"Zurück zu den geistigen Wurzeln"
Frage: Bischof Clemens, in einem Jahr beginnt in Krakau der 31. Weltjugendtag. Nach dem Mammuttreffen von Rio de Janeiro dürfte das Treffen in Polen deutlich kleiner ausfallen. Oder?
Clemens: Keineswegs. Wir gehen davon aus, dass zur Schlussveranstaltung mit dem Papst ähnlich viele Teilnehmer kommen werden wie 2013 in Brasilien, bis zu zwei Millionen. Gerechterweise sollte man jedoch von den Teilnehmerzahlen der Weltjugendtage in Köln 2005 oder Madrid 2011 ausgehen, wo freilich auch die Millionengrenze überschritten war. Krakau ist zwar keine Weltmetropole, aber eine sehr schöne, attraktive Stadt. Zudem gibt es eine ausgeprägte kirchliche Infrastruktur, und der kleinere Rahmen wird durch einige Vorteile ausgeglichen. Die staatlichen Behörden ziehen sehr gut mit, und die lokale Kirche tut alles, um den jungen Katholiken aus aller Welt erlebnisreiche Tage mit einem geistlichen Tiefgang anzubieten. Immerhin ist unser Gastgeber die frühere Erzdiözese von Papst Johannes Paul II., der die Weltjugendtage vor 30 Jahren ins Leben gerufen hat.
Frage: Was ist das besondere Profil des Weltjugendtags in Krakau?
Clemens: Das Thema lautet "Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit finden". Es ist ein zentrales Thema unseres Glaubens, der Mittelpunkt unseres Christseins. Es war ein wichtiges Anliegen von Johannes Paul II., der für die Weltkirche den "Sonntag der Barmherzigkeit" eingeführt hat - auch mit Blick auf die von ihm sehr verehrte polnische Mystikerin und Heilige Faustyna Kowalska (1905-1938). Deren bei Krakau gelegenes Heiligtum wird in unser Programm einbezogen sein, als Ziel einer Pilgerkatechese.
Frage: Barmherzigkeit ist auch ein zentrales Anliegen von Papst Franziskus, der das nächste Heilige Jahr unter dieses Thema gestellt hat. Sind Sie auf einen fahrenden Zug gesprungen?
Clemens: Der Weltjugendtag ist in das Programm des Außerordentlichen Heiligen Jahres eingebunden und dürfte vermutlich seine zahlenmäßig größte Veranstaltung werden. Das Krakauer Motto ist Teil eines Dreiklangs von drei Seligpreisungen - Armut im Geist, Reinheit des Herzens, Barmherzigkeit -, die die letzten Weltjugendtage inhaltlich bestimmen und bereits Ende des Jahres 2013 festgelegt worden sind. Ich freue mich natürlich, dass beide Ereignisse der gleichen großen geistlichen Idee folgen. Vermutlich wird das Thema Barmherzigkeit und auch die Mystik der Heiligen Faustyna jungen Leuten nicht ganz leicht zu vermitteln sein. Aber ich denke, dass man diesen Kern des Evangeliums gar nicht oft genug wiederholen kann - und dass wir es schaffen werden, ihn jungen Menschen auch näherzubringen.
Frage: Was wird nun das Besondere des Krakauer Jugendtreffens?
Clemens: Ich erwarte mir von den Tagen in der Stadt eine Auffrischung, Belebung und Erneuerung der Idee der Weltjugendtage insgesamt. Immerhin handelt es sich inzwischen um das größte pastorale Projekt, das auf weltkirchlicher Ebene existiert. Wir gehen in gewisser Weise zu den geistigen Wurzeln dieses Projekts zurück, in die Heimat von Johannes Paul II. Damit ist ein Rückblick verbunden, von dem wir uns wiederum eine neue Dynamik für die Zukunft erhoffen.
Frage: Brauchen denn die Weltjugendtage bereits eine Auffrischung?
Clemens: Die braucht es immer. Die Weltjugendtage haben bestimmte feststehende Elemente, die auch das Gerüst im Programm von Krakau bestimmen. Dazu gehören nach der eigentlichen Eröffnungsmesse am Dienstag, die der jeweilige Ortsbischof feiert, eine erste Begegnung mit dem Papst am Donnerstag. Es folgen am Freitag die Feier des Kreuzwegs, am Samstagabend eine geistliche Nachtwache und am Sonntag der Abschlussgottesdienst. Dienstags, mittwochs und donnerstags finden die sogenannten "Katechesen" statt. Dies sind Vorträge, oft in dialogischem Rahmen mit Lebensberichten, meist mit liturgischen Elementen sowie mit einem musikalischen Teil. Sie werden jeweils von Bischöfen an unterschiedlichen Orten für die einzelnen Sprachgruppen angeboten. Ich gehe davon aus, dass wir in Krakau rund 250 solcher Katechese-Orte mit ebenso vielen Katechese-Bischöfen haben. Aber dies hängt letztlich von den Teilnehmerzahlen ab, genau können wir dies erst später festlegen.
Frage: Nochmals: Was soll neben diesen fixen Terminen das besondere Profil des Krakauer Treffen sein?
