Katholische Jugendverbände bei der Weltklimakonferenz

Aufstehen und protestieren, wenn die Schöpfung in Gefahr ist

Veröffentlicht am 21.11.2024 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 
V.l.n.r.: Roman Sieler (KjG, Deutschland), Genevie Gabriel (Chiro, Philippinen), Antonio Yayrator Korkuvi (CYO, Ghana), Matlhogonolo Phydelia Maramba (Chiro, Botswana), Fidelis Stehle (FIMCAP Europa, KjG), Prince David (ICYM, Indien).
Bild: © Fimcap

Baku ‐ Bei der Weltklimakonferenz bringen katholische Jugendverbände die Anliegen Jugendlicher ein. Der Leiter der Jugendverbands-Delegation, Fidelis Stehle, verrät, was sie fordern – und warum die Rolle der Kirche bei der COP 29 nicht nur gut ist.

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40.000 Menschen verhandeln in Baku bei der Weltklimakonferenz COP 29 darüber, wie die Weltgemeinschaft mit der Klimakrise umgeht. Unter ihnen: Eine Delegation des Jugendverbands Fimcap. Die Fimcap ist ein weltweiter Dachverband von katholischen Jugendverbänden. Die Delegation unter Leitung von Fidelis Stehle bringt in Aserbaidschan die Position von Jugendlichen aus Afrika, Asien und Europa ein. Im Interview mit katholisch.de hofft Stehle auf klare Ansagen von der COP 29 – und zeichnet ein zwiespältiges Bild vom Engagement des Vatikans auf der Konferenz.

Frage: Herr Stehle, Sie sind mit einer Delegation katholischer Jugendverbände in Baku bei der Weltklima-Konferenz. Auf welche Ergebnisse hoffen Sie?

Stehle: Wir schauen wieder einmal auf ein neues heißestes Jahr zurück. In unserer Delegation sind Jugendliche aus Botswana, Ghana, Indien, den Philippinen und aus Deutschland. Viele von uns haben die Klimakrise schon direkt zu spüren bekommen. Aus Indien berichtet einer von uns über die Hitzewelle in Neu Delhi – über 50 Grad, Zehntausende von Menschen mit Hitzschlägen, Hunderte von Hitzetoten. Deswegen ist unsere große Hoffnung, dass ein starkes neues Finanzierungsziel beschlossen wird und die Weltgemeinschaft sich auf einen ambitionierten Klimaschutz einigt. Wir müssen dringend auf den 1,5-Grad-Pfad zurückkommen. Jedes Zehntelgrad zählt! Die jetzt schon krassen Auswirkungen der Klimakrise zeigen, wie nötig das ist.

Frage: Zurück auf den 1,5-Grad-Kurs ist die Hoffnung – aber ist das auch realistisch?

Stehle: Realistisch wird es dann, wenn der globale Norden, wenn Länder wie die USA und Deutschland einen Schritt auf den globalen Süden hin machen, also auf die am meisten von der Klimakrise betroffenen Staaten. Das kostet Geld: Wir müssen ein Klimafinanzierungsziel von  über einer Billion Euro erreichen. Das ist durchaus realistisch und wäre ein wichtiger Schritt, um auch andere Maßnahmen zu ermöglichen: Dass wir besser werden bei den Anpassungsmaßnahmen und dass die Ziele zur CO2-Minderung noch einmal ambitionierter gefasst werden. Das würde auch ermöglichen, parallel auf die Frage von Schäden und Verlusten einzugehen, also das, was die Klimakrise jetzt schon an Zerstörung anrichtet, durch Wiederaufbau und Entschädigung zu kompensieren.

Frage: Eine Billion Euro ist sehr viel Geld.

Stehle: Da ist es wichtig zu betonen, dass Klimafinanzierung nicht so etwas wie eine großzügige Spende ist – es geht um Verantwortung! Der globale Norden, insbesondere auch Deutschland, hat massiv finanziell davon profitiert, über Jahrzehnte fossile Energien zu verbrennen. Jetzt Geld für den Klimaschutz auszugeben, ist für den Norden nicht Wohltätigkeit, sondern eine Konsequenz aus einer historischen Schuld.

Drei Delegierte des Jugendverbands Fimcap im Gespräch bei der COP 29, in der Mitte Fidelis Stehle
Bild: ©Fimcap

Fidelis Stehle (24, Mitte) ist ehrenamtlicher Präsident von Fimcap Europa und Mitglied der Katholischen jungen Gemeinde (KjG). Bei der COP29 setzt er sich für eine gerechte Bewältigung der dreifachen planetaren Krise und globale Solidarität ein.

Frage: Das Engagement gegen die Klimakrise ist nicht einfacher geworden. Viele Spitzenpolitikerinnen und -politiker wie der US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz oder der französische Präsident Emmanuel Macron sind erst gar nicht zur COP 29 angereist, der kommende US-Präsident Donald Trump will das Pariser Klimaabkommen aufkündigen. Die politische Großwetterlage scheint eher düster fürs Klima zu sein.

