Sakramente, neue Liturgien und Kampf für Reformen

Wenn Frauen Eucharistie feiern: Selbstbestimmung in der Kirche

Veröffentlicht am 04.03.2024 um 00:01 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Bonn ‐ Frauen, die ohne Priester Eucharistie feiern; Reformerinnen, die auf Rom warten; und ein Kloster, das neue Wege geht: Wie gehen Frauen mit der kirchlichen Diskriminierung ihres Geschlechts um? Ein Blick auf unterschiedliche Bewältigungsstrategien.

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Die Kirche habe keinerlei Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden und alle Gläubigen haben sich an diese Entscheidung zu halten, schrieb Johannes Paul II. 1994 in seinem Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis". Doch damit finden sich nicht alle Frauen ab. Viele kämpfen für Reformen und manche feiern sogar selbst Sakramente.

Männer können Priester werden, Frauen bleiben Laiinnen. Männer spenden Sakramente, Frauen empfangen sie. Bei Zuwiderhandlung kennt die Kirche die Strafe der Exkommunikation – ein prominentes Beispiel: die Donau-Sieben. Sieben Frauen wollten sich nicht mit den kirchlichen Geschlechterverhältnissen abfinden und ließen sich am 29. Juni 2002 auf einem Schiff auf der Donau zu Priesterinnen weihen. Die Reaktion der Amtskirche: Ausschluss aus der Gemeinschaft.

Auf den Spuren der Donau-Sieben wandelt heute Martha Heizer. Dazu kam die Österreicherin eher durch Zufall: Lange Zeit gab es in ihrem Gebetskreis einen Priester, mit dem sie Eucharistie feierten. Nach seinem Tod sei eine spirituelle Lücke entstanden, erzählt die "Wir sind Kirche"-Aktivistin. "Wir haben dann versucht, etwas eucharistie-ähnliches zu machen." Das sei immer "ein bisschen drumherum geschwindelt" gewesen, sagt sie. Nach einiger Zeit hätte sich die Runde dann gefragt, wer sie eigentlich abhalten könne, selbst Eucharistie zu feiern – und es dann einfach getan. 

Sieben Frauen demonstrieren mit roten Schirmen vor dem Vatikan für Frauenrechte in der Kirche
Bild: ©Women's Ordination Worldwide

Die Kirche habe keinerlei Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden, schrieb Johannes Paul II. Nicht alle Frauen wollen sich damit zufrieden geben.

Seitdem teilt ihr Gebetskreis regelmäßig Brot und Wein und bittet, dass der Heilige Geist die Gaben wandle. "Dabei sprechen wir auch die Einsetzungsworte", sagt Heizer. Auch sonst halten sie sich an den Messablauf, denn die Tradition der Liturgie sei ihr lieb und teuer. "Wir feiern in kleiner Runde zuhause Eucharistie."

Eucharistie selbst feiern – ohne Priester

An der Eucharistie ist ihr die "haptische Gegenwart Jesu" wichtig, sagt Heizer. Jesus habe zwar gesagt, wo zwei oder drei versammelt seien, sei er unter ihnen. Aber seine Gegenwart in Brot und Wein habe eine andere Qualität. "Da reicht es nicht, nur miteinander zu beten", so Heizer. Sie kann und will nicht auf die Eucharistie verzichten – also macht sie es selbst.  

Die 77-jährige Religionspädagogin und Psychologin spricht offen über etwas, das sie laut Kirchengesetz nicht darf und nach kirchlicher Lehre auch nicht kann. Hinter vorgehaltener Hand sprechen viele Frauen aus Verbänden und Orden über Eucharistiefeiern, die sie ohne Priester feiern. Doch sich offen dazu zu bekennen, kommt für die meisten kaum in Frage – zu groß ist die Angst vor amtskirchlichen Sanktionen.  Wenn, dann brauche es eine große Gruppe von Frauen, die sich "outen", heißt es in entsprechenden Kreisen.  Als vor einigen Jahren die "OrdensFrauen für die MenschenWürde" von ihrer liturgischen Praxis während der Corona-Pandemie berichteten und ihr Text "Fülle in der Leere" bei einigen Menschen den Eindruck erweckte, sie hätten Eucharistie gefeiert, wurden sie in einem mahnenden Brief aus Rom zur Ordnung gerufen, der katholisch.de vorliegt. Die Nerven scheinen gespannt – auf allen Seiten. 

Martha Heizer im Interview
Bild: ©picture alliance / AP Photo | Alessandra Tarantino

Will ohne Eucharistie nicht leben: Martha Heizer. Weil sie ohne Priester Eucharistie feiert, wurde sie 2014 exkommuniziert.

