Kritiker befürchten "Wallfahrtsort" für Rechtsextreme

Garnisonkirchenturm eröffnet – Steinmeier: Ort fordert heraus

Veröffentlicht am 22.08.2024 um 12:36 Uhr – Lesedauer: 

Potsdam ‐ Der Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam bleibt wegen ihres historischen Ballasts umstritten. Der Bundespräsident betont zur Eröffnung aber: Den Turm nicht wiederzuerrichten, würde das kritische Erinnern an die NS-Zeit nicht leichter machen.

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Nach langer Bauzeit und viel Kritik ist der Turm der Potsdamer Garnisonkirche am Donnerstag eröffnet worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte beim Festakt: "Der Weg bis zum Wiederaufbau war lang – er war kompliziert und bleibt umstritten. Es ist kein Wunder, dass wir uns damit schwergetan haben und es noch tun. Denn dieser Ort fordert uns heraus. Er konfrontiert uns mit seiner, mit unserer Geschichte." Zugleich betonte er: "Die neue Garnisonkirche ist kein Ort der Verehrung von Militarismus, Nationalismus und Obrigkeitsstaat."

Kritiker sehen in der historischen Garnisonkirche ein Symbol des Militarismus und befürchten mit Blick auf die Rekonstruktion des Turms eine Art Wallfahrtsort für Rechtsextreme. Die ehemalige Preußische Militärkirche von 1735 ist vor allem mit dem "Tag von Potsdam" im März 1933 verbunden, als Reichspräsident Paul von Hindenburg dort dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler die Hand reichte.

"Gerade hier werden wir schnell auf schmerzhafte, unheilvolle Teile unserer Vergangenheit gestoßen – ja, auf Wegmarken, an denen wir Deutsche den falschen Weg gewählt haben", so Steinmeier. Der Ort "wurde zum Symbol einer Allianz von konservativer Tradition und Nationalsozialismus; einer Allianz, die nicht zuletzt das Ende der ersten deutschen Demokratie besiegelte." Der wiederaufgebaute Turm rufe nun dazu auf, zu erinnern, zu differenzieren, aber keinesfalls zu vergessen. Der Bundespräsident würdigte die Debatte um den Wiederaufbau als "Ausweis eines kritischen Geschichtsbewusstseins", machte aber auch deutlich: "Ein Ort, der nicht mehr da ist, würde das kritische Erinnern nicht leichter machen."

Geistliche verteidigen Projekt

Der evangelische Landesbischof Christian Stäblein hatte zuvor in der Boulevardzeitung "B.Z." (Donnerstag) das Projekt verteidigt: "Dieser Turm der Garnisonkirche soll heute nichts anderes als ein Zentrum für Frieden und ein Lernort für Demokratie sein." Er sei ein Zeichen der Wachsamkeit: "Gestrige und Ewiggestrige werden nie mehr ihren Ort in dieser Kirche haben". Auch Garnisonkirchen-Pfarrer Jan Kingreen wies im rbb-Inforadio Kritik am Wiederaufbau zurück: "Es gibt in der Kirche selbst, an diesem Ort, keinerlei Anknüpfungspunkte für Rechte oder Rechtsradikale." In der Kirche werde schonungslos die deutsche Geschichte aufgearbeitet, "das gefällt eigentlich keinem, der sich als rechtsradikal definiert.

Zeitgleich mit dem Turm wird die Ausstellung "Glaube, Macht und Militär" eröffnet, die sich kritisch mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzt. Ab Freitag ist der Turm für die Öffentlichkeit geöffnet. In 57 Metern Höhe befindet sich eine Aussichtsplattform als neue Touristenattraktion. Die Kosten für den Wiederaufbau beliefen sich laut der Stiftung Garnisonkirche auf rund 42 Millionen Euro.

Die Garnisonkirche wurde 1945 von Bomben zerstört, die Ruine 1968 auf Veranlassung der DDR-Behörden gesprengt. 2017 begann der Wiederaufbau des Turms nach barockem Vorbild. (mal/KNA)