Glaubensdikasterium hat Botschaften der Seherin Pierina Gilli bewertet

Positives Urteil über Marienerscheinung nach neuen Wunder-Normen

Veröffentlicht am 08.07.2024 um 12:14 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Der Vatikan prüft angebliche Wunder. Seit Kurzem gibt es dafür neue Regeln – und diese wurden nun erstmals mit einem zustimmenden Ergebnis angewandt. Dass die Marienerscheinungen im Bistum Brescia echt sind, ist damit aber nicht bestätigt.

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Das Glaubensdikasterium hat erstmals unter Anwendung der neuen Normen zur Beurteilung von übernatürlichen Phänomenen eine positive Bewertung mitgeteilt. Am Montag veröffentlichte das Dikasterium einen auf Freitag datierten Brief an den Bischof von Brescia zur Verehrung der Botschaften von Seherin Pierina Gilli zur Erscheinung der "Maria Rosa Mistica". Darin stellt der Präfekt des Glaubensdikasteriums, Kardinal Víctor Manuel Fernández, fest, dass seine Behörde in den Botschaften der Mystikerin keine Elemente gefunden habe, die der Lehre der katholischen Kirche über Glauben und Moral direkt widersprechen. Außerdem ließen sich keine negativen moralischen oder anderweitig kritische Aspekte finden. "Vielmehr lassen sich mehrere positive Aspekte finden, die in den Botschaften insgesamt hervorstechen, und andere, die stattdessen einer Klärung bedürfen, um Missverständnisse zu vermeiden", so der Brief.

Bei dem geprüften Phänomen handelt es sich um die Botschaften, die die Seherin Pierina Gilli (1911–1966) von der Jungfrau Maria erhalten haben soll. Das Schreiben enthält ein lehrmäßiges Urteil über die Botschaften, auf deren Grundlage der zuständige Diözesanbischof das Verfahren fortführen kann. Das Dikasterium würdigt ihr demütiges und vollkommenes Vertrauen in das mütterliche Wirken Marias. Missverständlich seien dagegen Texte, in denen die Rolle Marias in ihrem Verhältnis zu Christus unklar dargestellt wird. Bisweilen könne der Eindruck entstehen, dass Maria eine notwendige Mittlerin des Heils sei. Es müsse festgehalten werden, dass Christus der einzige Erlöser ist. In der Gesamtheit werde aber deutlich, dass es Gilli nicht darum gehe, Gott und Christus so fern und unbarmherzig zu schildern, dass sie durch die Vermittlung Marias gebändigt werden müssten.

Jetzt ist der Diözesanbischof am Zug

Die Formulierungen des Glaubensdikasteriums deuten darauf hin, dass die Botschaften in die von der Verfahrensordnung vorgesehenen höchsten Kategorien "Nihil obstat" (nichts steht einer Verehrung entgegen) oder "Prae oculis habeatur" (positive Bewertung, teilweise lehrmäßige Klärung erforderlich) eingeordnet werden können. Zuständig für die Verkündung des Ergebnisses ist der Diözesanbischof. Eine erste Prüfung hatte die Botschaften als nicht ausreichend glaubwürdig eingestuft, eine neuerliche Überprüfung von 2013 bis 2022 hatte dagegen vorläufig die Visionen als echt eingestuft. 2014 wurde die "Stiftung Rosa Mystica Fontanelle" kirchlich anerkannt. Im Zentrum der Botschaften steht Maria, die sich ihr als "Rosa Mystica" (geheimnisvolle Rose) offenbart haben soll. Dieser Titel Marias wird auch in der Lauretanischen Litanei verwendet und geht auf das alttestamentliche Hohelied zurück.

Das Mitte Mai reformierte Verfahren zur Prüfung möglicher übernatürlicher Ereignisse hat nicht mehr das Ziel, die Übernatürlichkeit eines Ereignisses definitiv festzustellen. Stattdessen ordnet es die geprüften Ereignisse in verschiedene Kategorien ein, die von einem "Nihil obstat", bei dem der pastorale Wert eines Ereignisses gewürdigt wird, bis zu einem "Prohibetur et obstruatur" reichen, bei dem die kritischen Aspekte überwiegen und an der Verehrung des Phänomens nicht festgehalten werden darf. Außerdem besteht weiterhin die Möglichkeit, definitiv festzustellen, dass ein Phänomenen sicher keinen übernatürlichen Ursprung hat. Das Verfahren sieht vor, dass der Diözesanbischof im Dialog mit der nationalen Bischofskonferenz die Ereignisse untersucht und darüber ein Urteil fällt, das dem Glaubensdikasterium zur Genehmigung vorgelegt wird. Zunächst hat der Bischof dazu eine Voruntersuchung anzustellen, deren Ergebnisse mit einem Votum zum weiteren Vorgehen dem Glaubensdikasterium vorgelegt werden. Das Dikasterium hat diese Ergebnisse zu bewerten und die Entscheidung des Diözesanbischofs zu approbieren oder abzulehnen. Die erste Entscheidung nach den neuen Normen wurde Ende Juni veröffentlicht. Dabei wurde eine angebliche Marienerscheinungen in der Gemeinde Trevignano nahe Rom als eindeutig nicht übernatürlichen Ursprungs erklärt ("Declaratio de non supernaturalitate"). (fxn)