Ehre für den Missbrauchstäter – aus reiner Bequemlichkeit
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Die Oberpfälzer Gemeinde Eslarn hält weiterhin einen Verurteilten Missbrauchstäter in Ehren. Die Wahlberechtigten haben sich am Sonntag mehrheitlich dagegen ausgesprochen, die nach dem Priester Georg Zimmermann benannte Straße umzubenennen: 57,6 Prozent der 1360 Bürger, die an dem Bürgerentscheid teilgenommen haben, stimmten bei der Frage nach der Namensänderung mit "nein".
Immer wieder zeigen Missbrauchsstudien und Gutachten, dass Missbrauch in der Kirche nicht in einem luftleeren Raum verübt wird. Es sind nicht einzelne böse Täter, die wie eine unerwartete Naturgewalt ihre Taten verüben: Es ist ein Umfeld, das Taten ermöglicht, deckt, Bequemlichkeit und guten Schein höher schätzt als die unangenehme Konfrontation mit den Taten. Besonders die Essener Missbrauchsstudie hat eindrücklich herausgearbeitet, wie das Thematisieren von Missbrauch in Gemeinden als Störfaktor wahrgenommen wird und nicht der Missbrauch selbst. "Es ist durchgängig erkennbar, dass ein Großteil der Gemeindemitglieder, die Kenntnis von einem Vorwurf gegen einen Pfarrer bezüglich sexualisierter Gewalt bekommen, keinerlei Fokus auf Unterstützungsbedarfe möglicher Betroffener legen", heißt es im Fazit der Studie.
In Eslarn hat sich nun genau das gezeigt. Reine Bequemlichkeit hat den Ausschlag gegeben. Als Argumente wurden der Aufwand und die Unannehmlichkeiten angeführt, die eine Umbenennung der Straße mit sich gebracht hätte. Nicht einmal die kompletten finanziellen Auswirkungen hätten die Anwohner tragen müssen: Die hätte zum Teil die Gemeinde getragen, zum Teil sogar ein Betroffener Zimmermanns. Schon diese Geste hätte bei den Anwohnern, die sich gegen die Umbenennung gestellt haben, für tiefe Scham sorgen müssen. Was kann man da an Rückgrat erwarten, wenn es einmal akut um Solidarität mit Betroffenen geht?
"Für uns Betroffene gilt damit, dass wir ein weiteres Mal zu Opfern gemacht werden", sagte der Sprecher des Betroffenenbeirats des Bistums Regensburg nach der Abstimmung: "Unser Leid wurde von Argumenten wie Kosten, Bequemlichkeit und Desinteresse begraben." Dieser Egoismus, diese Bequemlichkeit und dieses Desinteresse am Leid der Betroffenen sexualisierter Gewalt gilt es zu überwinden, wenn die Gesellschaft die Aufarbeitung wirklich ernst nehmen will. In Eslarn kann man es auf die einzelne Stimme genau ablesen, auf wie viel Solidarität Betroffene bauen können, wenn es um mehr als Lippenbekenntnisse geht.
Der Autor
Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.