Provinzial der Dominikaner: Unterschiede im Orden sind ein Reichtum
Mangel an Berufungen und immer weniger Katholiken – auch vor den Orden macht die kirchliche Krise nicht Halt. Die Dominikaner in Deutschland haben sich daher zu einem drastischen Schritt entschieden: Ende Januar wurden ihre beiden deutschsprachigen Ordensprovinzen, die norddeutsche Teutonia, zu der auch das Vikariat Ungarn gehört, und die Süddeutsch-österreichische Provinz vom heiligen Albert, fusioniert. Im Anschluss daran fand das erste gemeinsame Provinzkapitel der Predigerbrüder statt, in dem sie Richtungsentscheidungen für die Zukunft des Ordens getroffen haben. Ein halbes Jahr nach Ende des Kapitels steht Provinzial Pater Peter Kreutzwald im Interview mit katholisch.de Rede und Antwort zum Stand der Vereinigung der deutschsprachigen Dominikaner.
Frage: Im Rahmen der Fusion seiner deutschsprachigen Provinzen hat der Dominikanerorden im April sein Kloster in Worms aufgegeben. Die Predigerbrüder waren dort knapp 800 Jahre präsent. Was macht das mit Ihnen als Provinzial, wenn Ihr Orden einen seiner ältesten Standorte in Deutschland aufgibt?
Kreutzwald: Dominikanerklöster gibt es tatsächlich seit über 800 Jahren im deutschsprachigen Raum; im Laufe der Geschichte haben Brüder immer wieder ihre Standorte gewechselt, manche Konvente wurden geschlossen, manche neu gegründet, je nachdem, was nötig und möglich war. Dominikaner sind gemäß ihrer Ordensregel mobil, wir kennen keine stabilitas loci im Unterschied etwa zu den Benediktinern. Dennoch ist uns Predigerbrüdern der Abschied aus Worms nicht leicht gefallen. Vielleicht weniger wegen der langjährigen Geschichte des Standorts, sondern wegen der persönlichen Verbindungen dorthin, Worms war lange Zeit unser Ausbildungskloster. Ich selbst bin dort im Noviziat gewesen, so wie zahlreiche andere Mitbrüder auch, die in den vergangenen 30 Jahren in den Orden eingetreten sind. Und bereits zwei Jahrzehnte vor der Fusion haben die beiden deutschsprachigen Provinzen unseres Ordens dort die Noviziatsausbildung gemeinsam angeboten. Das war damals der erste Schritt zur Zusammenarbeit. Weil viele deutsche und österreichische Dominikaner dort ihre Entscheidung für den Orden getroffen haben, besteht bei den meisten eine persönliche Verbindung zu Worms.
Frage: Was für Gefühle haben Sie, wenn Sie daran denken, dass der Orden das Kloster im Worms aufgeben musste?
Kreutzwald: Ich spüre Traurigkeit. Nicht nur wegen der Zeit meines Noviziats in Worms. Als Provinzial habe ich dort auch zahlreiche Professen von Mitbrüdern entgegengenommen. Das Kloster in Worms galt bei vielen in der Provinz als das schönste. Aber die Stadt war für Mitbrüder offenbar nicht die erste Wahl. Das habe ich gemerkt, als ich nach Brüdern gesucht habe, die bereit waren, nach Worms zu gehen. Wir sind ein städtisch orientierter Orden, Metropolen wie Hamburg, München oder Berlin sind für viele Brüder anziehender. Worms ist der erste Konvent, der nach der Fusion geschlossen wurde. Zudem haben wir auch entschieden, den Standort Augsburg innerhalb der nächsten vier Jahre zu schließen und eine der beiden Niederlassungen in Freiburg aufzugeben. Das hängt damit zusammen, dass wir realistisch auf unsere Möglichkeiten schauen und uns nicht überfordern wollen.
Frage: Haben Sie schon Nachnutzungen für die Gebäude im Blick?
