Felix Neumann zum Umgang mit Missbrauch in der Kirche

"Selbstkritisch und lernfähig"

Veröffentlicht am 17.06.2015 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Felix Neumann zum Umgang mit Missbrauch in der Kirche

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"Sonnenlicht ist das beste Desinfektionsmittel" – so beschrieb am Anfang des letzten Jahrhunderts Louis Brandeis, Richter am obersten Gerichtshof der USA, den Nutzen von Transparenz und Öffentlichkeit für das Gemeinwesen.

Das ist eine Einsicht, die in der Kirche sehr lange gebraucht hat, bis sie sich durchsetzen konnte. In der Aufdeckung sexuellen Missbrauchs in der Kirche taucht ein Motiv immer wieder auf: Den Opfern wurde nicht geglaubt, Kritik von außen war Angriff, Kritik von innen "Nestbeschmutzung". Kurz: Man glaubte, die Institution durch "Diskretion" zu schützen. Heute nennt man die Dinge auch in der Kirche beim Namen und spricht selbstverständlich von "Vertuschung". Selbst Bischöfe und Nuntien sind nicht sakrosankt und müssen sich verantworten, wenn sie im Verdacht stehen, selbst Täter zu sein oder Täter gedeckt zu haben, weil sie den Ruf der Institution über den Schutz von Opfern gestellt haben.

Natürlich steht die Kirche jetzt gerade nicht gut da, wenn sich ein Nuntius vor Gericht für seine Taten rechtfertigen muss. Natürlich steht die Kirche jetzt gerade nicht gut da, wenn in den USA der Erzbischof und der Weihbischof des Erzbistums Saint Paul and Minneapolis zurücktreten und sich möglicherweise bald vor dem neuen Bischofstribunal der Glaubenskongregation verantworten müssen. Und natürlich steht die Kirche jetzt gerade nicht gut da, wenn im Bistum Mainz eine schonungslose Strategie der Transparenz und Offenheit angesichts des Missbrauchs in einer Kindertagesstätte verfolgt wird.

Kurzfristig trägt Transparenz und Aufklärung nicht dazu bei, den Ruf der Kirche zu verbessern – aber ignorieren, stillschweigen oder gar vertuschen schadet allen: sofort den Opfern, und bald auch der Kirche, die an Glaubwürdigkeit verliert, Vertrauen verspielt und so ihren Auftrag verfehlt – zumal Missbrauch dort gedeiht, wo eine Kultur des Wegsehens Täterstrategien begünstigt.

"Sonnenlicht ist das beste Desinfektionsmittel" – deshalb tut die Kirche gut daran, sich als eine selbstkritische und lernfähige Institution zu zeigen.

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Von Felix Neumann