Vor 75 Jahren begann monastisches Leben auf der Wasserburg

Ein Kloster mit Strahlkraft: Die Benediktinerinnen-Abtei in Dinklage

Veröffentlicht am 27.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Roland Müller – Lesedauer: 

Dinklage ‐ Ein Kloster in einer alten Burg und eine Kirche, die früher einmal eine Scheune war – die Abtei Sankt Scholastika in Dinklage ist ein ganz besonderer Ort. Die Benediktinerinnen aus Niedersachsen leben von ihrer Arbeit, doch die hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr geändert.

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Die Burganlage im niedersächsischen Dinklage ist ein beeindruckendes Bauwerk: Geschützt von einem Wassergraben präsentiert sich das Gebäude aus dem späten 16. Jahrhundert als wehrhafter Gutshof mit Fachwerk-Mauern. Doch wer über die kurze Holzbrücke zum Eingang der Burg geht und das Renaissance-Portal mit der markanten blau-schraffierten Tür durchschreitet, merkt schnell, dass Burg Dinklage eine Überraschung bereithält: Die Wasserburg ist nicht etwa der Sitz einer adligen Familie oder ein Museum, sondern ein Kloster. Seit 75 Jahren lebt auf der Burg im Bistum Münster eine Gemeinschaft von Benediktinerinnen, die das urige Gemäuer an ihre Bedürfnisse angepasst hat. So gibt es wohl nur sehr wenige Kirchen in Deutschland, die eigentlich als Scheune gebaut wurden, aber heute als liturgischer Ort genutzt werden.

Wer über den großen Innenhof von Burg Dinklage geht und das Gotteshaus betritt, mag verwundert sein, dass es nur eine kleine Stufe als Trennung zwischen dem Bereich der Nonnen und dem der Besucher gibt – eine Folge der Umnutzung der früheren Scheune. Der Ort und die Räumlichkeiten eines Klosters prägen dessen Bewohner. Für die Benediktinerinnen der Abtei Sankt Scholastika in Dinklage bedeutet das eine besondere Nähe zu den Menschen, die das Kloster aufsuchen. Aber auch eine gewisse Schlichtheit der Liturgie und der Frömmigkeit der Nonnen. Denn die Klosterkirche besitzt aufgrund ihrer Geschichte keinen imposanten Hochaltar oder besondere Kunstschätze. Der Altar, der aus zwölf beim Umbau des Gebäudes gefundenen Findlingen errichtet wurde, die weiterhin sichtbaren Holzbalken der ehemaligen Scheune und die nüchterne Einrichtung prägen das besondere Gotteshaus. Die Bestuhlung entlang der Wände lässt erkennen, dass das in den 1960er-Jahren umgestaltete Gebäude schon vor den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) vom Wunsch nach einer Erneuerung der Liturgie geprägt war.

Abtei Dinklage
Bild: ©katholisch.de/rom

Der Altar in der Kirche der Abtei in Dinklage.

In der Kirche gibt es mehrere Hinweise auf die inzwischen ein Dreivierteljahrhundert währende Geschichte der Benediktinerinnen in Dinklage. Vor dem Altar befindet sich auf dem mit Kies ausgelegten Boden eine Grablege, die das Wappen der Familie von Galen trägt. Dort ruhen Graf Christoph Bernhard von Galen und seine Frau Gräfin Marie-Sophie. Seit dem 17. Jahrhundert befand sich Burg Dinklage im Besitz der Familie von Galen. 1878 wurde dort der spätere selige Kardinal und Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen geboren. Der gläubige Katholik Christoph Bernhard von Galen nahm nach dem Zweiten Weltkrieg eine Gruppe von etwas mehr als 20 Benediktinerinnen zunächst in seinem Wasserschloss Haus Assen und im Juni 1949 auf Burg Dinklage auf.

Eine Kirche mit Teil der Berliner Mauer

Die Nonnen stammten aus dem Kloster Alexanderdorf in Brandenburg. Die mehrheitlich jungen Ordensschwestern wurden als sogenannte "Gründungsgruppe-West" in den von westlichen Alliierten besetzten Teil Deutschlands geschickt, weil der Leitung des Klosters die Situation in der Sowjetischen Besatzungszone zu unsicher war. Zunächst war die Gemeinschaft von Benediktinerinnen ein Priorat und damit immer noch abhängig vom Mutterkloster in Brandenburg. 1977 wurde das Kloster zur Abtei Sankt Scholastika erhoben. Als Erinnerung an die Verbindung nach Ostdeutschland findet sich in der Kirche am Übergang zum Nonnenchor ein Stein, der aus der Berliner Mauer geschlagen wurde. Denn die deutsche Teilung bis hin zur Wiedervereinigung wurde von den Ordensschwestern in Ost und West sozusagen am eigenen Leib erfahren.

In der Scheunenkirche sind an den tragenden Längsbalken des Gebäudes die Apostelleuchter angebracht. Unter den Kerzen befinden sich kleine Steine, die aus monastischen Orten nach Dinklage gebracht wurden, die in einer engen Verbindung zu den Benediktinerinnen auf der Wasserburg stehen. Neben Rom, Jerusalem, Cluny und Taizé findet sich dort auch ein Stein aus der Abtei Sankt Matthias in Trier. Seit den 1950er-Jahren sind die Benediktiner am Grab des heiligen Matthias mit den Nonnen in Dinklage eng verbunden. In der Vergangenheit übernahm der Trierer Abt teilweise die kirchenrechtliche Aufsicht über die niedersächsischen Schwestern. Doch beide Klöster verbindet weitaus mehr: die gemeinsame Suche nach einer zeitgemäßen Antwort auf die Frage, was monastisches Leben im Heute bedeutet.

