Dokumente werfen neues Licht auf Gründer der Legionäre Christi

Zeitung: Vatikan beriet schon in den 1950ern Sanktionen gegen Maciel

Veröffentlicht am 22.07.2024 um 12:09 Uhr – Lesedauer: 

Mailand ‐ Die Legionäre Christi galten einst als erfolgreichste Ordensgründung des 20. Jahrhunderts. Doch ihr Gründer beging jahrzehntelang sexuellen Missbrauch. Neue Dokumente sollen Hinweise darauf geben, dass der Vatikan früh von den Vorwürfen wusste.

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Neu bekannt gewordene Archivdokumente aus dem Pontifikat von Papst Pius XII. (1939 bis 1958) werfen ein neues Licht auf den Skandal um den Gründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel. In der Sonntagsausgabe der Kulturbeilage der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera wurden Dokumente der vatikanischen Ordenskongregation aus dem Jahr 1956 veröffentlicht, in denen ein härteres Vorgehen gegen Maciel erwogen wurde. Er sollte wegen Drogenkonsums, Finanzdelikten und sexuellen Missbrauchs aus dem Klerikerstand entlassen werden. Die Dokumente liefern unter anderem Details darüber, wer im Vatikan geholfen hat, Sanktionen zu vermeiden, damit Maciel an der Spitze der Legionäre bleiben konnte, vor allem nach dem Tod von Pius XII. im Jahr 1958.  

Der mexikanische Priester Maciel (1920-2008) hatte die Legionäre Christi 1941 in Mexiko-Stadt gegründet. Bereits in den 1950er Jahren erreichten Dokumente den Vatikan, die über das Doppelleben des Gründers berichteten. Es dauerte jedoch mehr als ein halbes Jahrhundert, bis Sanktionen gegen ihn verhängt wurden. Erst 1997 wurde er öffentlich beschuldigt, junge Seminaristen missbraucht zu haben. Papst Benedikt XVI. ordnete schließlich 2006 eine Untersuchung an, die Maciels Doppelleben und die sexuellen Vergehen aufdeckte. Der Vatikan verpflichtete ihn zu einem zurückgezogenen Leben in Gebet und Buße. Nach Einschätzung des Corriere ist der Entwurf des veröffentlichten Dokuments deshalb bedeutsam, weil er zeigt, dass zumindest einige im Vatikan die Berichte, die Rom erreicht hatten, ernst nahmen und Maßnahmen gegen ihn ergreifen wollten.  

Protektoren im Vatikan

Die damalige vatikanische Religiosenkongregation forderte in dem von Giovanni Battista Scapinelli unterzeichneten Dokument ein Kontaktverbot zu jungen Seminaristen, andernfalls drohe ihm die Suspendierung. Ein weiterer Entwurf des Dokuments, der 2012 von den mexikanischen Opfern veröffentlicht wurde, zeigt jedoch, dass Scapinelli seine ursprüngliche Anweisung – das Kontaktverbot zu Seminaristen – durchgestrichen und ihn lediglich angewiesen hatte, sich wegen seiner Drogensucht in ärztliche Behandlung zu begeben. Eine weitere maschinengeschriebene Version des Dokuments, die in dem Bericht erwähnt wird, soll zeigen, dass darin der Hinweis auf das Kontaktverbot fehlt. Es sei lediglich die Rede davon, dass Maciel medizinische Hilfe in Anspruch nehme, ohne weitere Androhung einer Suspendierung. Alle anderen Versionen des Dokuments würden jedoch deutlich machen, dass Maciel Protektoren im Vatikan gehabt habe. In einem Dokument heiße es sogar, dass die vatikanische Religiosenkongregation "aufgrund der Empfehlungen und Interventionen hochrangiger Persönlichkeiten nicht weiter gegen Maciel vorgehen" könne. 

Die Legionäre zählen nach eigenen Angaben derzeit rund 1.500 Mitglieder in 21 Ländern. Anfang der 2000er-Jahre wurden schwere Fälle sexuellen und psychologisch-geistlichen Missbrauchs durch den Gründer Maciel öffentlich bekannt. Dies hatte eine schwere Krise des Ordens und einen mehrjährigen Erneuerungsprozess zur Folge. Angesichts von Mängeln in den inneren Leitungsstrukturen verfügte Papst Benedikt XVI. 2010 eine umfassende Untersuchung der Gemeinschaft und durchgreifende Reformen. Die Gemeinschaft legte seitdem Jahresberichte zu Missbrauch vor. (mtr)