Schwester Jordana Schmidt über das Sonntagsevangelium

"Für wen haltet ihr mich?" – Diese Frage Jesu gilt uns allen

Veröffentlicht am 14.09.2024 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Schwalmtal-Waldniel ‐ Jesu Worte im heutigen Sonntagsevangelium sind heftig, findet Schwester Jordana Schmidt. Doch davon lässt sich die Dominikanerin nicht abschrecken und entdeckt neben einer existenziellen Frage die Liebeszusage Gottes an uns – trotz unserer Unzulänglichkeiten.

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Was für heftige Worte, die wir in diesem Text zu hören bekommen. Worte, die denjenigen, die sich in der Nachfolge Jesu befinden, nur zu gut bekannt sind. Was machen sie mit mir als moderne Frau, die die Freiheit und das Leben liebt?

Und dann sehe ich mich in der kleinen Felsenhöhle in Antakya stehen. Einer Stadt, die so sehr unter dem heftigen Erdbeben gelitten hat. Ich durfte sie auf einer Reise kennenlernen. Dort findet man die erste christliche "Kirche" in dieser Höhle, die sicher auch dieses Erdbeben überstanden hat. Hier war dieser Petrus, der im Evangelium zurechtgewiesen wurde, und hat von Jesus erzählt. Und das mit einem Glühen und Eifer, sodass auch ich noch Jahrtausende später von diesem Sohn Gottes überzeugt und begeistert bin.

Ich fühle die Kraft, die von diesem unscheinbaren Ort ausgeht und höre die Episode dieses Evangeliums mit anderen Ohren. Mit dem der Liebenden. Ich fühle mich angesprochen und hineingenommen in diesen Kreis derer, die Jesus nachgefolgt sind und höre die Frage "Und du, für wen hältst du mich?". Ich glaube das haben wir uns schon oft fragen lassen und es wird sich im Laufe der Jahre verändern. Bei mir jedenfalls ist das so. Diese Frage kann generell und tagesaktuell beantwortet werden. Klar, generell kann ich auch sagen "Du bist der Christus", so wie Petrus.

Aber Petrus war in diesem Moment verängstigt aufgrund der Erlebnisse, besorgt, wie alles weitergeht. Deshalb scheint dieses Bekenntnis zu schnell herausgerutscht, weil es ja "klar" ist, aber eben nicht gelebt. Denn Christus steht über Leben und Tod, das macht er dann Petrus klar. Unmissverständlich und heftig. Aber nicht ihn als Person verurteilt er, sondern den "Satan" in ihm. Jene Teilperson, die auch in uns wohnt. In mir schlummert die Liebende, die Zweifelnde, die Kritische, die Aggressive, die Vertrauende, und noch vieles mehr.

Ich würde heute nicht mehr "Satan oder Teufel" zu meinen Anteilen sagen, die nicht liebevoll sind, aber vom Prinzip her sind auch sie in mir. Und doch hat Petrus in der kleinen Höhle in Antakya gestanden und Menschen von Jesus überzeugt, seine Liebe weitergegeben. Ich muss akzeptieren, dass ich nicht nur die Glaubende und Liebende bin; weitermachen, auch wenn ich auf die Nase falle und zu Recht eine Ermahnung oder Kritik bekomme. Ich bin mehr – das zeigt mir das Evangelium heute und trotzdem ganz eingebettet in die Liebe dessen, für den ich lebe.

Evangelium nach Markus (Mk 8,27–35)

In jener Zeit
   ging Jesus mit seinen Jüngern
   in die Dörfer bei Cäsaréa Philíppi.
Auf dem Weg fragte er die Jünger:
   Für wen halten mich die Menschen?
Sie sagten zu ihm: Einige für Johannes den Täufer,
andere für Elíja,
wieder andere für sonst einen von den Propheten.

Da fragte er sie: Ihr aber,
für wen haltet ihr mich?
Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Christus!
Doch er gebot ihnen, niemandem etwas über ihn zu sagen.

Dann begann er, sie darüber zu belehren:
   Der Menschensohn muss vieles erleiden
und von den Ältesten,
   den Hohepriestern und den Schriftgelehrten
   verworfen werden;
er muss getötet werden
und nach drei Tagen auferstehen.
Und er redete mit Freimut darüber.

Da nahm ihn Petrus beiseite
   und begann, ihn zurechtzuweisen.
Jesus aber wandte sich um,
sah seine Jünger an
und wies Petrus mit den Worten zurecht:
   Tritt hinter mich, du Satan!
Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will,
   sondern was die Menschen wollen.

Er rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich
und sagte:
   Wenn einer hinter mir hergehen will,
   verleugne er sich selbst,
nehme sein Kreuz auf sich
und folge mir nach.

Denn wer sein Leben retten will,
   wird es verlieren;
wer aber sein Leben um meinetwillen
   und um des Evangeliums willen verliert,
   wird es retten.

Die Autorin

Schwester Jordana Schmidt OP ist gelernte Familientherapeutin und Diplom-Heilpädagogin. Seit 1994 gehört sie den Dominikanerinnen von Bethanien an. Von 2002 bis 2012 arbeitete sie als Erziehungsleiterin im Bethanien Kinderdorf in Schwalmtal-Waldniel und war zwischen 2012 und 2020 Kinderdorfmutter. Heute lebt sie als SPLG Mutter (Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften) mit zwei Kindern in Krefeld. Momentan sie ist mehrmals im Jahr im Radio bei "Kirche im WDR" zu hören. Ihre Bücher "Auf einen Tee in der Wüste" und "Ente zu verschenken" waren wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste.

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