Theologin zu Weiheamt: Weltweit spüren Frauen den Ruf Gottes
Wenn Frauen eine Berufung in sich spüren würden, dann müsse dies ein Irrtum sein. Mit dieser Aussage sprach Kardinal Gerhard Ludwig Müller vielleicht sehr direkt auch die Frauen an, die sich vor knapp vier Jahren im Buch von Philippa Rath mit dem Titel "Weil Gott es so will" zu ihrer Berufung zum Weiheamt geäußert haben. Zu diesen Frauen gehöre auch ich. Die meisten Autorinnen haben sich in diesem Buch zum ersten Mal öffentlich zu dem geäußert, was die meisten von uns bereits seit Jahrzehnten bewegt: dieser besondere Ruf Gottes, dieses Drängen, diese Liebe, die uns auf ganz unterschiedliche Weise, immer individuell und persönlich, dahin zog und zieht, als Priesterinnen, als Pfarrerinnen, als Diakoninnen in dieser Kirche zu arbeiten.
Selbstverständlich ist das, was Kardinal Müller schreibt, nicht neu. Er wiederholt, was bereits Papst Johannes Paul II. glaubte, klarstellen zu müssen: Die Kirche könne und dürfe Frauen niemals zu Priesterinnen weihen. Müller wiederholte das, was wir Frauen uns bereits sehr oft haben sagen lassen: Dieser Ruf in uns, diese Sehnsucht, die uns antreibt, könne nicht von Gott sein. Manche von uns wurden ausgelacht, andere bemitleidet, viele wurden nicht ernst genommen. Manche von uns belastete ein schlechtes Gewissen, weil diese Gefühle in uns eigentlich nicht sein sollten. Denn ja, viele von uns haben es selbst sehr lange geglaubt: Diese Stimme in uns müsse falsch sein, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und noch mehr: Nicht nur diese Stimme, sondern wir selbst könnten dann ja nicht ganz richtig sein. Und doch ist diese Stimme, dieses Drängen da, kann nicht überhört werden. Denn es ist keine einzelne Erkenntnis einer Frau.
Im Buch sind wir 150 Frauen*, die wir zu unserer Geschichte stehen, in Kürzestform darüber berichten, wie uns im Laufe unseres Lebens immer deutlicher wurde, dass Gott uns meint und ruft, obwohl wir innerhalb unserer Kirche immer wieder auf Mauern, an Grenzen und an Widerstände stoßen. Schon längst haben wir inzwischen endlich festgestellt: Wir sind nicht nur 150 Frauen; allein im deutschsprachigen Raum wissen wir von viel, viel mehr Frauen, die sich nach dem Erscheinen des Buches mit uns in Verbindung gesetzt haben, uns erzählt haben, dass auch ihre Geschichte in diesem Buch stehen könnte und wie sehr sie sich in vielen dieser erzählten Geschichten wiedergefunden haben. Spätestens bei der Tagung "Gottes starke Töchter", die im vergangenen September in der katholischen Akademie Dresden-Meißen stattgefunden hat, wurde deutlich, dass es weltweit viele Frauen gibt, die diesen konkreten Ruf Gottes zum sakramentalen Amt in sich spüren.
Wir sind verschieden – alt und jung, stammen aus allen Ecken der Erde, sind ganz unterschiedlich geprägt und unsere Lebensgeschichten sind sehr unterschiedlich verlaufen: Viele von uns – besonders hier im deutschsprachigen Raum – arbeiten heute in einem anderen pastoralen Beruf. Anderen war der Schmerz zu arg, immer wieder damit konfrontiert zu werden, doch nicht das leben zu dürfen, wozu sie berufen sind, und so haben sie sich zurückgezogen, einen anderen Beruf ergriffen. Manche haben deshalb sogar die katholische Kirche verlassen. Dennoch verbindet uns diese Erfahrung, von Gott gemeint zu sein – gerufen als Frauen in dieser Kirche – nicht auf die Plätze, an denen uns so manche Männer dieser Kirche gerne haben wollen, sondern hinein in den Dienst, von dem Männer beschlossen haben, dass er nur ihnen vorbehalten ist.
