Standpunkt

"Er stürzt die Mächtigen vom Thron"

Veröffentlicht am 10.12.2024 um 00:01 Uhr – Von Stefan Kiechle SJ – Lesedauer: 

Bonn ‐ Es schien lange Zeit nicht mehr möglich, aber das Schreckensregime des syrischen Diktators Assad ist zu Ende. Aber was kommt nach dem Umsturz? Und wo werden die Christen bleiben? Pater Stefan Kiechle erinnert an die Zeilen des Magnificat.

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Der brutale Konflikt schien eingefroren, für lange Zeit. Doch urplötzlich, innerhalb weniger Tage, fegten in Syrien oppositionelle Gruppen den Diktator Assad und sein Schreckensregime hinweg. Die staatliche Armee lief über. Großstädte wurden besetzt, Folterkeller wurden geöffnet, Gefangene kamen frei, Millionen Flüchtlinge in Syrien und in aller Welt jubelten. Diktatoren stürzen bisweilen ganz plötzlich und schnell: Im unterdrückten Volk muss nur eine Stimmung kippen, unterstützt durch digitale Medien; die latent vorhandene Schwäche des Systems wird sichtbar, alles kippt – ähnlich geschah schon in Rumänien, im Irak, in Libyen. Wo noch kann so etwas, hoffentlich bald, passieren?!

Was kommt nach dem Umsturz? In Syrien konnte sich die Opposition in ihrem Kampf gegen den Diktator leicht einigen – in sich ist sie leider keineswegs eins. Werden islamistische Gruppen die Oberhand bekommen und ein neues autoritäres Regime errichten, nach islamischem Recht? Wie werden die verschiedenen Gruppen – auch Kurden, Christen, Drusen… – zusammenfinden? Es gibt in dieser Region kaum eine Kultur des Aushandelns von Interessen und Konflikten, der religiösen und kulturellen Toleranz, der politischen Freiheit, der demokratischen Partizipation. Wo werden die Christen bleiben – seit Jahrhunderten sind sie in der Minderheit und werden von allen Seiten bedrängt? In Assads Staatsideologie waren sie – bei allem sonstigen Schrecken – doch einigermaßen frei und konnten ihr bescheidenes Leben leben. In einem islamistischen Staat kann das leicht sehr viel schwieriger werden….

"Er stürzt die Mächtigen vom Thron" – so das revolutionäre Programm des Magnificat (Lk 1,46-55). Wir glauben es kaum noch, aber bisweilen geschehen Wunder. Mit Maria dürfen wir in dieser vorweihnachtlichen Zeit den Herrn für seine Wundertaten lobpreisen – zugleich sollten wir ihn mit Zittern und Zagen anflehen, dass Er weitergeht und "die Niedrigen erhöht".

Von Stefan Kiechle SJ

Der Autor

Pater Stefan Kiechle SJ ist seit 2018 Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". Zuvor leitete er sieben Jahre die Deutsche Provinz des Jesuitenordens.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.