Brauchtum hat heidnische Ursprünge

Das Pfeffern: Glück und Segen fürs neue Jahr

Veröffentlicht am 27.12.2024 um 00:01 Uhr – Von Fabian Brand – Lesedauer: 

Bonn ‐ Mit grünen Zweigen, Sprüchen und einem sanften Schlag wünschte man Glück fürs neue Jahr – und erhielt dafür kleine Gaben. Der alte Brauch des Pfefferns hat heidnische Wurzeln und lebt in veränderter Form bis heute fort.

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In den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr wird noch mancherorts in bestimmen Landstrichen eine alte Tradition gepflegt: das Pfeffern. Es ist ein alter Neujahrsbrauch, der in der heiligen Zeit "zwischen den Jahren" verortet ist. Also zu einer Zeit, die besonders für die Altvorderen mit vielen Bräuchen und Ritualen verbunden war. Bis heute kennt man noch die sogenannten "Rauhnächte" zwischen Weihnachten und Dreikönig. Eine Zeit, die einen Kontakt zu einer anderen Welt ermöglichte und die deswegen einerseits Gefahren bot aber andererseits auch Chancen zum Blick in die Zukunft eröffnete. In diesem Zusammenhang ist auch die Tradition des Pfefferns zu verstehen.

Das Pfeffern läuft relativ einfach ab: Man zieht von Haus zu Haus und "schlägt" den Hausbewohner mit einem grünen Zweig. Dazu wird ein Sprüchlein aufgesagt. Der Termin für das Pfeffern ist dabei von Landstrich zu Landstrich unterschiedlich: Gemeinsam ist allen, dass man zwischen Weihnachten und Neujahr pfeffert. In Coburg und Meiningen wurden die Frauen von den Männern am ersten Weihnachtstag gepfeffert, die Männer von den Frauen an Neujahr. In Schwaben, Franken, Bayern und Österreich sind die Tage zwischen dem Fest des heiligen Stephanus am 26. Dezember und dem 28. Dezember Pfeffertage. Der Tag der Unschuldigen Kinder markiert dabei den letzten Tag, an dem gepfeffert wurde. Andernorts konnte man auch noch an Dreikönig zum Pfeffern gehen.

Der Ursprung des Pfefferns liegt in weiter Vorzeit: Schon bei den Germanen war es üblich, dass man sich um die Zeit der Wintersonnenwende mit Zweigen von Misteln oder dem Wacholder schlug, um sich dadurch Gesundheit und Fruchtbarkeit zu verleihen. Auch das Vieh, die Obstbäume und die Äcker wurden mit diesen Gerten geschlagen. Dieses Brauchtum hat sich in ganz ähnlicher Weise bis heute erhalten: Auch im christlichen Kontext werden in der Advents- und Weihnachtszeit grüne Zweige ins Haus geholt. Der Adventskranz und der Christbaum greifen diese uralten Traditionen auf und gliedern sie in einen christlichen Zusammenhang ein. Der Hintergrund ist hier wie dort derselbe: In einer Zeit, in der die Natur quasi erstorben ist und die Welt draußen nicht lebenswert erscheint, holt man sich grüne Zweige als Zeichen für das Leben in die Häuser und Wohnungen. Die Zweige zeigen: Es gibt auch in dieser dunklen Jahreszeit Leben. Man könnte das Tannengrün auch als Symbol für die Hoffnung interpretieren: Die Farbe grün steht für die Hoffnung. Die grünen Zweige zeigen dann, dass man hoffnungsvoll und zuversichtlich in das neue Jahr gehen soll. Das Schlagen mit dem grünen Zweig, wie beim Pfeffern üblich, kann dann sagen: Die Energie und die Hoffnung, die diesem Zweig innewohnt, soll auf denjenigen übergehen, der gepfeffert wird. Sie oder er soll ein gutes neues Jahr erfahren.

Bild: ©drubig-photo/Fotolia.com

Das Kleeblatt ist ein Symbol für das Glück, das oft zu Neujahr verschenkt wird. Das hängt mit dem alten Brauch des Pfefferns zusammen.

Besonders in Franken ist das Pfeffern eine uralte Tradition. So erfahren wir aus Nürnberg aus dem Jahr 1730 folgendes: "Wiederum besuchen die Kinder ihre Freunde und Bekandten, hauen sie gelinde mit Ruthen, so sie pfeffern heißen, und empfangen hierauf von ihnen einige Geschencke, ja sie lauffen wol gar auch mit Ruthen auf den Gassen herum, und fallen unbekandte Leute an, und bißweilen thun die Alten eben so thöricht, und am Ende wird das daraus, dass man sich zur Unzucht eine scheinbare Gelegenheit macht."
Darin kommen schon die wesentlichen Elemente des Pfefferns zum Ausdruck: Man wünscht den Mitmenschen durch das Schlagen mit einem grünen Zweig Glück und Segen und erhält dafür eine milde Gabe. In späteren Zeiten waren solche Bräuche verpönt, gar verboten, weil sie den Eindruck der Bettelei erweckten. Immerhin macht schon der Nürnberger Bericht deutlich, dass man es beim Pfeffern gut und gern auch etwas übertreiben konnte. Und solche sogenannten "Heischebräuche" waren in der Advents- und Weihnachtszeit weit verbreitet. Immer wieder zogen in dieser heiligen Zeit Menschen von Tür zu Tür um zum Beispiel mit einem heiligmäßigen Lied eine milde Gabe von den Menschen zu erbitten.