Kreutzwald: Das ist unterschiedlich: Worms ist ein Kloster, in dem wir zur Miete gewohnt haben. Das Haus gehört der Pfarrei, da muss die Kirchengemeinde entscheiden, wie es mit der Nachnutzung aussieht. In Freiburg gehört das Haus, das geschlossen werden soll, dem Dominikanerkonvent. Dort muss nun innerhalb des Konvents entschieden werden, ob es vermietet oder verkauft werden soll. In Augsburg ist es wieder anders, denn das Haus gehört der Provinz, die daher darüber entscheiden muss. Konkrete Pläne für eine Weiternutzung sind mir noch nicht bekannt. Solche Prozesse brauchen Zeit, das wissen wir aus Köln, wo wir vor zwei Jahren einen von zwei Standorten unseres Ordens aufgegeben haben. Dort sind wir im Gespräch mit der Krankenhausstiftung der Cellitinnen, die derzeit zwei Stockwerke im betreffenden Haus gemietet hat. Auf der einen Etage wohnt eine indische Schwesternkommunität und auf der anderen Auszubildende aus den Einrichtungen der Cellitinnen. Auf diese Weise wollen sie ihre Auszubildenden bei der schwierigen Suche nach einer Wohnung entlasten. Bei der geschlossenen Klosterkirche nebenan stehen wir gerade im Gespräch mit einem Theater. Wir merken aus unseren Gesprächen, dass vieles möglich ist.
Frage: Wenn man auf die Fusion der Provinzen schaut: War es mehr administrative oder emotionale Arbeit?
Kreutzwald: Es war beides – und ist es weiterhin. Die beiden früheren Provinzen der Dominikaner in Deutschland und Österreich arbeiteten bereits seit Jahren zusammen in der Ausbildung, sowohl im gemeinsamen Noviziat als auch im gemeinsamen Studentat in Wien. Das ist im Prozess des Zusammenwachsens hilfreich, denn durch die gemeinsame Ausbildung kennen sich die jungen Brüder sehr gut. Und auch die heutigen Senioren wurden bereits in ihrem Noviziat und anschließenden Studium gemeinsam ausgebildet. Das fand seinerzeit in Walberberg zwischen Köln und Bonn an unserer damaligen Ordenshochschule statt. Auch diese Generation kennt sich also recht gut. Unsere Brüder, die derzeit zwischen 50 und 60 Jahre alt sind, müssen sich jedoch noch besser kennenlernen.
Frage: Wie wollen Sie das erreichen?
Kreutzwald: Im Kapitel wurden Beschlüsse gefasst, die das weitere Zusammenwachsen fördern sollen. Zum Beispiel haben wir alle Konvente gebeten, in den kommenden Jahren mindestens einen Ausflug zu einer dominikanischen Gemeinschaft zu machen, die sie nicht aus ihrer früheren Provinz kennen. Außerdem werden sich zukünftig im gemeinsamen Magazin unserer internen Kommunikation regelmäßig Brüder beider ehemaliger Provinzen vorstellen. Weiter wird ein gemeinsamer Studientag stattfinden, der für alle Brüder unter 70 Jahren verpflichtend ist. Dort soll es inhaltlich um die Vielfalt dominikanischer Identität und Spiritualität gehen. Ein konkretes Beispiel dafür: Für unsere Gebetszeiten wird in Freiburg und Wien das benediktinische Antiphonale genutzt, während in den Gemeinschaften der ehemaligen Provinz Teutonia das normale Stundenbuch in Gebrauch ist. Zudem gibt es dort eigene liturgische Hefte für die geprägten Zeiten, die in den 60er- und 70er-Jahren in Walberberg zusammengestellt wurden – mit eigenen Psalmenübersetzungen und Melodien. Diese Hefte werden bis heute genutzt, sind aber in der früheren süddeutsch-österreichischen Provinz unbekannt. Ich sehe die liturgischen und theologischen Unterschiede in unserer neugegründeten Provinz als Reichtum.
Frage: Es gibt also unterschiedliche Kulturen in den beiden ehemaligen Provinzen?
Kreutzwald: Genau, auch deshalb bin ich überzeugt, dass das gegenseitige Kennenlernen gefördert werden muss, nicht nur kurzfristig bis zum nächsten Kapitel, sondern mit Weitsicht. Nachdem ich 2017 erstmals zum Provinzial gewählt wurde, habe ich für die neue Aufgabe unter anderem zwei Praktika gemacht. Eines beim Provinzial einer Ordensgemeinschaft, die damals schon die Fusion zweier Provinzen hinter sich hatte. Er berichtete mir, dass der Einsatz von Brüdern über ehemalige Provinzgrenzen hinweg zunächst kein Problem war. Aber nach einigen Jahren wollten viele dieser Brüder wieder in Konvente ihrer früheren Provinzen zurück. Damit musste die Provinz umgehen. Deswegen bin ich überzeugt, dass auch wir darauf achten müssen, wie unsere Gemeinschaften in Vielfalt und Weite unseres Ordenslebens zusammenwachsen. Nichtsdestotrotz habe ich den Eindruck, dass wir Dominikaner auf einem guten Weg sind.
