Chefredakteurswechsel beim Domradio: Programmbeirat fordert Prüfung
Der bevorstehende Chefredakteurswechsel beim Kölner Bistumssender domradio.de hat einem Zeitungsbericht zufolge den Programmbeirat des kircheneigenen Senders auf den Plan gerufen. Dessen Vorsitzender Jürgen Wilhelm äußert in einem "Brandbrief" an die Medienaufsicht des Landes NRW seine Sorge um die journalistische Unabhängigkeit von domradio.de, wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag) berichtet. Es sei zu befürchten, dass die Bistumsleitung eine unkritische Berichterstattung über das Erzbistum, Erzbischof Rainer Maria Woelki und kirchenpolitische Fragen anstrebe, zitiert die Zeitung aus dem Schreiben.
Die Ablösung des langjährigen Chefredakteurs Ingo Brüggenjürgen und geplante Neubesetzung der Stelle zum 1. August seien ohne vorherige Information oder aktive Einbeziehung des Programmbeirates erfolgt, schreibt Wilhelm demnach an den Direktor der nordrhein-westfälische Landesanstalt für Medien (LfM), Tobias Schmid. Die LfM solle als Aufsichtsorgan für den privaten Rundfunk die vom Erzbistum Köln geplante Umstrukturierung von domradio.de "einer kritischen Prüfung" unterziehen.
Hat Brüggenjürgen sich "in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt gesehen"?
Laut der Zeitung legt der Brief zudem erstmals Hintergründe zum Rückzug von Domradio-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen offen, die das Erzbistum im Juni überraschend bekannt gab. "Noch bis vor wenigen Wochen hat der Programmbeirat Herrn Brüggenjürgen als motiviert und tatkräftig erlebt. Von Rücktrittsabsichten oder Vertragsauflösung war nicht die Rede" zitiert das Blatt aus dem Brief. "Dem Vernehmen nach soll Herr Brüggenjürgen sich in den Wochen danach über die Einmischung in redaktionelle Inhalte durch den neuen zweiten Geschäftsführer nachhaltig in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt gesehen haben."
Die LfM teilte mit, die geplante Umstrukturierung medienrechtlich prüfen zu wollen. Eine formale Anzeige des Senders zu etwaigen Veränderungen der Gesellschafterstruktur liege aber "bislang noch nicht vor", teilte die Medienanstalt am Montag auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) mit. Die LfM habe die Verantwortlichen um eine entsprechende Anzeige gebeten. Gleichzeitig bestätigte sie den Eingang eines Schreibens des Programmbeirats des Domradios.
Das Erzbistum Köln selbst vereidigte die geplante Umstrukturierung und den Chefredakteurswechsel. Das "anerkannte journalistische Profil" des Domradios bleibe erhalten und solle ausgebaut werden, erklärte die Pressestelle des Erzbistums auf epd-Anfrage am Montag. Der bisherige Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen habe dafür professionelle Standards gesetzt, denen der Sender auch künftig verpflichtet sei. Eine inhaltliche Neuausrichtung des Bistumssenders sei nicht beabsichtigt, erklärte das Erzbistum.
Zu konkreten Vorwürfen des Programmbeirats äußerte sich das Erzbistum am Montag nicht. Zu dem geplanten Trägerwechsel des Senders hieß es in der Stellungnahme lediglich, mit der Umstrukturierung werde das Domradio "für einen dynamischen Wachstumskurs aufgestellt". Der Programmbeirat hatte laut Zeitung die Befürchtung geäußert, dies werde "die Möglichkeiten der Einflussnahme durch das Erzbistum weiter vergrößern".
Schlegelmilch soll auf Brüggenjürgen folgen
Der Bistumsender versteht sich als multimedialer katholischer Sender, der über christliche, ethische und soziale Themen berichtet. Anfang Juli hatte das Medium mitgeteilt, dass Ingo Brüggenjürgen nach mehr als 20 Jahren als Chefredakteur zum 1. September in den Ruhestand geht. Auf seinen Posten folgt bereits am 1. August der Journalist Renardo Schlegelmilch, der seit 15 Jahren in unterschiedlichen Funktionen für domradio.de tätig ist.
Die LfM ist für die Vergabe der Sendelizenzen an private Hörfunkanbieter zuständig. Schon im März hatte der Programmbeirat von domradio.de vor einem Verlust der Sendelizenz durch geplante Strukturveränderungen gewarnt. So soll den Angaben zufolge der bislang beim Bildungswerk der Erzdiözese Köln e.V. angesiedelte Sender in eine neue gemeinnützige GmbH überführt werden. Das Erzbistum hatte seinerzeit auf Anfrage erklärt, es werde "eine Optimierung der Trägerstruktur und Governance überlegt". Eine inhaltliche Neuausrichtung sei nicht beabsichtigt, domradio.de mit seinen mehr als 60 festen und freien Beschäftigten solle zukunftssicher aufgestellt werden. (mal/cbr/KNA/epd)
22.07.24, 13.30 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme des Erzbistums; 15 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme der LfM; 15:25 Uhr: Ergänzt um weitere Details aus dem Bericht.