Mörder ist, wer …
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Wer falsch schwört, wer eine fremde Sache wegnimmt, wer einen Menschen der Freiheit beraubt – der wird bestraft. So steht es im Strafgesetzbuch neben vielen anderen Delikten. Nur ein Paragraph fällt aus der Reihe – § 211, der Mordparagraph: "Mörder ist, wer [...] einen Menschen tötet", und zwar unter ganz bestimmten Bedingungen: Mordlust, Heimtücke, Habgier und noch einige mehr.
Diese Formulierung ist ein Fremdkörper im Strafrecht: Überall sonst geht es primär um die Tat. (Nur beim Totschlag gibt es noch eine ähnliche Formulierung.) Beim Mord geht es um den Täter: "Mörder ist ..." – und Mörder werden mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
Das führt zu einigen praktischen Problemen in der Rechtsprechung, wenn etwa im Einzelfall unter Abwägung eine mildere Strafe als lebenslänglich angebracht scheint; in der Rechtspraxis wurden dafür zwar Behelfe gefunden (der Bundesgerichtshof entwickelte die "Rechtsfolgenlösung", die die Berücksichtigung mildernder Umstände beim Strafmaß ermöglicht): Dennoch ist der Mordparagraph in seiner jetzigen Form problematisch – eine Einschätzung, zu der auch eine von Justizminister Heiko Maas eingesetzte Expertenkommission gekommen ist.
Aus der Sicht eines christlichen Menschenbildes ist vor allem ein einhelliges Ergebnis dieser Kommission sehr zu begrüßen: Weg von der "Tätertypenlehre", die ein Unwerturteil über Menschen und nicht über ihre Taten verhängt. Es ist unverständlich, warum heute noch dieses Relikt nationalsozialistischer Rechtslehre im Strafgesetzbuch steht. Das passt nicht zum Menschenbild des Grundgesetzes, das wesentlich christlich fundiert ist: ein zwar fehlbarer Mensch, der aber nie und unter keinen Umständen seiner Würde beraubt werden kann.
Auch "der Mörder" behält seine Würde, so unstreitig verwerflich und nicht wieder gutzumachen seine Tat auch ist. Wenn das auch im Strafgesetzbuch so formuliert ist, wenn dort nicht mehr steht "Mörder ist", sondern "wer einen anderen Menschen tötet", dann ist das zunächst ein Symbol. Es ist aber vor allem ein Symbol einer Rechtskultur, in deren Zentrum die Menschenwürde steht – auch bei Mördern.