sie die ausgeschriebene Stelle in Ihrer Gemeinde mit einem Laien besetzen würden, also zum Beispiel mit einem Pastoralassistenten?

Gadola: Lieber würden wir einen Pfarrer haben. Bei uns gab es immer schon einen Pfarrer und das hätten wir gerne weiterhin so. Aber aufgrund des Priestermangels beobachten wir in anderen Gemeinden, dass Laien dort aushelfen oder sogar die Gemeindeleitung übernehmen. Ich weiß, dass in der Schweiz und in Deutschland viele Kirchengemeinden zu größeren pastoralen Einheiten zusammengelegt werden. Aber das möchten wir nicht. Vorerst. Wir möchten unsere Gemeinde so behalten, wie sie ist und einen eigenen Pfarrer haben, nur für uns. Wir möchten unsere Gemeinde nicht mit den benachbarten Gemeinden zusammenlegen. Doch wir spüren den Druck und tauschen uns über neue Seelsorgemodelle aus. Wir wissen, dass das auf uns zukommen wird. Aber solange wir es nicht müssen, machen wir es nicht. Wir möchten unsere Gemeinde so weiterführen wie gewohnt. Noch sind wir eine Kirchengemeinde mit einer Kirchturmspitze. Wir versuchen alles dafür zu tun, dass das so bleibt. Momentan helfen uns Pfarrer aus den Nachbargemeinden in der Pastoral aus. Wir haben einen Pfarradministrator, der die rechtlichen Dinge während der Vakanz übernimmt. Vielen von uns in der Gemeinde ist es ein echtes Herzensanliegen, dass wir wieder einen eigenen Pfarrer bekommen.

Frage: Ihre Gemeide bezahlt den Pfarrer dann selbst?

Gadola: Richtig. Wir finanzieren das durch die Gelder, die wir durch die kirchlichen Steuereinnahmen und weiterer Erträge erwirtschaften. Daher können wir uns selbst einen Pfarrer leisten. Ein Pfarrer verdient bei uns in der Gemeinde sehr gut. Außerdem hat er zwei freie Tage in der Woche, also montags und dienstags frei. Außerdem kann er kostenfrei im Pfarrhaus neben der Kirche wohnen.

Bild: ©Kirchengemeinde Zizers

Alois Gadola (links im Bild) ist seit 15 Jahren der Präsident des katholischen Kirchengemeinderats in Zizers.

Frage: Was erwarten Sie von dem neuen Pfarrer, nach dem Sie suchen?

Gadola: Der neue Pfarrer soll fünf Gottesdienste die Woche halten, dazu kommt noch Religionsunterricht an der Grundschule im Dorf. Daneben übernimmt er die Feier der Sakramente und Sakramentalien und bringt zum Beispiel den älteren Bewohnern im Altenheim die Krankenkommunion, er macht Hausbesuche und leitet das Katechese-Team. Er ist für uns und unser Dorf da. Wenn er zu 100 Prozent angestellt sein möchte, dann kann er das gerne tun. Er kann aber auch nur 80 Prozent angestellt sein, dann hält er halt keinen Religionsunterricht. Da sind wir flexibel. Uns ist es auch wichtig, dass der Pfarrer gut Deutsch spricht. Aus welchem Erdteil er kommt, spielt für uns keine Rolle. Wir möchten ihn nur gut bei der Predigt verstehen können. In der Gemeinde gibt es einige ältere Menschen, die ihn problemlos verstehen sollen. Wir hatten schon einmal einen Pfarrer aus Polen, das hat gut funktioniert.

Frage: Gibt es vor Ort in der Gemeinde ein pastorales Team, das den neuen Pfarrer bei seinen Aufgaben unterstützt?

Gadola: Nein, da gibt es sonst niemanden. Der Pfarrer ist allein für die Seelsorge verantwortlich. Unterstützt wird er von einer Pfarramtssekretärin. Wir sind eine kleine Gemeinde mit 1.000 Katholiken, da arbeitet der Pfarrer selbständig.

Frage: Wie erging es den früheren Pfarrern in Ihrer Pfarrei?

Gadola: Die waren immer sehr zufrieden. Wir hatten schon einmal einen Pfarrer per Zeitungsinserat gesucht. Die meisten Seelsorger sind vier bis sechs Jahre bei uns geblieben. Ich bin schon seit über 20 Jahren im Kirchengemeinderat tätig und fast schon 15 Jahre dessen Vorsitzender, also der Präsident. Einmal kam es vor, dass sich ein Pfarrer die Stelle mit einer Pastoralassistentin geteilt hat. Das klappte wunderbar. Ein anderer schrieb an seiner Doktorarbeit und wechselte danach in eine größere Pfarrei des Bistums. Auch der polnische Pfarrer war mehr als sechs Jahre bei uns. Es ist schon unser Ziel, dass unser neuer Pfarrer auch wieder länger bei uns bleibt. Und es ihm bei uns gefällt. Unsere Gemeinde liegt in einem herrlichen Weinanbaugebiet.

