Standpunkt

Von Selbstbestimmtheit und ihrer sozialen Dimension

Veröffentlicht am 13.12.2024 um 00:01 Uhr – Von Agnes Wuckelt – Lesedauer: 

Bonn ‐ Menschen haben ein Recht auf freie Entfaltung. Doch die weltweit zunehmenden Ungerechtigkeiten treffen Frauen und ihre Selbstbestimmung besonders hart, schreibt Agnes Wuckelt. Sie denkt an die Auswirkungen eines selbstbestimmten Lebens auf andere.

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"Selbstbestimmung" wird aktuell laut eingefordert, vor allem bei lebensethischen Fragestellungen. Nach Art. 2 GG hat jede*r "das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit". Jüngst wurde es mit dem Selbstbestimmungsgesetz erweitert. Auch grundgesetzlich ist dieses Recht engstens mit dem Anspruch auf Gerechtigkeit, Gleichheit, Menschenwürde, Freiheit und körperliche Integrität verbunden. Die angesichts der Globalisierung weltweit zunehmende Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Unfreiheit trifft Frauen besonders hart. Gesellschaftliche Strukturen, in ihr geltende Werte und Normen wirken auf Frauenleben, grenzen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ein oder negieren es.

Seit den 1980er Jahren ist die Forderung eines selbstbestimmten Frauenlebens aufs Engste mit dem weiblichen Körper verbunden. Es ist mehr als unverständlich, dass dies nun bald ein halbes Jahrhundert später immer noch betont werden muss. Anfang und Ende des Lebens sind sensible und vulnerable Situationen und eng mit weiblicher Existenz verbunden: Ist die Zustimmung zu oder Ablehnung von Schwangerschaft und Geburt eine starke Herausforderung für ein selbstbestimmtes Leben, so auch die Tatsache, dass pflegebedürftige Menschen überwiegend auf weibliche Care-Arbeit angewiesen sind.

Selbstbestimmtheit besitzt immer eine soziale Dimension. Der Körper ist das Zentrum aller Beziehungen, seien es die von Liebe, von Gleichgültigkeit oder die von Ablehnung und Hass getragenen. Dass die eigene Selbstbestimmtheit ihre Grenze an der Selbstbestimmtheit der und des anderen hat, fordert individuell und persönlich heraus. In unserer Welt voll Unfrieden, Ungerechtigkeit und Leid ist es darüber hinaus im wahrsten Sinn des Wortes not-wendig, die Auswirkungen zu bedenken, die das nach eigenen Vorstellungen selbstbestimmt gestaltete Leben auf das Leben der anderen hat. "Liebe deine Nächsten wie dich selbst!" Nicht nur die in der eigenen "Bubble", sondern darüber hinaus.

Von Agnes Wuckelt

Die Autorin

Agnes Wuckelt ist emeritierte Professorin für Praktische Theologie und stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.