Bunte Demos reichen nicht gegen Rechtsextremismus
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Genau heute vor einem Jahr veröffentlichte das Mediennetzwerk Correctiv seine Recherche über ein Geheimtreffen von Rechtsextremen, Mitgliedern der AfD und Unternehmern, das zwei Monate zuvor nahe Potsdam stattgefunden hatte. Die Berichte über Planungen zu massenhaften Abschiebungen lösten eine bundesweite Welle von Protesten aus. Für einen Moment schien es so, als sei ein Ruck durch die Gesellschaft gegangen. Man sah Menschen auf der Straße, die vorher noch nie an einer Demonstration teilgenommen hatten. Sie hielten bunte Schilder in den Händen, die zu einem solidarischen Zusammenleben und zum Eintreten gegen Rassismus aufriefen. Politiker*innen aller demokratischen Parteien fanden lobende Worte für die Zivilgesellschaft und reihten sich in die Kundgebungen ein.
Und heute, ein Jahr später? Im Nachbarland Österreich steht ein rechtsextremer Politiker, der "Remigration" zum Regierungsprogramm erhoben hat, kurz davor, Kanzler zu werden. In Deutschland überbieten sich Parteien im Wahlkampf in Abschiebeforderungen, bis hin zu der rassistischen Phantasie, Straftäter, die nicht deutscher Abstammung sind, auszubürgern. Lähmung und Hoffnungslosigkeit machen sich unter denen breit, die sich auf den Großkundgebungen und Demonstrationszügen noch so gut gefühlt hatten. Schon damals gab es allerdings Stimmen, die warnten: Bunte Demos zum Wohlfühlen reichten nicht und auf das Gerede von "Brandmauern" sei kein Verlass.
Was jetzt wirklich helfen könnte? Ich denke an die immer noch große Gestaltungsmacht der christlichen Kirchen. Sie besteht vielleicht weniger darin, dass auf ihre Appelle zu mehr Mitmenschlichkeit gehört wird, aber sie kann sich zum Beispiel sehr wirksam darin ausdrücken, wenn eine Gemeinde ihre Räume nichtkirchlichen Initiativen zur Verfügung stellt, die sich gegen Rassismus einsetzen. Kirchliche Gestaltungsmacht zeigt sich in Zeiten, in denen inhumane Politik mehrheitsfähig zu werden scheint, auch in einer starken Caritas und Diakonie mit ihren verlässlichen Strukturen der Humanität. Jeder Cent, der dort zusätzlich investiert wird, stärkt Menschen, die zunehmend politisch ausgegrenzt und zu Opfer gemacht werden.
Der Autor
Burkhard Hose ist Hochschulpfarrer in Würzburg.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.