Standpunkt

Eine Paragraf-218-Reform jetzt durchdrücken zu wollen ist falsch

Veröffentlicht am 22.11.2024 um 00:01 Uhr – Von Joachim Frank – Lesedauer: 

Bonn ‐ Nach dem Ende der Ampel-Koalition gibt es einen neuen Vorstoß, den Abtreibungs-Paragrafen 218 zu reformieren. Das in dieser Situation durchdrücken zu wollen, ist falsch, kommentiert Joachim Frank. Er rät zu einem anderen Fokus.

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Man kann's ja noch mal schnell versuchen. Mitten hinein in den Wirrwarr nach dem Ampel-Aus, der Terminierung von Vertrauensfrage und Neuwahl und der Frage, welche dringenden Gesetzesvorhaben der Bundestag noch unter Dach und Fach bringen sollte, kommt ein fraktionsübergreifender Vorstoß zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs.

Es ist nachvollziehbar, dass die Initiatorinnen aus den Reihen der SPD und der Grünen aufs Tempo drücken. Wenn sie sagen, das vorzeitige Ende der Koalition habe ihnen "die Füße weggezogen" und sie rechneten nach der Wahl am 23. Februar nicht mehr mit einer "progressiven Mehrheit", dann ist der politische Antrieb auch dankenswert klar formuliert.

Allerdings hatte die Ampel bereits in der Zeit, als sie noch einigermaßen funktionierte, eine erneute Reform des Paragrafen 218 auf ihrer Prioritätenliste weit nach unten geschoben. Ein wesentliches Motiv: nicht noch ein Thema, bei dem gesellschaftliche Verwerfungen drohen. Das war der "Fortschrittskoalition" auch mit ihrer "progressiven Mehrheit" nicht geheuer. Darum ist es falsch, das Vorhaben jetzt in einer Phase der parlamentarischen Auflösung durchdrücken zu wollen.

Aus der CDU/CSU kam prompt Widerstand, in den sich erwartbar Wahlkampftöne mischen. So attackierte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD). Er sei, so Merz, "wirklich entsetzt darüber, dass derselbe Bundeskanzler, der immer wieder vom Zusammenhalt, vom Unterhaken und von Gemeinsinn spricht, mit auf der Liste dieses Gruppenantrages mit seiner Unterschrift erscheint".

Mehrheitsverhältnisse und individuelle Meinungsbildung im Parlament lassen einen Last-Minute-Erfolg der Initiative als durchaus möglich erscheinen. Wie wäre es, stattdessen gemeinsam andere Projekte ins Ziel zu tragen, mit denen obendrein all jene, die gern von "Lebensschutz" reden, zeigen können, dass es ihnen damit auch beim Schutz des geborenen Lebens ernst ist? Mit den lange angekündigten Gesetzen zur Stärkung der Missbrauchsbeauftragten des Bundes (UBSKM) oder zur verbesserten Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen wäre hier im Konsens der Demokrat:innen viel zu erreichen, auch auf dem Weg zu einer erneuerten ethischen Selbstverständigung der Gesellschaft, derer es dringend bedarf.

Von Joachim Frank

Der Autor

Joachim Frank ist "DuMont"-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadt-Anzeiger". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.