Bild: ©Abtei Burg Dinklage

Schwester Lydia Schulte-Sutrum und Schwester Scholastika Häring (56) leiten das Institut für Ordensrecht der Abtei Dinklage.

Dieses Anliegen hat die Schwestern in Dinklage auch mit zehn weiteren benediktinischen Frauengemeinschaften aus mehreren Ländern zusammengeführt, die sich 2021 in der Europäischen Benediktinerinnenkongregation von der Auferstehung zusammengeschlossen haben. Ein Jahr später fand das erste Generalkapitel in Schweden statt. Neben den deutschen Klöstern Dinklage, Alexanderdorf und Steinfeld/Bonn gehören auch Abteien aus den Niederlanden, Belgien, Schweden, Litauen, Frankreich und Spanien zur Kongregation.

"Ora et labora"

Das Gebet zum Lob Gottes und die Arbeit zur Sicherung des Unterhalts des Klosters sind die Grundpfeiler benediktinischen Lebens – "ora et labora". Der erste Grundsatz ist mehrmals am Tag in der schlichten Kirche der Abtei in Dinklage zu erleben. Doch seit der Corona-Pandemie wird dort nicht mehr täglich eine Heilige Messe gefeiert. Das war für viele Schwestern ein großer Einschnitt, aber auch an einem Ort mit großer geistlicher Strahlkraft wie dem Kloster Dinklage geht der Priestermangel in der Kirche nicht spurlos vorbei. Der zweite Grundpfeiler, die Arbeit der Nonnen, ist vor allem außerhalb der Klostermauern zu finden. Seit den 1980er-Jahren erwarben die Nonnen umliegende Gebäude und siedelten dort Betriebe an. Berühmt sind die Benediktinerinnen für ihren eigenen Stil bei der Herstellung liturgischer Gewänder, der sich durch leuchtende Farben und grobe Stoffe auszeichnet. Vor drei Jahren gaben die Ordensschwestern jedoch bekannt, ihre Paramentenwerkstatt zu schließen, weil sie in diesem Bereich keine wirtschaftliche Zukunft mehr sehen. Weiterhin beliebt als regionales Ausflugsziel ist jedoch das klostereigene Café mit dazugehörigem Laden. Dort werden auch die Ikonen und Kerzen verkauft, die von den Nonnen hergestellt werden.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Arbeit der Dinklager Benediktinerinnen zudem eher von praktischen Tätigkeiten wegentwickelt, hin zu anderen Schwerpunkten – von der Hand zum Kopf. Das interessanteste Beispiel ist das Institut für Ordensrecht, das seit einem Jahr besteht. An das Institut, das von zwei Nonnen geführt wird, können sich Ordensleute, und besonders -frauen mit allen kirchenrechtlichen Anliegen wenden. Konkret bieten die Benediktinerinnen Hilfe an, wenn Ordensfrauen von kirchlichen Institutionen benachteiligt wurden oder Missbrauch erfahren haben. Zudem wird eine kirchenrechtliche Beratung für alltägliche Fragen innerhalb von Ordensgemeinschaften angeboten. Die Einrichtung des Instituts, dessen Arbeit stark nachgefragt wird, zeigt, dass es sich bei den Benediktinerinnen in Dinklage um selbstbewusste Ordensfrauen handelt, die sich für Veränderungen in der Kirche einsetzen. Auch wenn es dazu unter den derzeit knapp 19 Nonnen durchaus unterschiedliche Meinungen gibt.

Elf Nonnen im Habit (sechs sitzend, drei stehend) demonstrieren vor einem Polizeiwagen.
Bild: ©KNA

Äbtissin Máire Hickey und ihre Mitschwestern des Benediktinerinnenklosters Dinklage demonstrieren im 1997 gegen die Abschiebung einer ukrainischen Familie.

Anders sieht es beim sozialen Engagement aus: 1997 machte das Kloster Dinklage bundesweit Schlagzeilen, weil sich die Schwestern mit einem Sitzstreik gegen die Abschiebung einer ukrainischen Familie einsetzten. Die damalige Äbtissin Máire Hickey erreichte mit ihren Mitschwestern, dass die Familie in Deutschland bleiben konnte. Heute noch setzen sich die Benediktinerinnen für Geflüchtete ein und engagieren sich mit der sogenannten Martinsscheune für Wohnungslose. Dort können Menschen ohne Bleibe für kurze oder längere Zeit unterkommen.

Heute hat die Abtei Sankt Scholastika zwar ungefähr so viele Schwestern wie zu ihren Anfängen. Doch im Kloster bleibt nicht verborgen, dass sich heute weniger junge Frauen für einen Eintritt interessieren als früher. Dabei gibt es viele, die über lange Zeit Verbindung zu den Nonnen halten, etwa im sogenannten Burg-Kreis. Dort treffen sich in regelmäßigen Abständen Freunde und Förderer des Klosters, die mit ihren Spenden auch einen nicht unwesentlichen Teil zum Erhalt der Abtei beitragen. Wie die kommenden 75 Jahre für das Kloster in Dinklage auch sein werden – die große Wertschätzung für die Benediktinerinnen mit ihrer etwas "anderen" Kirche wird in Nordwestdeutschland sicherlich bestehen bleiben.

Von Roland Müller