Auf der Suche nach Gott
Frage: Pater Maureder, wie sieht normalerweise der Weg in den Jesuitenorden aus?
Maureder: Wenn sich heute Menschen für unseren Orden interessieren, haben sie Kontakt mit dem Verantwortlichen für die Berufungspastoral, der die Interessenten begleitet und zu Informationstagen einlädt. Wenn sie aufgenommen werden und ins Noviziat kommen, beginnt eine zweijährige Ausbildungszeit. In den ersten zwei Wochen der sogenannten Kandidatur sind sie noch Gäste und entscheiden sich am Ende definitiv für das Noviziat. Im ersten Jahr steht vor allem die menschliche Reifung im Vordergrund. Darauf folgen die Großen Exerzitien, also eine vier Wochen dauernde Besinnungszeit, in denen meistens die Entscheidung fällt: Liegt die Berufung des Novizen anderswo? Oder spürt er, dass er weiter gehen und wirklich Jesuit werden möchte?
Zu Beginn des zweiten Jahres ist die geistliche Phase wichtig. Es geht um die Gelübde und die Lebensform als Ordensmann. Und am Ende steht die apostolische Dimension, der Einsatz vor Ort. Von sieben Monaten sind die Novizen praktisch über fünf Monate in Experimenten, in Praktika und in pastoralem Einsatz. Deshalb kann man sagen, dass das Noviziat eine zweijährige Übungszeit ist, in Gemeinschaft zu leben, den Orden kennen zu lernen, sich selbst kennen zu lernen und vor allem Gott kennen zu lernen. In diesem Kennenlernen geht es darum, zu spüren: Will, kann und soll ich diesen Weg gehen? Und dann kann man eine tragfähige Entscheidung treffen.
Frage: Wie verläuft die Aufnahme ins Noviziat?
Maureder: Wenn es konkreter wird, entscheiden der Interessent und der Mitarbeiter der Berufungspastoral, sich an das Noviziat zu wenden. Dann lädt der Novizenmeister denjenigen ein, zwei bis vier Tage das Noviziat zu besuchen. In dieser Zeit klärt sich, ob wir das Aufnahmeverfahren beginnen. Dabei wird mit vier Mitbrüdern gesprochen, die darüber schreiben, ob der Interessent geeignet ist. Darauf folgt ein Gespräch mit einem Psychologen, der sich die Fragen stellt: Ist dieser Mann psychisch gesund oder gibt es an einigen Stellen Fragezeichen? Die meldet er dem Interessenten und dem Orden zurück.
Dann werden die Dokumente zusammengetragen - ein Gesundheitszeugnis, die Abschlusszeugnisse der Studien und das Firmzeugnis. Am Schluss wird der Kandidat auch mit dem Provinzial sprechen, der sich alles durchliest und entscheidet. Normalerweise ist Mitte September der Eintrittstermin und ich melde mich rechtzeitig bei demjenigen, um ihm zu sagen, was er mitbringen soll und wie er sich vorbereiten kann.
Frage: Was sind die Motive derjenigen, die bei den Jesuiten anklopfen?
Maureder: Ich stelle fest, dass die meisten tatsächlich auf der Suche nach Gott sind. Ein zweiter Grund ist bei nicht wenigen, dass sie sich in dieser ungerechten Welt für soziale Gerechtigkeit einsetzen wollen, dass sie spüren, sie können einfach nicht ihr bürgerliches Leben führen, wenn es anderen schlecht geht. Und ein dritter Grund ist meistens die Frage der Gemeinschaft. Sie wollen mit anderen den Weg gehen, also gerade einen Weg, der von Werten motiviert ist. Diese jungen Männer wissen, dass das normalerweise nicht allein geht und wollen eine Pilgergemeinschaft. Dann gibt es natürlich noch verschiedene andere Aspekte. Manche wollen auch auf bestimmte intellektuelle Fragen eine Antwort. Sie zieht der Jesuitenorden an, weil er auch dafür steht, dass wir uns schweren Fragen stellen und uns intellektuell mit ihnen auseinandersetzen.
Frage: Hat sich in den letzten acht Jahren etwas in Bezug auf die Kandidaten verändert?
Maureder: Wir haben eine wachsende Spanne in mehrerer Hinsicht, zum Beispiel des Alters. Wir rechnen eigentlich jedes Jahr damit, dass auch Leute kommen, die älter als 40 Jahre sind – das war früher die Ausnahme. Andere – und das ist eine Entwicklung der letzten zwei, drei Jahre –, sind relativ jung, sodass man eine Spanne von manchmal über 20 Jahre zwischen den Jüngsten und Ältesten hat. Auch die Spanne des kulturellen Hintergrundes, zum Teil sogar in der Sprache, ist größer geworden, denn wir bestehen aus drei deutschsprachigen Provinzen, Skandinavien und in Zukunft auch Litauen. Weiter gibt es eine Spanne in der kirchlichen Sozialisation: Es gibt Kandidaten, die haben kaum mit einer Pfarrgemeinde zu tun und welche, die Messdiener gewesen sind.
Ich halte es für ein großes Geschenk, dass die Leute mit unterschiedlichsten Ausbildungen kommen. Es gab früher Jahrgänge, wo viele schon Theologie und Philosophie studiert hatten. Aber jetzt kommen Leute aus praktischen Berufen, Juristen oder Rettungssanitäter. Ich empfinde das als einen Reichtum, auch wenn sie schon älter sind und noch das ganze Studium machen müssen. Und eine letzte Veränderung ist, dass die Motivation gewöhnlich "abgeklopfter" ist. Die Freunde und die Umgebung sind nicht unbedingt begeistert, wenn die Männer sich für uns interessieren. Das war vor zwei, drei Jahrzehnten noch anders. Heute erleben die meisten fragende Gesichter. Das fordert die Auseinandersetzung, ob sie wirklich diesen Weg wollen, in einem viel stärkeren Maße. Das halte ich eigentlich für vorteilhaft.
Frage: Was war Ihr schönstes Erlebnis in den acht Jahren als Novizenmeister?
Maureder: Eines der schönsten Erlebnisse ist immer wieder die Erfahrung in den Exerzitien, wenn Novizen deutlich wird, wer dieser Jesus von Nazareth für sie ist und was er bedeutet für die Welt. Und wenn man dann spürt, dass ihr Herz ergriffen ist... Ich habe das einige Male als Zuhörer in einer sehr deutlichen Weise erfahren dürfen, sodass ich mich wirklich beherrschen musste, nicht in Tränen auszubrechen, sondern eine professionelle Ruhe zu bewahren. Mich bewegt es einfach, wenn dies für Novizen plötzlich klar wird. Und ich merke, dass alles andere, was einem sonst durch den Kopf geht, das nicht aufwiegen kann, wenn das Herz ergriffen wird. So wie Paulus sagt, dass er diesen Weg geht, "weil ich von Christus ergriffen worden bin".