Stehle: Ja, dieses Jahr sind die Anstrengungen noch einmal größer als bei den vergangenen Weltklimakonferenzen. Die geopolitische Lage hat sich nicht verbessert. Dazu kommt noch ein Gastgeberland, das nicht gerade für Klimaschutz bekannt ist. Aber schon Paris 2015 hat gezeigt, dass viel mehr möglich ist, als man am Anfang denkt, wenn aus der richtigen Richtung Bewegung kommt. Das hätte vom G20-Gipfel kommen können, aber auch eine klare Ansage von Papst Franziskus als Argentinier könnte Schwung in die Sache bringen.

Frage: Sie sind als katholische Jugendverbandsvertreterinnen und -vertreter in Baku. Welche spezifisch christliche Perspektive bringen Sie in den Klimaschutz ein?

Stehle: Klimaschutz ist etwas, das für uns als Christinnen und Christen besonders wichtig ist. Vor neun Jahren hat Papst Franziskus "Laudato si" veröffentlicht und im vergangenen Jahr noch einmal mit "Laudate Deum" nachgelegt und damit gezeigt, was christliche Verantwortung für das Klima bedeutet. Das gibt uns als katholischen Jugendverbänden starken Rückenwind für unsere Arbeit. Zentral für uns ist es, sich dafür einzusetzen, dass Kinder und Jugendliche gut aufwachsen und leben können. Das wird momentan massiv von der Klimakrise gefährdet. Deshalb müssen wir als Jugendverband aufstehen und protestieren, wenn die Schöpfung zerstört wird. Deshalb sind wir hier aktiv und machen uns aus unserem Glauben heraus für Solidarität und Gerechtigkeit stark.

Frage: Wie sieht das konkret für Sie in Baku aus?

Stehle: Wir bringen uns in die Verhandlungen ein, führen unzählige Gespräche in kleinen und großen Runden, wir vernetzen uns und tragen die Themen in die Öffentlichkeit. Es gibt auch eine eigene "Youth Constituency", wo die jungen Stimmen bei der Weltklimakonferenz gebündelt werden und die es uns ermöglicht, in der Plenarversammlung zu sprechen.

Frage: Es gibt nicht nur die katholische Jugendverbandsdelegation der Fimcap. Auch der Heilige Stuhl ist vertreten. Wie nehmen Sie die "amtliche" Stimme der Kirche wahr?

Stehle: Die Delegation des Heiligen Stuhls bringt sich zu vielen Aspekten sehr positiv ein. Kardinal Parolin hat sich im Namen des Papstes in seinem Eingangsstatement für Schuldenerlass starkgemacht und wirkliche Solidarität eingefordert, auch bei der Finanzierung. Leider setzt die kleine Vatikan-Delegation ihre Ressourcen aber aktuell auch dafür ein, die Verhandlungen rund um Geschlechtergerechtigkeit und Genderfragen zu blockieren. Das ist für mich als KjGler und katholischer Feminist sehr problematisch, weil das ein wesentlicher Aspekt von Klimagerechtigkeit ist.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am 30. Juni 2021 in Berlin.
Bild: ©KNA/Walter Wetzler (Archivbild)

Als Kardinalstaatssekretär ist Pietro Parolin der oberste Diplomat des Vatikans. Bei der Weltklimakonferenz rief er die Weltgemeinschaft zum Handeln auf.

Frage: Was hat Klimaschutz mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun?

Stehle: Frauen,Mädchen und queere Menschen sind viel stärker von der Klimakrise betroffen. Bei Extremwettersituationen zeigt sich, dass Warnungen Männer viel schneller erreichen und sie sich daher schneller in Sicherheit bringen können. Bei Dürre sind es oft Mädchen, die lange Wege zurücklegen müssen, um Wasser zu beschaffen – das schlägt sich direkt in schlechterem Zugang zu Bildung nieder. Für den Heiligen Stuhl scheint es aus ganz grundlegenden Überlegungen, die mit der Lehre der Kirche zu tun haben, darum zu gehen, dass solche Themen nicht angesprochen werden.

Frage: Was würden Sie sich von der Kirche für den Klimaschutz wünschen?

Stehle: Ich hoffe, dass Papst Franziskus sich noch einmal sehr deutlich für einen Schuldenerlass ausspricht und für konkrete Maßnahmen wie eine Superreichensteuer, um den Klimaschutz zu finanzieren. Für Deutschland hoffe ich darauf, dass die Kirche hier ähnlich wie Papst Franziskus sich deutlich für einen sozial gerechten Klimaschutz ausspricht – und zwar noch vor der Bundestagswahl. Hier hat die Kirche die Chance, die Themen Schöpfungsbewahrung und globale Gerechtigkeit zusammen nach vorne zu bringen.

Von Felix Neumann