Philipp Ernst Spieß, der das Landesarchiv auf der Plassenburg im oberfränkischen Kulmbach begründete, schreibt 1785 folgendes: "Der unschuldige Kindleinstag wird an manchen Orten auch der Pfefferleins- oder Fizelstag genannt. In Franken ist der Gebrauch, dass die Eltern von den Kindern gefiezelt werden (…). Es ist auch kein Unterschied in Ansehnung der Religion, sondern das Fizeln ist bey den Protestanten eben so üblich, wie bey den Catholiken." Das Pfeffern, oder "Fiezeln", wie es auch genannt wird, ist also ein konfessionsübergreifender Brauch. Das ist er vor allem deshalb, weil seine Ursprünge viel älter sind als das Christentum und die Trennung der Konfessionen.

"Nachklang einer alten heidnischen Sitte"

Über den Brauch des Pfefferns, wie er in Mistelfeld, einem Dorf im oberfränkischen Landkreis Lichtenfels, ausgeübt wurde, berichtet Konrad Weberpals (1882 bis 1957) in einem Aufsatz aus dem Jahr 1913: "Es ist anzunehmen, dass das heute noch übliche Pfeffern ein Nachklang einer alten heidnischen Sitte ist. Der 'Pfeffertag' ist für die Buben der 28. Dezember, für die Mädchen der 1. Januar. Mit grünen Zweigen gehen da die Kinder von Haus zu Haus und 'pfeffern' gegen kleine Geschenke die Erwachsenen unter dem Sprüchlein: 'Da komm ich hergetret'n / Mit meiner Pfeffergätn, / Mit meinem frischen Mut; / Schmeckt der Pfeffer (oder: das Neujahr) gut?'"

Solche Sprüche, die beim Pfeffern aufgesagt wurden, waren von Ort zu Ort unterschiedlich. In einer Ortschaft lautete der Pfeffer-Spruch: "Ich engel und sengel / mit mein Rosmarinstengel. / Hier steht ein Herr als Engel / wie rosenfarbenes Blut, / schmeckt der Pfeffer gut?" Und andernorts sagte man: "Ich bin ein kleiner König, / gebt mir nicht zu wenig, / lasst mich nicht zu lange stehn, / denn ich muss noch weitergehn." Ein dritter überlieferter Pfeffer-Spruch lautet: "Drei Röselein, drei Röselein, / die wachsen auf mein Stengelein. / Der Herr ist schön, / die Frau ist schön, / das Kind ist ein Engelein. / Ein gesundes neues Jahr."

Vier Sternsinger gehen über einen Weg.
Bild: ©Benne Ochs / Kindermissionswerk

Die Sternsinger gehen rund um den Dreikönigstag von Tür zu Tür. Auch dieser Brauch hängt mit dem Pfeffern zusammen.

Neben den guten Wünschen für das bevorstehende Jahr und das Lob auf die Hausbewohner gab es noch andere Sprüche, die mit einer klaren Bitte verbunden waren: "Da komm ich hergeschossn / macht me ja ka Possen. / Gebt me gleich mein Groschen. / Gebt me gleich mein Loh, / dess ich wieder weiter koo." Das Pfeffern war, wie gesagt, ein Heischebrauch und demnach wollte man den guten Segen für das neue Jahr nicht umsonst hergeben. Die kleine Gabe, die sich die Pfefferburschen und -mädchen erbaten, war sozusagen der Lohn für das Aussprechen dieser guten Wünsche.

Deshalb heißt ein anderer Pfefferspruch auch: "Ich pfeffer dich na dein Kittel, / geb mer an Nickel. / Ich pfeffer dich na dein Baa, / geb mer zwaa." Der Besuch bei den Nachbarn und Bekannten sollte sich also auch lohnen: Wer zum Pfeffern kam, der erhielt einen Groschen bzw. einen Nickel. Auch andere Gaben waren für das Pfeffern gefordert, wie ein anderer Spruch zeigt: "Pfeffer, pfeffer Klaps / an Fuchziger oder an Schnaps." Und in anderen Ortschaften war man grundsätzlich für jede milde Gabe offen: "Pfeffer, pfeffer Rütla / gebt me wos nei mein Tütla, / gebt me wos nei mein Sack, / no hau ich wieder ab!"

Zwar ist das Pfeffern heutzutage nur noch in wenigen Orten anzutreffen, aber vieles aus diesem Brauch hat sich bis heute in transformierter Weise erhalten. Zu Silvester verschenkt man häufig einen Glücksklee, also ein grünes Gewächs. Man wünscht sich zum Jahreswechsel alles Gute und ein gesundes neues Jahr. Vielerorts erhält man für diese Wünsche eine kleine Gabe, zum Beispiel einen Schnaps oder eine Süßigkeit. Und selbst die als Dreikönige verkleideten Sternsinger bringen ihre Segenswünsche nicht umsonst – wenngleich die milde Gabe, die sie erhalten, Kindern in Not zugutekommt. So leben alte Bräuche weiter, manchmal verändert, aber in ihrer Grundstruktur doch ewig gleichbleibend.

Von Fabian Brand