Standpunkt

Deutschland sollte die Ursachen für die Wutbürger-Romantik kennen

Veröffentlicht am 19.08.2024 um 00:01 Uhr – Von Thomas Arnold – Lesedauer: 

Dresden ‐ Im Vorfeld der Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern warnt Thomas Arnold vor neuen populistischen Auswüchsen in der politischen Landschaft. Dabei verweist er auf Folgen der Vergangenheit und Aufgaben für die Gegenwart.

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Während Die Linke seit dem gestrigen Rücktritt ihrer Parteivorsitzenden vor einem Scherbenhaufen stehen, ist der Hydra der alles gleichmachenden sozialistischen Utopie in den vergangenen Monaten ein neuer Kopf gewachsen, der sowohl in den Umfragen mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen als auch den Ergebnissen der letzten Europa- und Kommunalwahlen gleich mehrere Erfolge zeitigte. Angesichts des Rechtsextremismus der AfD scheint das "Bündnis Sarah Wagenknecht" für einige das kleinere Übel.

Umso wohltuender das Interview von Andreas Oehler und Georg Löwisch mit dem Liedermacher und Dissidenten Wolf Biermann in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit". Er warnt: "Die blaue AfD und die falschen Roten von Wagenknecht stehen beide aufseiten von Putin in diesem blutigen Ukrainekrieg. Echte Braune und falsche Rote verachten die Regenbogenfarben der Demokratie." Der kauzige, manchmal sture Alte mit seiner Diktaturerfahrung dürfte ebenso wissen, welchen Wert die Freiheit hat, die eine Demokratie bietet als auch, wie herausfordernd sie für den Einzelnen ist.

Deswegen sind gerade seine Hinweise, warum in Sachsen, Brandenburg und Thüringen die Verlockung groß ist, eine Personenkult-Partei mit anachronistischem Kopf (Biermann) zu wählen, wertvoll. Wenn es nach dem Liedermacher geht, sollte die Republik größere Kraft darauf verwenden, zu schauen, welche Schäden eine Diktatur in den Seelen angerichtet hat. "Den Bequemlichkeiten der Diktatur jammern sie nach, und die Mühen der Demokratie sind ihnen fremd. Und ihre Scham zerfrisst ihr Selbstwertgefühl. Ihr altes Leben verklären sie." Daneben bedeutet eben Freiheit auch, die Hoffnung auf einen Staat als strenge Fürsorgeanstalt abzulegen, um selbst das eigene Glück zu gestalten. Verantwortung endet nicht beim schlichten Bewerten politischer Ideen, sondern im erfolgreichen Umsetzen eigener.

Es wäre zu einfach, dem Osten der Republik zu unterstellen, alle wären zu feige und würden ohne eigenes Risiko die Demokratie zu Fall bringen. Viele engagieren sich und zahlreiche setzen sich in der Mitte der Gesellschaft ein, um dem Land ein menschliches Antlitz zu verleihen. Aber die ganze Republik sollte die Ursachen für die Wutbürger-Romantik kennen. Nicht, um sich regelmäßig kopfschüttelnd abzuwenden. Sondern um Wege zu suchen, die unterschiedlichen Erfahrungen miteinander zu versöhnen. Denn sonst wachsen der Hydra immer neue Köpfe. Nach rechts und nach links.

Von Thomas Arnold

Der Autor

Dr. Thomas Arnold baut im Leitungsstab des Sächsischen Staatsministeriums des Innern den Bereich strategische Planung, Organisationsentwicklung und Controlling auf. Zuvor leitete er von 2016 bis 2024 die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.