Sexuelle Übergriffe: Schwere Vorwürfe gegen Armenpriester Abbé Pierre
Der als Vorkämpfer gegen Armut und Obdachlosigkeit bekanntgewordene französische Priester Abbé Pierre (1912-2007) hat sich möglicherweise sexuell übergriffig gegenüber mehreren Frauen verhalten. Darauf deuten die Aussagen von sieben Frauen, die im Auftrag der internationalen und der französischen Emmaus-Gemeinschaft sowie der in Frankreich ansässigen Abbé-Pierre-Stiftung aufgenommen und analysiert wurden, wie die Emmaus-Bewegung am Mittwoch mitteilte. Man begrüße "den Mut der Personen, die ausgesagt haben und es durch ihre Worte ermöglicht haben, diese Realitäten ans Licht zu bringen". Die Vorwürfe beziehen sich den Angaben zufolge unter anderem auf wiederholte Äußerungen mit sexuellem Bezug und unerwünschtes Anfassen.
Auslöser der Untersuchung ist laut Mitteilung der drei Organisationen eine vor einem Jahr eingegangene Zeugenaussage über einen sexuellen Übergriff des Priesters auf eine Frau. Nach einem Treffen mit der Frau habe man ein Expertenbüro mit der Untersuchung beauftragt, um mögliche weitere Fälle festzustellen. Die Experten sammelten demnach die Aussagen von sieben Frauen, von denen eine zum Zeitpunkt der Übergriffe minderjährig gewesen sei. Die gesammelten Informationen könnten demnach darauf hindeuten, dass der Priester in dem Zeitraum zwischen dem Ende der 1970er Jahre und 2005 gegenüber Angestellten, Freiwilligen und Ehrenamtlichen der Emmaus-Organisationen sowie jungen Frauen aus seinem privaten Umfeld sexuell übergriffig geworden sei.
Weitere Betroffene vermutet
Es gebe Grund zu der Annahme, dass es weitere Betroffene gebe, deren Zahl sich schwer schätzen lasse, so die Emmaus-Bewegung. Die Präsidentin der Abbé-Pierre-Stiftung, Marie-Helene Le Nedic, sprach von einem "immensen Schock". Es habe nun Priorität, vollständige Transparenz zu zeigen und den Betroffenen zu helfen. Die Organisationen kündigten weitere Aufklärungsarbeit an. Mögliche weitere Betroffene und Zeugen sollen sich vertraulich an die Emmaus-Bewegung wenden können; ihnen soll auch eine Begleitung angeboten werden.
Die Französische Bischofskonferenz reagierte am Tag des Bekanntwerdens mit einer knappen Mitteilung. Sie wolle den Betroffenen vor Kenntnis des Berichts ihr tiefes Mitgefühl sowie ihre Beschämung darüber versichern, dass solche Vorfälle von einem Priester begangen werden konnten. Weiter hieß es, man bekräftige die Entschlossenheit, die Kirche zu einem sicheren Haus zu machen.
Henri Antoine Groues, so der bürgerliche Name Abbé Pierres, hatte 1949 die Emmaus-Gemeinschaft gegründet, die sich heute mit Hilfe zur Selbsthilfe in knapp 40 Ländern weltweit gegen Armut und Obdachlosigkeit einsetzt. (KNA)
17.7, 20:20 Uhr: Ergänzt um Reaktion der Französischen Bischofskonferenz.