Frage: Was erhoffen Sie sich rund ein halbes Jahr nach der Fusion der beiden Ordensprovinzen?
Kreutzwald: Ich wünsche mir mehr Freiheit, damit ich als Provinzial unsere Brüder gemäß ihren Charismen einsetzen kann. Vor der Fusion war die Personaldecke in beiden Provinzen so dünn, dass Brüder oft zusätzliche Aufgaben übernehmen mussten. Gleichzeitig fiel es Ihnen schwer, andere Aufgaben abzugeben. Das finde ich gefährlich, denn die Freude an der Arbeit kann auf diese Weise schnell verloren gehen.
Frage: Nach der Fusion gab es das erste gemeinsame Kapitel. Wie liefen die Beratungen dort?
Kreutzwald: Das Provinzkapitel wurde von mehreren thematischen Kommissionen vorbereitet, die entsprechende Arbeitspapiere für die Kapitelsteilnehmenden vorlegten. Das Kapitel selbst bestand aus zwei Teilen: Der erste war das Plenum, das eine Woche gedauert hat. Die Beratungen im Plenum verliefen in einer konstruktiven und nach vorne gewandten Atmosphäre. Am Ende des Plenums wurden Grundsatzbeschlüsse gefasst. Im Anschluss an das Plenum tagten dann vier vom Plenum gewählte Brüder gemeinsam mit dem Provinzial drei Wochen lang im sogenannten Diffinitorium; erst damit ging das Kapitel zu Ende. Aufgabe des Diffinitoriums war es, die Grundsatzbeschlüsse des Plenums zeitlich und organisatorisch zu konkretisieren.
Frage: Beim Kapitel mussten Sie sehr viele Dinge berücksichtigen und in ihre Entscheidungen einbeziehen. Wie haben Sie das gemacht?
Kreutzwald: Als Provinzial darf ich nur innerhalb des Rahmens, den das Kapitel für die kommenden vier Jahre festgelegt hat, Entscheidungen treffen. Ich kann z.B. nicht bestimmen, dass wir diesen oder jenen Konvent schließen – das kann nur ein Kapitel entscheiden. Meine Aufgabe ist es, die Beschlüsse im Detail umzusetzen. Das muss ich nicht alles selbst erledigen, dafür gibt es entsprechende Gremien in unserer Provinz. Aber ich muss das große Ganze im Blick behalten.
Frage: Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür?
Kreutzwald: Das Kapitel hat beschlossen, die Vertretung unseres Ordens bei den Vereinten Nationen in Wien zu stärken und die Kontakte dort zu intensivieren. Meine Aufgabe ist es, nun zu schauen, dass das Schritt für Schritt tatsächlich geschieht. Außerdem arbeiten wir als Orden mit vielen anderen kirchlichen Akteuren zusammen, besonders mit den Bistümern. Die meisten sind an unserer Arbeit interessiert und fördern uns, bei anderen ist es genau umgekehrt und sie legen uns Steine in den Weg. Meine Aufgabe ist es, hier zu schauen, dass es nicht zu Problemen kommt – und falls doch, muss ich manchmal die Feuerwehr spielen.
Frage: Wie blicken die Dominikaner in Deutschland in die Zukunft?
Kreutzwald: Die Fusion ist kein Schlusspunkt, sondern ein Meilenstein in einer langen Entwicklung, die sicher weitergehen wird. Das habe ich vor einigen Monaten gemerkt: Einmal im Jahr treffen sich die europäischen Provinziale der Dominikaner zum Austausch. In unseren aktuellen Gesprächen wurde deutlich, dass viele enger zusammenarbeiten oder auch fusionieren. Und ich denke, dass wir international weiter zusammenrücken werden. In der neugegründeten "Provinz des Hl. Albert in Deutschland und Österreich" sind wir jetzt samt des Vikariats in Ungarn, das zu uns gehört, rund 140 Brüder; damit sind wir keine große Provinz. Dennoch blicke ich zuversichtlich in die Zukunft, denn wir Dominikaner sind einer der wenigen Männerorden in Deutschland, der kontinuierlich Nachwuchs hat. Auch wenn es weiterhin so sein wird, dass mehr Brüder sterben als Novizen zu uns kommen.