Priorin Irene Gassmann hat mit Gemeinschaft Kommunionfeier im Kloster entwickelt

Schweizer Ordensfrau: Wollen im Kloster keine Pseudo-Messe feiern

Veröffentlicht am 25.11.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Fahr ‐ Seit einigen Jahren haben die Benediktinerinnen im Kloster Fahr in der Schweiz keinen eigenen Hausgeistlichen mehr und damit keine tägliche Messe. Die Ordensfrauen haben deshalb selbst eine Lösung gefunden. Priorin Irene Gassmann erklärt im Interview, wie es dazu kam.

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Irene Gassmann ist seit 2003 die Priorin der benediktinischen Frauengemeinschaft des Schweizer Klosters. Weil es dort keinen eigenen Hausgeistlichen mehr gibt, haben sie die Ordensfrauen eine eigene Liturgie überlegt. So können sie täglich die Kommunion empfangen. Im Interview mit katholisch.de erklärt die 58-jährige Ordensfrau, wie die Feier gestaltet ist und was der Vorgesetzte der Klosterfrauen dazu sagt. 

Frage: Frau Priorin Gassmann, Sie feiern in Ihrem Kloster Fahr statt der Eucharistie nun öfters eine Kommunionfeier. Wie kam es dazu?

Priorin Gassmann: Bei uns im Kloster Fahr gibt es diese Feiern schon seit einigen Jahren. Als unser letzter Propst nach Einsiedeln ins dortige Kloster zurückkehrte, war klar, dass wir keinen eigenen Priester mehr haben, der bei uns im Kloster wohnt und mit uns täglich eine Messe feiert. Damals hat der damalige Abt von Einsiedeln zu uns gesagt, das war Abt Martin Werlen, der kirchenrechtlich unser Vorgesetzter ist, dass er uns leider keinen weiteren Mitbruder aus verschiedenen Gründen schicken könne. Das war 2006. Seit damals gibt es keine tägliche Messe mehr bei uns. Für uns Ordensleute ist die tägliche Messe jedoch zentral, denn die Eucharistie ist die höchste Form der Liturgie. Wir haben überlegt, wie es bei uns als Frauengemeinschaft weitergehen kann. Unser Abt war bereit uns dabei zu unterstützen, für uns nach neuen Wegen zu suchen.  

Frage: War das eine Enttäuschung für Sie?

Priorin Gassmann: Nein, eher eine Ermutigung. Denn ich fand es großartig, dass der Abt sagte, er traue es uns zu, neue Wege und Formen des Gebets zu finden und selbst eine Liturgie zu feiern, die uns geistlich nährt. Das hat uns enorm den Rücken gestärkt. Für die älteren Schwestern war das anfangs eine hart Kost, auf die sie sich ein einlassen mussten. Manche haben sich schwergetan, denn sie waren es ihr gesamtes Klosterleben über gewöhnt, jeden Tag die heilige Messe zu feiern. Und dann auf einmal war das zu Ende. Das war schon ein tiefer Einschnitt in die klösterliche Spiritualität.

Frage: Wie feiern Sie seitdem Liturgie in Ihrer Gemeinschaft?

Priorin Gassmann: Anfangs hatten wir noch vier Mal in der Woche eine Eucharistie zusammen mit einem Priester gefeiert. Heute ist es so, dass wir nur noch zwei Mal in der Woche eine Messe im Kloster feiern. Dienstags kommt meistens unser Abt Urban Federer selbst zu uns ins Kloster und am Sonntag ist ein Benediktiner aus der Abtei Einsiedeln da. An drei Tagen feiern wir eine Kommunionfeier, donnerstags machen wir eine gemeinsame Schriftbetrachtung und am Samstag eucharistische Anbetung.

Frage: Wie unterschieden sich die Kommunionfeier von einer Messe?

Priorin Gassmann: Es war uns von Anfang an wichtig, mit dieser neuen Form keine Pseudo-Messe zu installieren. Deshalb ist die Kommunionfeiern auch nicht morgens, wenn normalerweise die Eucharistiefeiern stattfanden. Wir haben sie auf die Mittagshore gelegt und sie beginnt wie das Stundengebet um 11:00 Uhr. Diese Kommunionfeier ist auch keine zusätzliche Wortgottesfeier, sondern sie wird in die Mittagshore integriert und ist damit Teil des Stundengebets. Diese Idee mit der Mittagszeit haben wir aus der Benediktsregel abgeleitet. Dort wird darauf hingewiesen, dass der heilige Benedikt, der selbst kein Priester war, sondern Laienmönch, mit seinen Brüdern während der Wochentage vor der Hauptmahlzeit die heilige Kommunion empfangen hat. Daher hatten wir diesen Zeitpunkt übernommen. Vier Schwestern waren bereit, diese Kommunionfeiern zu leiten und sie wurden als Kommunionhelferinnen beauftragt. 

Frage: Wie ist solch eine Kommunionfeier aufgebaut?

Priorin Gassmann: Die Feier wird von einer Mitschwester geleitet und ist schlicht: Wir singen die Psalmen und Hymnen des Tages, dann wird das Evangelium vorgelesen und anschließend folgt der Kommunionritus. Dabei wird das Ziborium mit den konsekrierten Hostien aus dem Tabernakel geholt und auf den Altar gestellt. Dann beten wir gemeinsam das Vaterunser und hören eine Kommunion-Meditation. Das sind berührende Texte von unserer schon verstorbenen Mitschwester Silja Walter, die zum Evangelium passen. Danach findet die Austeilung der Kommunion in Stille statt. Diese Form ist etwas Neues für uns als Ordensgemeinschaft. Aber wir haben die Beauftragung dazu erhalten. Unser Abt aus Einsiedeln hat gesagt, das passt so, daher dürfen wir diese Liturgie genauso feiern.