Auch Heizers Eucharistiefeiern führten vor einigen Jahren zur Eskalation: Sie hat sich mit den Feiern außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft befördert, also exkommuniziert. Es hätte auch alles anders laufen können, sagt sie: "Wenn wir unsere Eucharistiefeiern ‘eucharistische Feiern’ genannt hätten, wäre uns nichts passiert." Das habe ihr das Bistum damals gesagt.

Nun darf Heizer offiziell keine Sakramente mehr empfangen – verwehrt wurde ihr die Kommunion aber noch nie, sagt sie. Auch eine katholische Beerdigung gibt es offiziell für sie nicht, solange sie nicht ihre Eucharistiefeiern bereut und davon ablässt. "Aber da haben sich auch schon befreundete Priester bereiterklärt", fügt sie entspannt hinzu.

Heizer findet das lächerlich, denn mit ihren Feiern möchte sie ein Zeichen setzen. "Mir geht es schon darum, zu zeigen, dass kirchliche Vollzüge für alle da sind", sagt sie. Ihr Ziel ist es, mehr Frauen zu ermutigen, ihr spirituelles Leben selbst in die Hand zu nehmen, denn Exkommunikation tue nicht weh, so Heizer.

Warten auf Rom

Wenn Schwester Philippa Rath in der Abtei Eibingen in der Messe sitzt, tut es ihr manchmal weh. "Ich muss gestehen, dass ich manchmal innerlich fast platze und am liebsten unser Chorgestühl verlassen würde", sagt die Benediktinerin aus Rüdesheim. Rath tritt prominent für den Zugang der Frauen zu allen Weiheämtern ein. Eines ihrer Bücher heißt "…weil Gott es so will: Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin". Dennoch kommt es für sie nicht in Frage, Liturgien und Sakramente ohne römische Erlaubnis zu feiern. "Ich bin katholisch und möchte es auch bleiben", sagt sie. Reformen müssten innerhalb der Kirche passieren. "Ich bin nicht so ungeduldig, dass alles übermorgen passieren muss, aber ich setze alle meine Kräfte ein, damit Reformen nicht mehr zu lange auf sich warten lassen.“

Ihr Engagement für Frauenrechte in der Kirche und ihre vorsichtige Haltung bringen die Ordensfrau manchmal in einem Zwiespalt, gibt sie zu. Es sei nicht leicht, immer auf einen männlichen Priester angewiesen zu sein. Ihre eigentliche spirituelle Heimat verortet Rath inzwischen im monastischen Stundengebet. "Das Zentrum ist für mich das Stundengebet und die Lektüre und Betrachtung der Heiligen Schrift." Manchmal komme sie sich sogar etwas "überfüttert" vor von der täglichen Feier der Eucharistie in ihrem Kloster. Aber in einer Gemeinschaft gäbe es eben sehr verschiedene geistliche Bedürfnisse. Für Stundengebet und Bibelbetrachtung brauchen die Ordensfrauen keinen Priester.

Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Fordert Reformen, will aber auf Rom warten: Schwester Philippa Rath, Benediktinerin der Abtei Eibingen.

Dass es auch ohne Priester geht, merkt die Ordensfrau auch bei vielen Gästen in ihrem Gästehaus. Für diese sei es wichtig, eine vertraute Gesprächspartnerin zu haben, die ihnen zuhört und sie begleitet, berichtet Rath. "Was in diesem Raum ausgesprochen und gesagt wird, bleibt in diesem Raum. Auch wenn es kein Beichtstuhl ist." Wer die Absolution eines Priesters wünsche, der bekomme sie natürlich. Doch dieser Wunsch werde immer seltener geäußert. "Die meisten Menschen sind dankbar, wenn wir am Ende im Gebet die Barmherzigkeit Gottes und seinen Segen erbitten." Die Bedürfnisse haben sich gewandelt.

Neue liturgische Formen und Riten

Gewandelte Bedürfnisse, fehlende Priester und Kreativität sind auch die Zutaten, aus denen die Benediktinerinnen im Kloster Fahr ihren Glaubensalltag bestreiten. "In den vergangenen Jahren haben wir viele verschiedene Feier-Formen mit Zeichenhandlung entwickelt", erzählt Priorin Irene Gassmann.

Weil es seit einigen Jahren in dem Schweizer Kloster keinen Hausgeistlichen mehr gibt, suchten die Nonnen nach einem Weg, trotzdem täglich die Kommunion zu empfangen. Sie tun das, in dem sie sich im Rahmen der Mittagshore zu einem Wortgottesdienst mit Kommunionausteilung versammeln.  "Wir wählten bewusst eine andere Tageszeit als die der morgendlichen Eucharistiefeier", erklärt Gassmann. Zudem gäbe es Hinweise in der Benediktsregel, dass die Mönche vor der Hauptmahlzeit die Kommunion empfangen haben. Nach dem Gesang des Responsoriums der Mittagshore trägt eine der Schwestern das Gefäß mit gewandelten Hostien auf den Altar. Nach einer Meditation aus der Feder ihrer früheren und mittlerweile verstorbenen Mitschwester Silja Walter und einer Zeit der stillen Anbetung wird dann die Kommunion ausgeteilt. Was in vielen Pfarreien heute schon die Regel ist, nehmen auch die Ordensfrauen aus Fahr selbst in die Hand.

