Von Finanzen bis Pfarrfest: Das entscheiden Laien in der Pfarrei
Nach der Weltsynode wird in der katholischen Kirche intensiv über Mitbestimmung und Synodalität diskutiert. Zwei Gremien, in denen die Beteiligung von Laien an der Basis schon seit Jahren und Jahrzehnten möglich ist, sind der Pfarrgemeinderat und die Kirchenverwaltung. Sei es die seelsorgliche Ausrichtung der Kirchengemeinde oder die Finanzen: Hier entscheiden Laien ganz konkret mit. "In manchen Köpfen hält sich das Vorurteil, dass der Pfarrer das alleinige Sagen hat, aber das stimmt tatsächlich gar nicht", sagt Jana Puritscher, Projektleiterin des Projektes Kirchenverwaltungswahlen 2024 im Erzbistum München und Freising, die an diesem Wochenende stattfinden.
Der Pfarrer hat eine Stimme unter vielen
Die Kirchenvorstände, je nach Bistum auch Verwaltungsrat oder Kirchenverwaltung genannt, regeln alles rund um die Organisation einer Pfarrei. "Es ist ein kollegiales Gremium, in dem der Pfarrer eine Stimme unter vielen hat", sagt der Münchner Kirchenrechtler Martin Rehak. Er kann im Zweifel also überstimmt werden. Je nach Bistum und Größe der Pfarrei hat der Rat unterschiedlich viele Mitglieder – im Erzbistum München zum Beispiel bis zu acht, im Bistum Fulda bis zu 14. Hinzu kommt der Pfarrer und eventuell weitere hauptamtliche Mitarbeiter – aber eben ohne Vetorecht. Die Aufgaben sind vielfältig: Wenn die Pfarrkirche renoviert, ein neuer Kindergarten gebaut oder ein Kirchenmusiker angestellt wird, dann plant und entscheidet der Kirchenvorstand. Alles rund um Finanzen, die Gebäude und das Personal fällt in seinen Zuständigkeitsbereich.
Eine ganz schöne Herausforderung für die ehrenamtlichen Mitglieder der Kirchenverwaltung: "Wenn Kandidaten einen juristischen oder betriebswirtschaftlichen Hintergrund haben, dann ist das schon von Vorteil", sagt Jana Puritscher. Ein Muss ist es aber nicht – oft sind es engagierte Gemeindemitglieder,, die ohnehin eine enge Bindung zur Pfarrei haben. "Wenn beispielsweise die eigenen Kinder die katholische Kita vor Ort besucht haben, dann ist schon ein Kenntnis der innerpfarreilichen Verhältnisse und vor allem Herzblut vorhanden", so die Erfahrung Puritschers. Rein formal sind die Aufgaben der Kirchenverwaltungen in den kirchenrechtlichen Gesetze der jeweiligen Diözesen geregelt. Wie Kirchenrechtler Rehak erzählt, hat das Gremium eine erstaunlich lange Geschichte: "Schon seit dem ausgehenden Mittelalter gab es Bestrebungen, verwaltungstechnische Entscheidungen in Pfarreien nicht in der Hand des Priesters zu lassen", sagt Rehak. "Das Prinzip dahinter ist einfach: Pfarrer kommen und gehen, das Kirchengebäude bleibt".
Als Gremium viel bekannter als Kirchenverwaltungen und Verwaltungsräte ist der Pfarrgemeinderat. "Er soll die Gläubigen repräsentieren und ihre Belange in die Leitung der Pfarrei einbringen", erklärt Rehak. Die Sitzungen sind öffentlich, die Beschlüsse in Protokollen einsehbar. Hier ist richtig, wer die inhaltliche Ausrichtung einer Pfarrei mitbestimmen will: die Gestaltung von Gottesdiensten und der Kommunion- und Firmvorbereitung sind ebenso Thema wie Angebote für Kinder, Jugendliche und Senioren. Der Pfarrgemeinderat ist das zentrale Gremium der Kirchengemeinde. Auch wird dem Pfarrer die Stimmung in der Pfarrei gespiegelt: "Der Pfarrgemeinderat ist ein Seismograph für Wünsche, Enttäuschungen, Hoffnungen und Aufbrüche in den Gemeinden" heißt es etwa auf der Website des Bistums Eichstätt. Um der Aufgabenfülle gerecht zu werden, bilden die Mitglieder oft Ausschüsse. In seelsorglichen und pastoralen Bereichen berät der Pfarrgemeinderat den Pfarrer. Selbst entscheiden kann das Gremium etwa, wenn es um Feste wie das Patrozinium oder das Pfarrfest geht, sowie bei sozialen und caritativen Projekten oder auch beim Kirchenasyl. "Bei allen Aktivitäten, die die Laien angehen, hat der Pfarrgemeinderat Entscheidungskompetenz", fasst Kirchenrechtler Rehak zusammen.
