Streit um Daten von ausgetretenen Katholiken in Belgien

Europäischer Gerichtshof mit Löschung aus Taufbüchern befasst

Veröffentlicht am 12.12.2024 um 09:07 Uhr – Lesedauer: 

Brüssel ‐ Einmal getauft, immer getauft: Deshalb wird eine ins Taufbuch eingetragene Taufe niemals gelöscht – das sorgt immer wieder für Streit nach Kirchenaustritten. Ein belgisches Gericht will die Frage nun ein für alle Mal durch den EuGH klären lassen.

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Haben aus der Kirche ausgetretene Katholiken das Recht, aus dem Taufregister gestrichen zu werden? Mit dieser Frage muss sich nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) befassen. Das zuständige belgische Verwaltungsgericht hat am Mittwoch dem für die Auslegung des EU-Rechts zuständigen Gericht Fragen zu einem Streit zwischen dem Bistum Gent und der belgischen Datenschutzaufsicht vorgelegt. Der EuGH soll nun klären, wie die individuelle Religionsfreiheit von Ausgetretenen und die kollektive Religionsfreiheit von Religionsgemeinschaften gegeneinander abgewogen werden müssen und ob ein Vermerk über den Kirchenaustritt im Taufbuch eine vollständige Entfernung ersetzen darf. Auf der Grundlage der Antworten des EuGH kann das belgische Gericht dann den Fall entscheiden.

Die Datenschutzaufsicht hatte im Dezember 2023 einem aus der Kirche Ausgetretenen Recht gegeben, der vom Bistum Gent unter Verweis auf die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine Löschung seiner Daten aus dem Taufbuch verlangt hatte. Das Bistum Gent hatte zusammen mit der Pfarrei, die das Taufbuch führt, darauf verwiesen, dass der dauerhafte Vermerk über die Taufe aus theologischen Gründen unbedingt nötig sei. Mit dem Vermerk eines Austritts sei den Rechten des Ausgetretenen genüge getan, zumal Taufbücher nicht öffentlich einsehbar seien und geschützt aufbewahrt würden. Die Aufsicht folgte in ihrer Entscheidung der Position der Kirche nicht, dass die Dokumentation der Taufe lediglich ein historisches Faktum darstelle, das zudem für religiöse Zwecke erforderlich sei. Das Bistum hatte gegen die Entscheidung der Datenschutzaufsicht Rechtsmittel beim zuständigen Gericht, dem Brüsseler Märktegerichtshof, eingelegt.

Datenschutzaufsicht erfreut über Entscheidung

In einer ersten Reaktion begrüßte der Vorsitzende der Streitkammer der Datenschutzaufsicht, Hielke Hijmans, die Entscheidung des Märktegerichtshofs: "Das ist ein sehr erfreuliches Urteil für die Datenschutzaufsicht, das unserer Analyse in vielen Punkten folgt und die Grundsatzfrage nach dem Gleichgewicht zwischen Datenschutz und Religionsfreiheit vor das höchste europäische Gericht bringt."

Das Bistum Gent reagierte auf Anfrage von katholisch.de zurückhaltend. Man habe die Entscheidung zur Kenntnis genommen und sorgfältig gelesen. "Der entscheidende Punkt ist, dass die Entscheidung bestätigt, dass unterschiedliche Auffassungen zu den grundlegenden Fragen möglich sind", so der Bistumssprecher am Donnerstag.

In Belgien stiegen nach der Ausstrahlung einer TV-Dokumentation über Missbrauch in der Kirche im Herbst 2023 die Kirchenaustrittszahlen an. Im Zuge der landesweiten Diskussion wurde auch der Umgang der Kirche mit Kirchenaustritten angefragt. Vor allem die Weigerung, Taufeinträge bei Austritt zu löschen, stieß auf massive Kritik. Die Entscheidung der belgischen Datenschutzaufsicht ist die erste, in der ein Löschrecht bestätigt wurde. Im September 2023 veröffentlichte die irische Datenschutzaufsicht eine umfangreiche Entscheidung, in der sie zum gegenteiligen Schluss kam und eine Beschwerde gegen die Erzdiözese Dublin ablehnte. Auch in Frankreich und Slowenien haben Gerichte bereits Löschbegehren in Bezug auf Taufbücher ablehnt.

Der aktuelle belgische Fall geht auf eine Beschwerde aus dem Jahr 2021 zurück. Nach Angaben der Behörde liegen ihr noch weitere Verfahren aus dem Themenbereich des Kirchenaustritts vor. Teilweise sind die anderen Beschwerdeführer auch als Verfahrensbeteiligte dem Verfahren vor dem Märktegerichtshof beigetreten. (fxn)

12. Dezember, 13.40 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme des Bistums Gent. (Absatz vier.)