Priorin Irene Gassmann
Bild: ©Kloster Fahr

Weil Frauen keine Sakramente feiern können, sucht sie neue Wege in der Kirche: Irene Gassmann, Priorin des Schweizer Benediktinerinnenklosters Fahr.

Besonders stolz ist Gassmann aber auf eine weitere Feier in ihrem Kloster: die Stärkungsgottesdienste. Früher feierte der Konvent einmal im Jahr die Krankensalbung als Zeichen der Stärkung in Alter und Krankheit. Als Sakrament war sie natürlich an den Priester gebunden. "In Zusammenarbeit mit zwei Theologinnen entwickelten wir deshalb eine neue Feier-Form", erzählt Gassmann. Dabei sollte bewusst keine "Pseudo-Krankensalbung" erfunden werden, sondern etwas ganz Neues.

Die neu kreierte Feier beginnt mit einer Tauferneuerung und dem gemeinsam gesprochenen Glaubensbekenntnis. Nach der Wortverkündigung und -auslegung folgt eine Zeichenhandlung als Stärkung. "Mit hausgemachter Ringelblumensalbe, über die wir den Segen gesprochen haben, zeichne ich jeder Schwester ein Kreuz auf die Handfläche mit der Zusage: 'Kraft und Stärke'", sagt Gassmann. Gestärkt werden dabei alle Schwestern, ob gesund oder krank, denn: "Wir brauchen alle Stärkung in den Herausforderungen des Lebens", so Gassmann.

Ganz bewusst werde diese Feier jedoch nur konventsintern gefeiert, sodass keine Verwechselungsgefahr mit einem Sakrament entstehen könne und Gläubige verwirrt würden. Es gehe ihr nicht um Konkurrenz zu den Sakramenten, sondern um eine Bereicherung für das geistliche Leben. Die Vielfalt aus beidem belebe die Gottesbeziehung.

Letztlich bewegen sich die Spiritualiätsentwürfe der Frauen vor, an oder über der Kompetenzgrenze des Weiheamtes. Während Martha Heizer bewusst die Grenze überschreitet und Sakramente feiert, entscheidet sich Philippa Rath ebenso bewusst dazu, vor der amtlich markierten Grenze zu warten, bis Rom ihr die Erlaubnis gibt, selbst aktiv zu werden. Bis dahin wirbt sie für ihr Anliegen und ringt um Argumente. Auch Irene Gassmann wirbt für Gleichberechtigung in der Kirche, geht aber noch einen Schritt weiter. In ihrem Konvent bewegt sie sich kreativ auf der Grenze von Amt und Kompetenz. Die Frage, welchen Platz Frauen in der Kirche haben, stellen alle drei gleichermaßen.

 

Professor Georg Bier vor einer Bücherwand
Bild: ©Andree Kaiser/KNA

Sieht keinen Spielraum für die Frauenweihe: Georg Bier, Professor für Kirchenrecht an der Universität Freiburg.

Nach Ansicht des Freiburger Kirchenrechtlers Georg Bier ist diese Frage jedoch längst geklärt: "Nach dem Selbstverständnis des obersten Lehramts der katholischen Kirche ist das Thema als endgültig entschieden anzusehen, und zwar zu Ungunsten der Frauenpriesterweihe." Auch wenn wenige Katholikinnen und Katholiken überzeugt seien, über die Frauenpriesterweihe müsse nur lange genug diskutiert werden, damit sich die Lehre ändere, habe Papst Franziskus mehrfach deutlich gemacht, dass es in dieser Frage keinen Spielraum gebe. Die Tür sei zu.

Ein Blick in die Kirchengeschichte könnte dennoch Hoffnung machen: Klöster und Orden waren oft Vorreiter in der Kirche. Unterschiedliche Spiritualitäten wurden von Laien aufgegriffen und für die jeweiligen Kontexte adaptiert. Diesen Wegen und Vorschlägen hat sich die Kirche in der Vergangenheit immer mal wieder angeschlossen. Ob das auch für Frauen als Sakramentenspenderinnen gilt? Es bleibt spannend, ob und welche spirituellen Suchbewegungen eines Tages offizielle Liturgie der Kirche werden. Heizer, Rath und Gassmann sind nur drei Beispiele einer großen kirchlichen Pluralität.

Von Benedikt Heider