Standpunkt

Krisen der Welt sind Aufgabe des Glaubens

Veröffentlicht am 14.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Stefan Kiechle SJ – Lesedauer: 

Bonn ‐ Überall auf der Welt kriselt es und viele Menschen fragen: Warum tut Gott nichts und lässt das zu? Für Pater Stefan Kiechle sind solche Fragen eine Aufgabe des Glaubens, nicht des Denkens. Er erinnert an ein Gedicht.

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Alles kriselt: Die Wirtschaft findet keine Arbeitskräfte, alte Firmen wackeln, nur die Rüstungsindustrie boomt. Die Bahn kriegt nichts mehr hin. Autobahnbrücken kollabieren. Digitale Technik wird komplizierter, entgleitet uns, ältere Menschen geben auf. Die Kirche schrumpft und wackelt. Das Klima wird unberechenbarer, das Wetter spielt verrückt. Arme werden ärmer, der Hunger steigt; Reiche werden reicher. Demokratische Parteien schwächeln. Flüchtlinge gibt es immer mehr. Kriege erst recht; sie werden brutaler, die Bevölkerung leidet unendlich, für Frieden gibt es keine Perspektive. Drogen werden mehr, Drogenkriege auch, Menschen gehen kaputt. Überall Krise – wohin geht die Reise?

Warum tut Gott nichts? Greift nicht ein? Wo ist er? Viele Menschen fragen dies. Fragen auch mich dies. Natürlich kann ich sagen: Frage ist falsch. Wenn freie Menschen einander die Köpfe einhauen oder soviel fliegen, dass das Klima kollabiert, sind sie selbst verantwortlich, nicht Gott. Unsere Freiheit ist das höchste von Gott geschaffene Gut – gegen sie greift er eben nicht ein. Aber die Leute fragen weiter: Warum wurde die Schöpfung so unvollkommen geschaffen, und warum der Mensch so anfällig für Böses? Hätte Gott, wenn er allmächtig und gütig ist, das nicht alles besser arrangieren können? Antwort gibt es auf diese Fragen keine.

Für Christen ist diese Situation eine Aufgabe des Glaubens. Mit dem Denken bewältigen wir sie nicht. Vielleicht muss man doch wieder mehr auf Letzte Dinge verweisen: Am Ende wird Gott alles richten. Hier unten bleibt vielleicht ein kleines Engagement, dessen Frucht man kaum sieht, und vor allem – man traut sich kaum, es zu sagen – das Gebet. 1936 dichtete Reinhold Schneider:

Allein den Betern kann es noch gelingen
Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten
Und diese Welt den richtenden Gewalten
Durch ein geheiligt Leben abzuringen.

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen:
Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,
Was sie erneuern, über Nacht veralten,
Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt,
Und Menschenhochmut auf dem Markte feiert,
Indes im Dom die Beter sich verhüllen,

Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirkt
Und in den Tiefen, die kein Aug’ entschleiert,
Die trockenen Brunnen sich mit Leben füllen.

Von Stefan Kiechle SJ

Der Autor

Pater Stefan Kiechle SJ ist seit 2018 Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". Zuvor leitete er sieben Jahre die Deutsche Provinz des Jesuitenordens.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.