Frage: Wie viele Leute sind denn sonntags im Gottesdienst?

Gadola: An den Sonntagen kommen rund 50 Personen in die Kirche zur Messe. Das mag nach wenig klingen, aber ich sage es einmal so: Ein guter Seelsorger hat mehr Leute in der Messe sitzen als ein weniger guter.

Frage: Woran merken Sie, dass die Qualität eines Pfarrers gut ist?

Gadola: ich denke, das merkt man schnell. Schon im Gottesdienst selbst schaue ich drauf, wie jemand die Feier gestaltet, wie er die Menschen beteiligt, anspricht. Auch erlebe ich einen Seelsorger im persönlichen Gespräch, da entscheidet schon der erste Eindruck mit. Wir hatten einmal einen Bewerber, da hat es von Anfang an nicht gepasst, als er schon zur Tür hereinkam. Seelsorge ist vor allem Beziehungsarbeit. Da muss es einfach passen. Natürlich kommen dann noch zusätzlich die Verwaltungsaufgaben zu der ausgeschriebenen Stelle dazu, aber das Ziel ist schon, dass die Kirche voller wird und die Menschen den Seelsorger akzeptieren und gut mit ihm auskommen können. Er soll ältere Leute segnen, die Kinder taufen, Jugendliche firmen, junge Paare trauen. Das ist uns wichtig. Es ist aber nicht so einfach, jemanden dafür zu finden.

Bild: ©Kirchengemeinde Zizers

Zur Kirchengemeinde Zizers gehören rund 1.000 Katholiken. "Wir sind liberal und offen", meint Alois Godola (Mitte im Bild).

Frage: Wie würden Sie Ihre Kirchengemeinde beschreiben?

Gadola: Wir sind eher eine liberale und offene Gemeinde. Also wenn jemand kommt, der bei uns eine strenge Beichtpraxis einführen möchte, gehe ich davon aus, dass die Menschen das hier nicht akzeptieren würden. Wobei ich sagen muss, dass der Pfarrer in der Liturgie das Sagen hat. Wir hatten schon sehr gute Pfarrer hier, manche davon waren konservativ, aber gut.

Frage: Hatten Sie bislang schon Bewerber auf die ausgeschriebene Stelle?

Gadola: Wir haben schon einige Bewerbungen seit der Stellenausschreibung bekommen, aber noch hat uns keine richtig überzeugt. Ein Kandidat war sogar schon in der engeren Auswahl, aber die Komunikation in deutscher Sprache war schwierig. Wir setzen mehr auf Qualität, statt auf Schnelligkeit. Wir haben eine eigene Auswahlkommission für die Pfarrwahl gebildet und prüfen die Kandidaten. Wir verlangen das polizeiliche Zeugnis und das Bistum prüft die Kandidaten dann noch extra, wenn wir unsere Entscheidung getroffen haben. Davor fahren wir aber erst einmal zu einem Gottesdienst in die Gemeinde des Pfarrers, um ihn vorab kennen zu lernen und zu beurteilen. Danach laden wir ihn in unsere Gemeinde zu einem "Probegottesdienst" ein. Dann setzen wir uns mit der Gemeinde zusammen und schauen, ob er zu uns passen könnte. Das ist schon aufwändig. Aber noch läuft das Bewerbungsverfahren. Wir gehen davon aus, dass wir erst Anfang des nächsten Jahres jemanden einstellen werden.

Frage: Wie sieht der ideale Priester für Sie aus?

Gadola: Nicht zu jung und nicht zu alt. Es sollte ein offener Typ sein, durch und durch ein Seelsorger. Er sollte gesund sein und bei Kräften. Und er soll auch eigene Projekte und Initiativen anstoßen, die wir dann gerne fördern können.

Frage: Beten Sie für einen neuen Pfarrer in der Gemeinde?

Gadola: Offiziell nicht, aber der eine oder andere macht das schon. Ich versuche meinen Beitrag dazu zu leisten. Als Gemeinde wollen wir schon zeigen, dass wir nicht nur abwarten und jammern, sondern etwas dafür tun, dass jemand zu uns kommt. Ich hoffe, dass wir jemanden finden, der sich für unsere Gemeinde begeistert.

Von Madeleine Spendier