Kandidaten zu finden ist schwer
Entstanden ist der Pfarrgemeinderat in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965). Auch damals war die Idee, Laien stärker in Entscheidungen einzubinden. Im Dekret "Apostolicam actuositatem" findet sich ein Absatz, der anregt, den Gläubigen mehr Mitspracherecht zu geben. "In den Diözesen sollen nach Möglichkeit beratende Gremien eingerichtet werden, die die apostolische Tätigkeit der Kirche im Bereich der Evangelisierung und Heiligung, im caritativen und sozialen Bereich und in anderen Bereichen (…) unterstützen", heißt es da. Auf der Würzburger Synode von 1971 bis 1975 berieten dann Bischöfe und Laien, wie die Entschlüsse des Konzils in den deutschen Bistümern umzusetzen seien – der Pfarrgemeinderat war geboren.
Trotz der vielfältigen Möglichkeiten, die Pfarrei mitzugestalten: Kandidaten für die beiden ehrenamtlichen Gremien zu finden, fällt bisweilen schwer. Oft werden Menschen gezielt angesprochen. "Wir müssen schon auf die Leute zugehen", sagt Puritscher. "Manchmal erkennt man erst durch einen Impuls, wie bereichernd ein Ehrenamt sein kann." Die benötigte Zeit bringen gerade Menschen im späten Erwachsenenalter mit. Familien und Gemeindemitglieder im mittleren Alter seien oft zu sehr privat oder beruflich eingebunden, so Puritscher. Und bei jüngeren Leuten zeigen Studien immer wieder, dass sie sich lieber punktuell für ein bestimmtes Projekt engagieren als über einen längeren Zeitraum. Die Wahlperioden der Gemeindegremien betragen aber mehrere Jahre, bei Pfarrgemeinderäten oft vier, bei der Kirchenverwaltung oft sechs Jahre.
Kirchenkrise und Austrittswellen erschweren die Kandidatensuche noch weiter. So gibt es Kirchengemeinden, in denen sich gerade genug oder auch zu wenige Kandidaten für die zu vergebenen Plätze finden. Vor der Kirchenverwaltungswahl am Sonntag in Bayern haben laut einer Umfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur einige Pfarreien sogar um eine Reduzierung der Mitglieder gebeten, um das Gremium weiter am Laufen zu halten. Und auch die Wahlbeteiligung ist traditionell eher niedrig. Und auch die Wahlbeteiligung ist traditionell eher niedrig. Nach Jana Puritschers Erfahrung ist mit etwa zehn Prozent bei Urnenwahl zu rechnen, aus anderen Bistümern gibt es Zahlen bis zu 25 Prozent.
Vor diesem Hintergrund bemühen sich die Verantwortlichen in den Bistümern, so gut es geht die Werbetrommel zu rühren, um auf die Arbeit der Gremien aufmerksam zu machen. Vor anstehenden Wahlen gibt es ausführliche Informationen im Internet und konkrete Ansprechpartner in den Diözesen. Im Erzbistum München und Freising hat es sich ein Team aus mehreren Mitarbeitern des Ordinariats zur Ausgabe gemacht, den ehrenamtlichen Gremien nach der Wahl mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Mitmachen bei der Wahl – ob passiv als Kandidat oder aktiv als Wahlberechtigter - lohnt sich jedenfalls. Schließlich verkörpern Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände die alte neue Idee von der Synodalität der Kirche ganz vorbildlich.
Diözesane Sonderfälle
Im Bistum Rottenburg-Stuttgart existiert laut Kichenrechtler Martin Rehak die Aufteilung zwischen Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand nicht. Gemäß dem Rottenburger Modell gibt es in den Pfarreien nur ein zentrales Laiengremium, den Kirchengemeinderat. Der jedoch ist mit weitreichenden Kompetenzen sowohl pastoraler aus auch verwaltungstechnischer Natur ausgestattet und leitet alle Geschicke der Gemeinde zusammen mit dem Pfarrer. Ein Sonderfall in die andere Richtung ist das Bistum Regensburg. Hier besitzt der Pfarrer im Pfarrgemeinderat ein umfängliches Vetorecht. (gho)