Die Rücktrittsspekulationen um Papst Franziskus gründen nicht nur auf Sorge

Wann geht er denn nun?

Veröffentlicht am 22.07.2015 um 11:23 Uhr – Von Alexander Brüggemann – Lesedauer: 
Kolumne

Bonn ‐ In einer neuen Kooperation mit der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" veröffentlicht katholisch.de jeden Mittwoch vorab die Vatikan-Kolumne "Franz & Friends". Zum Start geht es um Rücktrittsgerüchte, die nicht nur auf ehrlicher Sorge um Franziskus gründen.

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"Hinter der nächsten Kurve haben wir die Hälfte …" Mit solchen Antworten werden seit vielen Generationen Kinder ruhiggestellt, die nicht mehr laufen und einen bestimmten Weg nicht mehr mitgehen wollen. Und die Frage, die diese Antwort erheischt, lautet stets: "Wie lange noch?" Je unzufriedener der Gegängelte, desto drängender der Ton. "Wie lange noch, Catilina, willst du unsere Geduld missbrauchen?", fragt ein genervter Cicero, der das Kapitel Catilina beendet und eine neue Seite der Geschichte aufgeschlagen sehen will.

So wurde zuletzt gemunkelt, Franziskus werde zurücktreten, wenn erst die Familiensynode im Herbst in seinem Sinne verlaufen und die Dinge auf dem Weg seien. Woher solche Gerüchte kommen, wird man nie erfahren. Vermuten kann man aber, dass sie nicht nur aus Sorge um das Wohlbefinden des Papstes entstanden sind.

In Südamerika hat Franziskus eine Last für einen Elefanten geschultert: in acht Tagen 21 Reden in drei Ländern, mit einer Höhendifferenz von rund 4000 Metern, und das mit 78 Jahren und einem Lungenflügel. Macht zusammen: garantierte Erschöpfung. Aber – wer von uns wird wohl mit 78 noch ein solches Programm fahren können?

Franz' Freunde wie Gegner murmeln nun wieder, freilich mit unterschiedlichen Gefühlen: Wie lange kann er das durchhalten? Spielen wir also das Szenario durch: Benedikt XVI. ist sehr munter für seine 88 Jahre – und Franziskus verausgabt sich weiter wie in seinen ersten zweieinhalb Amtsjahren. War es im Sommer 2014 noch ein kirchenhistorisches Spektakel, über "gucken zwei Päpste zusammen das WM-Finale" zu fabulieren, so könnte es dann 2016 oder 2017 tatsächlich heißen: "Dritter Papst zum Skat!" Oder einigen sich die beiden Männer in Weiß auf ein rollierendes System: Sommerpapst und Winterpapst?

Aber – warum freuen wir uns nicht einfach über einen so aktiven Senior als Papst? Oder mit Vergil gesprochen: "O die glücklichen Landleute, erkennten sie doch nur ihr Glück!" In der katholischen Kirche gibt es eine subtile Variante jenes ciceronischen Verdrusses, wenn einem die Amtsführung eines betagten Bischofs oder gar Papstes nicht behagt.

Das Vehikel ist das der Gesundheit, und es ist durch das Verhalten der drei jüngsten Amtsträger immer besser zu bedienen: Johannes Paul II., der auch mit fast 84 Jahren, schwer parkinsonkrank, nicht zurücktrat; Benedikt XVI., der sich entschloss, mit fast 86 Jahren auf sein Amt zu verzichten; und Franziskus, der sich mit 78 Jahren bereits vorbehalten hat, den historischen Schritt seines Vorgängers womöglich zu wiederholen.

Bereits 2013 wurde geargwöhnt, künftig werde ein Rücktrittsdruck von außen auf den Papst entstehen, vergleichbar etwa mit einem angenommenen Druck auf Senioren, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, wenn erst die gesetzliche Möglichkeit dazu bestünde. Doch die Sache läuft im Grunde viel subtiler: Rücktrittsgerüchte aus vermeintlicher Sorge.

Christ & Welt

Diesen Text der Kolumne "Franz & Friends" publiziert katholisch.de mit freundlicher Genehmigung von "Christ & Welt", einer Beilage der Wochenzeitung "Die Zeit". "Christ & Welt" - das sind sechs Seiten, die sich auf Glaube, Geist und Gesellschaft konzentrieren, sechs Seiten mit Debatten, Reportagen und Interviews aus der Welt der Religionen. "Christ & Welt" ist im Jahr 2010 aus der traditionsreichen Wochenzeitung "Rheinischer Merkur" hervorgegangen.
Von Alexander Brüggemann