Ungarischer Bischof: Beispiel der deutschen Katholiken erschreckt uns
Der ungarische Weihbischof Asztrik Varszegi macht in seinem Land mit Blick auf den synodalen Prozess in der Kirche eine große Angst davor aus, dass Entscheidungen nicht allein von der Kirchenleitung getroffen würden. "Das Beispiel der deutschen Katholiken erschreckt uns, auch wenn wir die reale Lage nicht kennen", sagte der Alt-Erzabt von Pannonhalma im Interview der Zeitung "Nepszava". "Wir sehen, dass christliche Werte infrage gestellt wurden, bisher heikle Themen zu Sexualität, Zölibat, gleichgeschlechtliche Beziehungen und LGBTQ-Personen wichtig geworden sind", so Varszegi.
Diese Fragen erzeugten Angst in Ungarn, und dasselbe gelte für den größten Teil Mittel- und Osteuropas, sagte der Ordensmann weiter. Das hänge "auch damit zusammen, wie wir unseren Nationalismus leben". Diese sehr komplizierte Lebenssituation sehe er "als einen der Gründe für unsere Angst und Unverständnis". In postkommunistischen Ländern zögere man vor Reformen und reagiere daher verspätet. "Wir leben in einer isolierten Welt; und man versteht die Probleme der Katholiken auf den anderen Erdteilen nicht", merkte der Weihbischof selbstkritisch an. "In Ungarn tragen wir gegenwärtig noch unsere historischen (feudalen) und volkskirchlichen Traditionen mit uns; wir nehmen nicht die Vielfalt der Veränderungen wahr, denen die Kirche ausgesetzt ist, wir erkennen nicht, wie komplex unsere Welt bereits ist."
Bischöfe Ungarns "auf einer Wellenlänge" mit Papst Franziskus
Der 76-Jährige wirkte im Post-Wende-Ungarn über Jahrzehnte für den interreligiösen Dialog sowie als Quasi-Übersetzer ungarischer Mentalität. Als Erzabt der einfluss- und traditionsreichen Benediktinerabtei Pannonhalma war er im Rang eines Weihbischofs Mitglied der Ungarischen Bischofskonferenz und in den 90er Jahren auch deren Generalsekretär. Varszegi hatte in der Bischofskonferenz stets einen Kurs politischer Unabhängigkeit der Kirche von einzelnen politischen Parteien vertreten. Dafür sei er von vielen Seiten angegriffen worden, berichtete er im Interview. Es habe sich herausgestellt, dass die Kirche in Ungarn einen solchen Weg der Unabhängigkeit nicht gehen könne; sie habe nach der kommunistischen Diktatur "einen anderen Weg eingeschlagen".
Im Verlauf der politischen Umwälzungen seien Staat und Kirche mal weiter, mal näher zueinander gerückt, so der Ordensmann. Heute hätten nicht nur die katholische Kirche, sondern auch andere historische Konfessionen eine enge Beziehung zum Staat. Ohne die Regierung von Langzeit-Ministerpräsident Viktor Orban namentlich zu nennen, gab er zu bedenken: "Wenn wir nicht markieren, wo die Grenzbereiche sind, können die Ziele verwechselt werden." Varszegi sagte zudem, er sehe die Bischöfe seines Landes "auf einer Wellenlänge" mit Papst Franziskus, auch wenn sie ihre Standpunkte teils mit anderen Worten vortrügen. "Sie denken genauso über den Krieg, den Frieden und die Wirtschaftskrise." (rom/KNA)