Wenn ich mich heute hier für so viele stellvertretend zu Wort melde, stehe ich also für eine große Gruppe von Frauen, denen Kardinal Müller einen Irrtum unterstellt. Nun begründet dieser seine Aussage mit dem Argument, Gott könne sich nicht widersprechen. Gott könne seine Sakramente nicht so einsetzen und es anders meinen. Ja, Kardinal Müller hat Recht: Gott kann sich selbst nicht widersprechen! Wie also sollte er so vielen Menschen einen Irrtum ins Herz legen und uns Frauen in unserer Sehnsucht betrügen? Gott gibt ganz offensichtlich alles, um seiner Kirche endlich zu zeigen, dass es ihm nicht reicht, wenn nur die eine Hälfte der Menschheit im Weiheamt repräsentiert wird, um zu zeigen, dass seine Menschwerdung allen Menschen gilt, Mann wie Frau. Ja, Gott scheint vieles daran zu liegen, endlich allen Menschen deutlich vor Augen zu führen, dass sein Sohn zwar männlichen Geschlechts war, jedoch zum Beispiel damals bereits Frauen diejenigen waren, die salbten: Nicht Jesus salbte, sondern eine Frau salbte ihn. So künden es uns alle Evangelien.
Gottes Botschaft war hier von Anfang an also sehr eindeutig und Jesus hat es durch sein Verhalten und sein Wort gezeigt: "Auf der ganzen Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis." So steht es bei Markus 14,9. Dieser Satz Jesu erinnert an die Formulierung des Auftrags, den er seinen Jüngern in Lukas 22,19 beim letzten Abendmahl gegeben hat: "Tut dies zu meinem Gedächtnis." Eine Frau hat gesalbt und Frauen (wie selbstverständlich auch Männer) sollten salben – um an ihn, Jesus Christus, den (von einer Frau) Gesalbten zu erinnern. Nein, Gott hat sich nicht geirrt und Gott irrt nicht. Wir dürfen und sollen uns gemäß den Worten Jesu, wann immer wir das Evangelium hören, daran erinnern, dass es eine Frau war, die ihn gesalbt hat. Dies ist ein deutliches Zeichen, das die Evangelisten übereinstimmend verkünden. Damit ist es an der Zeit, endlich auf die Stimmen der Theolog*innen zu hören, die schon längst aufgezeigt haben, wie wenig vertretbar es ist, Frauen von Ämtern und Aufgaben innerhalb der Kirche auszuschließen.
Der Fuldaer Bischof Michael Gerber sagte bei der Ministrantenwallfahrt in Rom, dass die Frauenweihe ein "hochemotionales Thema" sei, und benannte die Gefahr, dass durch sie die Einheit der Kirche auseinanderbrechen könne. Stattdessen wird in Kauf genommen, dass Frauen an der Weigerung, sie zu weihen oder ihre Berufung auch nur ernsthaft zu prüfen, persönlich zerbrechen. Dabei hilft es nicht, vom römischen Glaubensdikasterium als Frauen eine eigene Rolle in der Kirche zugeschrieben zu bekommen mit eventuell einem "Mehr an Beteiligung", als dies bislang der Fall ist. Durch die Ankündigung eines solchen Dokumentes sollen diejenigen, die sich ernsthafte Hoffnungen auf eine Veränderung durch die Weltsynode gemacht haben, vertröstet werden.
Evangeliumsgemäß müssten Frauen salben dürfen
Wenn jedoch weiterhin geschlechtsspezifische Unterschiede gemacht werden sollen, so müsste evangeliumsgemäß folgerichtig den Männern das Privileg der Salbung genommen – und diese Frauen vorbehalten werden. Dann müsste künftig jedwede Weihe und Priestersalbung, jede Taufsalbung, Firmung und auch jede Krankensalbung ausschließlich durch Frauen geschehen. Dies mag ein interessanter Ansatz sein, doch jesusgemäßer ist es, hier endlich den Worten des Paulus zu folgen: "Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus." (Galater 3,28). Unsere Talente und Gaben sind uns unabhängig von Nationalität und Geschlecht geschenkt. In Jesus Christus sind wir eins – und er ruft und beruft, wen und wie er will. Auch wenn das Frauenthema offiziell von der Agenda der Synode genommen wurde, so möge Gottes Geisteskraft weiter wehen und die Männer und Frauen in der Synodenaula dazu bringen, das Thema dennoch nicht außen vorzulassen und endlich durchzusetzen, was schon längst in einer Kirche für alle Wirklichkeit sein müsste: nämlich auch Frauen aus dem vollen Topf der Sakramente wählen zu lassen und auch ihnen das Sakrament der Weihe zu spenden, so dass sie das tun können, wozu Jesus sie berufen hat: nämlich zu salben.
Frauen über ihre Berufung zur Diakonin oder Priesterin
Auch die Theologin Kerstin Rehberg-Schroth schreibt in dem Buch der Benediktinerin Philippa Rath "Weil Gott es so will" über ihre Berufung zu einem Weiheamt in der Kirche. Das Buch ist im Herder-Verlag erschienen und kann dort bestellt werden.