Regierung hatte vollständige Trennung gefordert

Estnisch-orthodoxe Kirche erklärt sich für unabhängig von Moskau

Veröffentlicht am 21.08.2024 um 11:21 Uhr – Lesedauer: 

Tallinn ‐ Das Entsetzen in Estland über den Kriegskurs der russisch-orthodoxen Kirche hat nun Konsequenzen: Die estnisch-orthodoxe Kirche hat sich offiziell vom Moskauer Patriarchat losgesagt. Nun steht eine Vereinigung mit einer anderen Kirche im Raum.

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Die bisher zum Moskauer Patriarchat gehörende estnisch-orthodoxe Kirche hat sich offiziell von der russischen Mutterkirche losgesagt. Eine Kirchenversammlung beschloss am Dienstag in der Hauptstadt Tallinn neue eigene Statuten, die die Unabhängigkeit im administrativen, ökonomischen und Bildungsbereich festschreiben, wie es auf der Website heißt. Auch der Name der Kirche wurde geändert und lautet nun "Estnische Orthodoxe Kirche" – der Zusatz "des Moskauer Patriarchats" wurde gestrichen.

Zuvor hatte die estnische Regierung mit Nachdruck die vollständige Trennung der estnisch-orthodoxen Kirche von Moskau gefordert, weil das dortige kremltreue Patriarchat offen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt. Das Oberhaupt der estnischen Kirche, der russische Staatsbürger Metropolit Eugeni (Reschetnikow), musste im Februar Estland verlassen, weil die Behörden eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung verweigerten. Er leitete daher die Versammlung laut Medienberichten per Videoschaltung. Bei der Sitzung wurden Kirchenangaben zufolge auch weitere Verhandlungen mit dem Staat gebilligt.

Vereinigung?

Bei den Gesprächen mit der Regierung geht es um eine Vereinigung der estnisch-orthodoxen Kirche mit der Estnischen Apostolisch-Orthodoxen Kirche, die zum Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel gehört. Dazu äußerte sich die Kirche in ihrer Mitteilung nur indirekt, die Versammlung sei zuversichtlich gewesen, "dass es den Orthodoxen in Estland gelingen wird, Wege und Mittel zu finden, um das Schisma auf der Grundlage des Kirchenrechts, des gegenseitigen Respekts und der Gleichberechtigung zu heilen". Zudem betonte sie: "Am 33. Jahrestag der Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Republik Estland beten wir für den Wohlstand Estlands als souveräner Staat und für die Bewahrung ihrer Kultur, Traditionen und Freiheit."

Als Hauptfigur der estnisch-orthodoxen Kirche wirkte in der estnischen Öffentlichkeit zuletzt der erst Anfang Februar zum Bischof geweihte Daniel (Lepisk), ein ethnischer Este, der Bischof von Tartu und Vikarbischof von Tallinn ist. Daniel traf sich auf Drängen der Regierung am 30. Juli mit einem Vertreter des Innenministeriums. Dabei verständigten sich beide Seiten auf weitere Schritte, um den Einfluss des Moskauer Patriarchats auf die estnisch-orthodoxe Kirche zu verringern und zu beseitigen, wie es in einer Erklärung des Innenministeriums hieß. Bischof Daniel sagte damals im estnischen Fernsehen, die Konsultationen beider orthodoxen Kirchen des Landes könnten im Herbst beginnen. Das Oberhaupt der Estnischen Apostolisch-Orthodoxen Kirche, Metropolit Stefanus, hatte erklärt, seine Kirche sei offen dafür, eine gute Lösung zu suchen, die alle Seiten zufriedenstelle.

In Estland gehört die Mehrheit der Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft an. Bei der Volkszählung 2021 bekannten sich 16 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zum orthodoxen Christentum - nach Mitgliedschaft von beiden orthodoxen Kirchen wurde dabei nicht unterschieden. Die lutherische Kirche folgte mit acht Prozent auf Platz zwei. (KNA)