Erzabt zu Missbrauch: Öffentlichkeit ist Verbündeter, kein Feind
Der Erzabt der ungarischen Benediktinerabtei Pannonhalma, Cirill Hortobagyi (65), hat sich für einen offenen Umgang mit Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche ausgesprochen. "Die Öffentlichkeit hat das Recht, diese erschütternden Fälle zu erfahren", schreibt Hortobagyi in einem Beitrag für die Portale "Telex" und "Szemlelek" am Sonntag. Der Ordensmann fordert dazu einen Kulturwandel in der Kirche: Sie müsse die Öffentlichkeit als Partner begreifen. "Die Öffentlichkeit ist nicht unser Feind, sondern ein wichtiger Verbündeter in der Aufklärung. Auch wenn die Medien manchmal die negativen Aspekte überbetonen, dürfen wir nicht zur Kultur des Verschweigens zurückkehren."
In einer transparenten Aufarbeitung liege eine Chance für die Kirche, so die Überzeugung des Benediktiners: "Der Verlust des Vertrauens und die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit können nur durch offene, klare Kommunikation und aufrichtige Entschuldigungen geheilt werden." Kritiker, die vor einem Vertrauensverlust durch Offenheit warnten, sieht er heute widerlegt: "Keines unserer Aufklärungsprojekte hat dazu geführt, dass Eltern ihre Kinder von unseren Schulen abgemeldet haben. Im Gegenteil: Sie haben unser Engagement für Ehrlichkeit und Lösungen anerkannt."
Missbrauch "ein riesiges Wespennest"
Zudem äußerte der Erzabt Selbstkritik: Erst nachdem kirchliche Missbrauchsskandale in anderen Ländern aufgeflogen seien, habe er festgestellt, "dass dieses Problemfeld auch in der ungarischen Kirche ein riesiges Wespennest ist". Es bestehe eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Umgang mit den Fällen von Kindesmissbrauch und den Fällen von Priestern, die einst mit dem kommunistischen Regime kollaborierten: Beide Sünden hätten als Wurzel "die Anhänglichkeit an die Autorität und die Liebe zur Macht anstelle der Liebe zum evangelischen Dienst", so der Ordensmann. Bei der Aufarbeitung müssten Verantwortlichkeiten in den Blick rücken: "Verantwortlich ist der Täter, der seine kirchliche Position missbraucht, die Institution, die Warnsignale ignoriert, und die kirchliche Führung, die oft nicht entschieden genug handelt", so Hortobagyi. Auch er selbst habe lange Zeit damit keine Erfahrung gehabt und habe in seiner Haltung erst durch persönliche Begegnungen mit Missbrauchsbetroffenen einen "Wendepunkt" erlebt. "Erst 2014, als ich erstmals mit Opfern sprach, verstand ich, wie wichtig ein empathisches Zuhören ist", so der Erzabt.
In den frühen 2000er-Jahren kam es in der Abtei Pannonhalma zu Übergriffen eines Benediktinermönchs auf Schüler. Nachdem diese Vorfälle 2015 bekannt wurden, bat der damalige Erzabt Asztrik Varszegi die Betroffenen öffentlich um Entschuldigung. Die Aufarbeitung setzte sich seit 2018 unter der Leitung von Hortobagyi fort. Die Benediktinerabtei Pannonhalma habe sich ihrer Verantwortung gestellt und ein umfassendes Kinderschutzprotokoll entwickelt, um sicherzustellen, "dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen", schreibt der Erzabt. Seit 2016 gibt es in der Abtei eine Kinderschutzgruppe, die Präventivmaßnahmen in allen Einrichtungen des Klosters umsetzt. Es gab Anhörungen und man habe Betroffene nach Strafanzeigen gebeten, auch vor Gericht von den Ereignissen zu berichten, zudem wurden viele ehemalige Schüler mit Therapie und spiritueller Begleitung unterstützt. Auch weiterhin arbeite man in Pannonhalma an einer transparenten und präventiven Kultur, um den Betroffenen wie auch der Gemeinschaft Gerechtigkeit und Sicherheit zu bieten. (KNA)