Nach Großbrand vor fünf Jahren steht weltberühmte Kathedrale vor Wiedereröffnung

Notre-Dame ist zurück – Macron besucht ein letztes Mal die Baustelle

Veröffentlicht am 29.11.2024 um 13:55 Uhr – Von Joachim Heinz (KNA) – Lesedauer: 

Paris ‐ Am 7. und 8. Dezember wird die Kathedrale Notre-Dame in Paris wiedereröffnet. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was da noch kommt, bot der letzte Baustellenbesuch des französischen Präsidenten.

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Was für ein Kontrast. Ein heimeliges Atelier im schicken elften Arrondissement in Paris Ende Oktober. Marie Parant-Andaloro erzählt mit einem Schmunzeln, dass sie sich allmählich auf die Zeit "nach Notre-Dame" vorbereite. "Il faut se 'desintoxiquer'" – "Man muss sich 'entgiften'". Vier Wochen später steht sie noch einmal in der weiten Kathedrale, ihrem Arbeitsplatz in den vergangenen Jahren. Die Expertin für die Restaurierung von Gemälden und Wandmalereien wartet am Freitagvormittag in einer Seitenkapelle des gotischen Gotteshauses auf einen besonderen Gast.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist ein letztes Mal auf die "Jahrhundertbaustelle" gekommen, bevor die weltberühmte Kirche am 7. und 8. Dezember feierlich eröffnet wird. Der Erzbischof von Paris, Laurent Ulrich, und der Rektor von Notre-Dame, Olivier Ribadeau Dumas, haben zuvor bei strahlendem Sonnenschein Macron und seine Gattin Brigitte empfangen. Im Schlepptau des Präsidentenpaares: die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, Kulturministerin Rachida Dati und Macrons Sonderbeauftragter für den Wiederaufbau von Notre-Dame, Philippe Jost.

"Stolz" – das Wort fällt an diesem Vormittag häufig. Stolz darauf, es geschafft zu haben. Mehr als 2.000 Handwerker und Spezialisten aller Disziplinen haben dazu beigetragen, dass Macrons gewagte Wette aufging. Die Kirche werde in fünf Jahren wiederaufgebaut, hatte der Präsident unmittelbar nach dem verheerenden Feuer im April 2019 angekündigt. Fünfeinhalb Jahre später erstrahlt das weltberühmte Gotteshaus in neuem Glanz. "Sie erleben die Kathedrale, wie Sie sie noch nie zuvor gesehen haben", raunt Erzbischof Ulrich dem Präsidenten beim Eintreten zu.

Livebilder vom Besuch gehen um die Welt

Das Ereignis wird live im Fernsehen gezeigt, erstmals können sich Zuschauer in aller Welt ein Bild von der restaurierten Kirche machen. Ein "Abenteuer der Menschheit", ein "Epos aus Stein und Geist" – es fehlte nicht an Superlativen, um den Aufwand zu beschreiben, den Frankreich für das Gebäude betrieben hat, das wohl wie kein anderes für die reiche Geschichte des Landes steht.

Macron, dem seine Landsleute gerne Arroganz und Abgehobenheit vorwerfen, gibt sich bei seinem Besuch dankbar, fast demütig. Hört bei seinem knapp zweieinhalbstündigen Rundgang genau hin, sucht das Gespräch mit den Menschen, die ihm erläutern, welchen Beitrag sie dazu geleistet haben, dass die Kathedrale in wenigen Tagen tatsächlich wiedereröffnet werden kann.

Bild: ©picture alliance/Daniel Fouray/MAXPPP/dpa (Archivbild)

Der verheerende Großbrand im Jahr 2019.

Die Gruppe um Macron macht Halt an markanten Punkten. Zum Beispiel vor der Marienstatue "Vierge du Pilier", die wie durch ein Wunder bei dem Brand inmitten verkohlter Trümmer unversehrt blieb. Direkt darunter: der Ambo, ein Pult, von dem aus Lesungen und Evangelium vorgetragen werden und der Priester die Predigt hält. Maria sei künftig die erste, die das Wort Gottes höre, sagt Erzbischof Ulrich. Der Katholik Macron wird die symbolische Deutung einordnen können.

1.200 Eichen für den Dachstuhl

Wenig später geht es in den Dachstuhl des Kirchenschiffs und des Chors, wo das Feuer besonders schlimm wütete. Für den Wiederaufbau wurden 1.200 Eichen aus ganz Frankreich benötigt. Allein diese Zahl nötigt Respekt ab. "Ich bin sehr, sehr bewegt", sagt Architekt Remi Fromont. Macron informiert sich noch über die Markierungen, die die Zimmerleute auf den Balken hinterlassen haben, bevor es kurz darauf zur Kapelle Saint-Marcel und zu Marie Parant-Andaloro geht.

Der dort vorhandene Wandschmuck geht auf Eugene Viollet-le-Duc zurück. Der Architekt machte sich im 19. Jahrhundert um den Erhalt der Kathedrale verdient und fügte ihr mit den historisierenden Malereien eine eigene Note hinzu. Mit ihrer Mannschaft aus 14 Restauratorinnen und einem Vergolder befreite Parant-Andaloro die Fresken vom Staub und Schmutz der vergangenen 150 Jahre. "Was Sie hier sehen, sind die originalen Farben von Viollet-le-Duc", betont Parant-Andaloro. "Wir haben nichts gemacht, außer die Malereien zu reinigen."

Ein weiteres Mal zeigt sich Macron beeindruckt. Und schwärmt von dem Wagemut Viollet-le-Ducs, der den Wettbewerb mit den Meistern des Mittelalters aufnahm. "Das kann uns inspirieren." Einen Moment lang blitzt da der Hasardeur Macron auf, der zuletzt mit der Auflösung des Parlaments im Sommer aufs Ganze ging.

Dank und ein bisschen Wehmut

Schließlich wendet sich der sichtlich bewegte Präsident an die mehr als 1.300 Handwerker und Spezialisten, die sich im Kircheninnern und auf dem Vorplatz von Notre-Dame eingefunden habe. Minuten vor seiner Rede brandet immer wieder Applaus auf. Er lobt die Handwerker und Spezialisten als die "Alchemisten der Baustelle", die aus der Kohle die Kunst wieder zum Leben erweckt hätten.

Sie habe es genossen, gemeinsam mit all diesen Menschen auf der Baustelle zu arbeiten, hatte Parant-Andaloro in ihrem Atelier gesagt. Ein bisschen Wehmut schien da schon mitzuschwingen: "Notre-Dame – das war wie eine kleine Stadt."

Von Joachim Heinz (KNA)