Clemens: Dazu zähle ich einige spezifische Orte. Sicher werden viele Teilnehmer einen Ausflug in den nahegelegenen Geburtsort von Johannes Paul II., nach Wadowice, unternehmen. Gleiches gilt für das Heiligtum der Heiligen Faustyna, das bei diesem Weltjugendtag ein Pilgerziel sein wird - wie es vor elf Jahren der Kölner Dom war. Die Großveranstaltungen finden auf dem etwa zwölf Kilometer vom Stadtzentrum entfernten "Campus misericordiae" statt, dem "Feld der Barmherzigkeit", das meiner Meinung nach ein sehr passendes Gelände ist. Natürlich wird der nach wie vor sehr lebendige polnische Volkskatholizismus den Weltjugendtag in besonderer Weise prägen. Dann ist es von Krakau aus nicht weit nach Auschwitz. Damit kommen ein schreckliches Kapitel der jüngsten Geschichte, aber auch große Heilige und Vorbilder wie Edith Stein oder Maximilian Kolbe in den Blick. Gerade für die deutschen Teilnehmer liegt es nahe, die KZ-Gedenkstätte aufzusuchen. Dieser Besuch ist nicht Bestandteil des offiziellen Programms, das können wir nicht vorgeben. Ich gehe jedoch davon aus, dass viele Teilnehmer von sich aus eine Fahrt nach Auschwitz unternehmen werden.
Frage: Woher kommen die Teilnehmer des Krakauer Weltjugendtags?
Clemens: Zunächst natürlich aus Polen selber. Die dortige Kirche kann bis heute zu bestimmten Anlässen große Teilnehmerzahlen aufbieten. Zudem ist die Jugendarbeit in Polen gut organisiert. Aber auch die europäischen Nachbarländer dürften gut vertreten sein. Die Italiener sprechen von rund 100.000 möglichen Teilnehmern.
Frage: Und aus Deutschland?
Clemens: Wir haben noch keine Zahlen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass aus Deutschland bis zu 20.000 Teilnehmer kommen werden. Für sie sehe ich das Treffen auch im Rahmen der deutsch-polnischen Aussöhnung, zu der seit Jahren eine große Zahl von Jugendlichen nach Polen fährt. Das sind die Früchte eines jahrzehntelangen Bemühens nicht nur um eine gute Nachbarschaft. Der Weltjugendtag sollte das freundschaftliche Verhältnis zwischen Deutschen und Polen fördern.
Linktipp: Die offizielle deutsche Internetseite zum Weltjugendtag
Die Arbeitsstelle für Jugendpastoral der Deutschen Bischofskonferenz (afj) informiert auf der offiziellen deutschen Internetseite zum Weltjugendtag über das Treffen in Krakau (26. bis 31. Juli 2015).Frage: Und aus anderen Ländern Osteuropas?
Clemens: Da sind wir leider von den politischen Ereignissen der letzten Zeit überrollt worden. Ursprünglich war auch eine gewisse Orientierung nach Osten im Blick. Vom Veranstaltungsort Krakau hatten wir eine besondere Ausstrahlung in östlicher Richtung erwartet, in die Ukraine, bis hin nach Russland. Wir hatten gehofft, viele Jugendliche aus den östlichen Ländern könnten leichter nach Polen kommen. Aber die aktuelle Lage in der Ukraine hat uns einen gewissen Strich durch die Rechnung gemacht, die sich natürlich innerhalb eines Jahres noch sehr bessern kann.
Frage: Franziskus ist der dritte Papst eines Weltjugendtags; Kraukau sein zweiter WJT. Wie prägt er diese Treffen?
Clemens: Natürlich gibt die Persönlichkeit des Papstes den Weltjugendtagen eine besondere Prägung. Das war so bei Johannes Paul II. wie bei Benedikt XIV. Bei Franziskus ist es die direkte Art, wie er die Jugendlichen anspricht, seine lebendigen Beispiele, seine griffigen Bilder, und die Art und Weise, wie er mit den Jugendlichen umgeht. Es gelingt ihm, ihre besondere Aufmerksamkeit zu wecken. Bei solchen Treffen passiert es fast regelmäßig, dass er das vorbereitete Manuskript zur Seite legt und in einen unkomplizierten Dialog mit den Jugendlichen eintritt. Das ist eine seiner besonderen Stärken.
Frage: Wie laufen die konkreten Vorbereitungen für Krakau? Sind Sie an einem guten Punkt?
Clemens: Veranstalter des Weltjugendtags sind immer der Laienrat und die gastgebende Diözese. Die Ortskirche von Krakau ist höchst motiviert. Immerhin war ihr Erzbischof, Kardinal Stanislaw Dziwisz, jahrzehntelang Privatsekretär von Johannes Paul II. Er hat sich sehr dafür eingesetzt, dass das Jugendtreffen in seine Diözese kam. Aber auch die staatlichen und regionalen Behörden stehen unserer Veranstaltung sehr positiv gegenüber. Im übrigen haben wir technisch aufgerüstet: Der Laienrat hat zu diesem Anlass in Zusammenarbeit mit Fachleuten ein eigenes Informatik-System ausgearbeitet, das auf dem vatikanischen Server angesiedelt ist. Damit muss nicht vor jedem kommenden Weltjugendtag ein neues System erstellt werden, sondern das bestehende System muss nur den neuen Entwicklungen angepasst werden. Somit haben wir ein eigenes Instrument für künftige Jugendtage, das der Vatikan auch für andere Großveranstaltungen nutzen kann. All dies hat natürlich auch etwas mit dem Willen zu einer Kostenersparnis zu tun.
Frage: Es gibt Spekulationen, der Papst könnte den Polenbesuch mit einem Abstecher nach Deutschland verbinden. Als Versöhnungsreise ein Vierteljahrhundert nach Ende von Kommunismus und Berliner Mauer...
Clemens: Davon weiß ich nichts.