Standpunkt

Ignatius von Loyola – Patron der Synodalen?

Veröffentlicht am 31.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Stefan Kiechle SJ – Lesedauer: 

Bonn ‐ Am Gedenktag des heiligen Ignatius blickt Pater Stefan Kiechle auf einen besonderen Teil der Gründungsgeschichte seines Ordens. Er entdeckt darin ein Vorbild für eine synodalere Kirche, wie sie sich Papst Franziskus wünscht.

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Im Frühjahr 1539 war Ignatius – heute ist sein liturgischer Gedenktag – mit neun Gefährten in Rom angekommen. Alle hatten studiert und waren einen intensiven geistlichen Weg gegangen, geprägt durch die von Ignatius entdeckten und angeleiteten Exerzitien. Die Zehn stellten sich in Rom dem Papst zur Verfügung, für seelsorgliche Dienste in aller Welt. Dieser nahm das Angebot gerne an – bald würden die Gefährten in alle Winde zerstreut werden. Nun stellte sich ihnen die Frage, ob sie den Kontakt zueinander verlieren würden – oder ob sie sich vorher ein festes Band der Gemeinschaft geben, also so etwas wie einen Orden gründen sollten.

Mit dieser wichtigen Frage traten sie in einen Prozess gemeinschaftlicher Unterscheidung ein. Tagsüber waren die Gefährten in Rom unterwegs, sie halfen Armen, predigten, trösteten Kranke. Abends trafen sie sich und tauschten sich aus über ihre Gedanken und Gefühle bezüglich dieser Frage. Sie hörten einander respektvoll zu, mit allem Pro und Contra, in der Verschiedenheit der Personen und Präferenzen, sie hielten Stille und beteten miteinander. Auf diese Weise "unterschieden sie die Geister", und nach einigen Monaten kamen sie einmütig zu der Entscheidung: Ja, sie wollten in Verbindung bleiben, einen von ihnen zum Oberen wählen, diesem Gehorsam geloben und so ein Band der Einheit stiften. Ihre Gemeinschaft würden sie vom Papst bestätigen lassen – was ein Jahr später geschah – und für sie Satzungen erarbeiten. Der Jesuitenorden war gegründet.

Diese historische "Beratung der ersten Väter" ist gut dokumentiert. Sie dient heute als Modell für verschiedene Prozesse der "Unterscheidung in Gemeinschaft", in ignatianischen geistlichen Gemeinschaften und anderswo. Der Jesuit Franziskus, Papst in Rom, hat sie als Erfahrung vor Augen, wenn er weltweit eine synodalere Kirche wünscht: auf Augenhöhe miteinander einen geistlichen Weg gehen, zuhören und sich austauschen, schweigen und beten, gemeinsam entdecken, wohin der Geist die Kirche führt…

Wäre Ignatius von Loyola nicht ein guter Patron für synodale Gremien und für deren Mitglieder?

Von Stefan Kiechle SJ

Der Autor

Pater Stefan Kiechle SJ ist seit 2018 Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". Zuvor leitete er sieben Jahre die Deutsche Provinz des Jesuitenordens.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.