Priorin Irene Gassmann
Bild: ©Kloster Fahr

Die Benediktinerin Irene Gassmann leitet seit 2003 die Frauengemeinschaft des Schweizer Frauenkloster Fahr. Am 15.11.2024 erhält sie die Ehrendoktorwürde der Universität Fribourg.

Frage: Wer liest das Evangelium während der Kommunionfeier?

Priorin Gassmann: Das Evangelium des Tages verkünde meistens ich in meiner Funktion als Priorin. Dies halten wir so in Anlehnung an die frühe Kirche und die Benediktsregel, die vorsieht, dass in der Vigil am Sonntag das Evangelium jeweils vom Abt vorgetragen wird. Und weil ich die Klostervorsteherin bin, habe ich diese Aufgabe übernommen.

Frage: Tragen Sie Ihre Seelsorgenden-Stola währenddessen?

Priorin Gassmann: Nein, meine Tunika und die dazu passende Stola für Seelsorgerinnen, die wir hier in der Paramentenwerkstatt des Kloster Fahr selbst anfertigen, trage ich nur bei besonderen Feiern oder öffentlichen Gottesdiensten. So trage ich die Stola etwa bei der Karfreitagsliturgie, die ich seit Jahren bei uns im Kloster leite oder bei der Feier am Aschermittwoch. Das sind beides Wort-Gottesdienste ohne Priester. Wenn ich bei einem Gottesdienst predige, zum Beispiel wenn ich als Festpredigerin in eine Pfarrei eingeladen werde, dann trage ich meine Tunika zusammen mit der Stola. Denn dadurch nehme ich einen Leitungsdienst wahr.

Frage: Das heißt Sie predigen auch während einer Eucharistiefeiern?

Priorin Gassmann: Ja, das ist bei uns im Bistum Basel schon lange üblich, dass Laien und damit auch Frauen in einem Gottesdienst predigen dürfen.

Frage: Gibt es auch kritische Stimmen gegenüber dieser Kommunionfeier in Ihrer Gemeinschaft?

Priorin Gassmann: Ja, es gibt zwei oder drei Schwestern, die lieber weiterhin jeden Tag eine Messe mitfeiern würden. Aber aufgrund des Priestermangels ist das nicht mehr möglich. Wir hatten erst kürzlich wieder eine geheime Abstimmung gemacht, um zu schauen, ob alle bei dieser neuen Form mitgehen können. Alle hatten dafür gestimmt. Das hat mich gefreut. Es ist bestärkend, dass wir als Frauen-Gemeinschaft selbst Wortgottesdienste feiern können. Ich bin immer wieder berührt, wenn betagte Schwestern sagen, dass ihnen das etwas gegeben hat. Wichtig ist, dass in diesen Feiern, die Gegenwart Gottes spürbar werden kann und dass Gott uns berühren kann. So haben wir erst kürzlich am Fest des heiligen Bruder Klaus ein Nachtgebet gestaltet mit Texten und Liedern von Silja Walter und als Fürbittgebet Kerzen entzündet. Ich staune immer wieder über die spirituelle Lebendigkeit meiner Mitschwestern.

Frage: Wie funktioniert so eine geheime Abstimmung bei Ihnen im Kloster?

Priorin Gassmann: Wir haben ein Set an schwarzen und weißen Kugeln. Und mit diesen Kugeln stimmen wir dann ab. Jede legt sie bei der Abstimmung eine Kugel in ein Gefäß. Schwarz steht für "Nein" und Weiß für "Ja". Wichtige Entscheidungen werden im Kapitel beraten, also der Versammlung aller Schwestern mit Ewiger Profess. Es gibt Themen, da finden wir im Austausch einen Konsens. Synodalität – aufeinander hören – üben wir Benediktinerinnen seit eh und je. Es gibt jedoch Themen, da ist es wichtig, eine geheime Abstimmung zu machen, so dass jede ganz frei ist so zum Beispiel bei der Aufnahme neuer Mitglieder oder bei einschneidenden Änderungen in der Tagesordnung. Die Kugeln werden dann ausgezählt und das Resultat im Protokoll festgehalten. Es ist wichtig, dass jede Schwester bei unseren Entscheidungen mitgehen kann, nur so wachsen wir als Gemeinschaft.

Frage: Haben Sie denn aktuell viele Kandidatinnen, die bei Ihnen in die Gemeinschaft eintreten möchten?

Priorin Gassmann: Nein, wir haben zurzeit keine Anfrage. Ich bin jedoch überzeugt, dass es monastisches, kontemplatives Leben in Gemeinschaft, auch in Zukunft geben wird. Viele Menschen sind suchend und sehnen sich nach einem Leben, das in die Tiefe geht, nach kontemplativem Leben in Gemeinschaft. Es ist unsere Aufgabe als klösterliche Gemeinschaft "Boden zu bereiten" für das Kommende, das wir noch nicht kennen. Das ist eine wichtige Aufgabe, gerade auch für betagte Ordensfrauen. An Wendepunkten in der Heilsgeschichte standen oftmals betagte Menschen, so Abraham und Sara oder Zacharias und Elisabeth und der greise Simeon und die Prophetin Hanna. Ich bin überzeugt, dass die monastische Lebensform eine Zukunft hat. Diese muss sich jedoch in neuen Strukturen und Formen bilden. Ich bin sehr gespannt, wie sich das Leben im Kloster Fahr in fünf oder zehn Jahren zeigen wird.

Von Madeleine Spendier