Speyerer Ex-Generalvikar Sturm bereut seinen Kirchenaustritt nicht
Andreas Sturm ist angekommen – und hat auch sein ganz persönliches Glück gefunden. "Im Juli habe ich kirchlich geheiratet", verrät der Theologe, der vor mehr als zwei Jahren bundesweit für Aufsehen sorgte: Der damalige Generalvikar des Bistums Speyer kehrte der römisch-katholischen Kirche aus Protest gegen Reformstau und den Missbrauchsskandal den Rücken. Sturm, der am 8. September 50 Jahre alt wird, wechselte zur liberal geltenden alt-katholischen Kirche. Im baden-württembergischen Singen am Hohentwiel ist er nun in zwei Gemeinden mit zusammen 350 Mitgliedern als Seelsorger tätig.
Seinen "Befreiungsschlag", wie er seine Entscheidung zum Kirchenaustritt in einem Buch bezeichnete, bereut Sturm nicht, wie er dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagt. Gut sieht er aus, der großgewachsene Pfälzer Theologe, der aus Frankenthal bei Ludwigshafen stammt. Sonnengebräunt im weißen Hemd, sportlich, vielleicht ein paar Kilo leichter – er scheint aufzublühen.
"Es war eine Illusion zu meinen, man könnte etwas verändern"
Nein, die Machtfülle eines Bischof-Stellvertreters, die Privilegien, aber auch die große Personalverantwortung als Verwaltungschef vermisse er nicht, versichert Sturm. Und vor allem vermisse er nicht die Zwänge und Grenzen seines damaligen Amtes. Gegen die Allmacht des Papstes im Vatikan und konservativer Kreise in der Kirche seien alle Bemühungen deutscher Katholikinnen und Katholiken um Reformen umsonst, bilanziert Sturm. "Es war eine Illusion zu meinen, man könnte etwas verändern."
Als Generalvikar im Bistum Speyer mit seinen 451.000 Kirchenmitgliedern (Stand Ende 2023) hatte er von 2018 bis Sommer 2022 die Mitwirkung von Laien gefördert, die Priesterweihe von Frauen befürwortet, gegen Missbrauch gekämpft, den Zölibat kritisiert – und auch homosexuelle Menschen gesegnet.
Mit seinem Buch, in dem er schonungslos offen über die Gründe für seinen Kirchenaustritt berichtet, habe er nicht "nachtreten" wollen. "Ich muss raus aus dieser Kirche. Weil ich Mensch bleiben will" lautet der etwas reißerische Titel. Für viele Katholikinnen und Katholiken war der Theologe wegen seines klaren Reformkurses ein Hoffnungsträger. Sie zeigten sich nach dessen Weggang enttäuscht. Doch habe es seither weder Anfeindungen noch Appelle zur Rückkehr gegeben, sagt Sturm, der noch einmal unter die Studierenden gegangen ist: Seine Masterarbeit im Fach Alt-Katholische und Ökumenische Theologie an der Universität Bonn will er bald vorlegen. Das Diplom ist die Voraussetzung dafür, dass seine Gemeindemitglieder ihn offiziell als alt-katholischen Priester wählen können.
Als Generalvikar den Zölibat verletzt
"Mir gefällt es in der kleinen alt-katholischen Kirche, es ist ein Miteinander auf Augenhöhe", sagt Sturm. Als einfacher Priester könne er sich nun ganz der Seelsorge an den Menschen widmen. Nur rund 16.000 Mitglieder hat die alt-katholische Kirche in Deutschland, die sich im 19. Jahrhundert aus Protest gegen die Machtansprüche des römischen Papstes gründete. In ihr können Frauen zu Pfarrerinnen gewählt werden. Laien gestalten, ähnlich wie in der evangelischen Kirche, gemeinsam mit den Priesterinnen und Priestern das kirchliche Leben.
In seiner neuen Kirche habe er auch seine frisch angetraute Ehefrau kennengelernt, erzählt Sturm. Er hatte vor mehr als zwei Jahren zuerst gegenüber dem "Mannheimer Morgen" eingeräumt, in seiner Zeit als Generalvikar "den Zölibat verletzt" zu haben. Auf eines freut er sich der mutige Kirchenmann ganz besonders: den standesamtlichen Hochzeitstermin mit seiner Frau im kommenden Jahr.