Manchmal öffnet sich der Himmel
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"Du musst die Hände falten. Guck so", sagt Emma zu mir und schaut mich mit großen Augen an. Sie ist acht Jahre alt und wir befinden uns in einer Kirche. Gerade haben wir mit anderen Kindern zusammen Gottesdienst gefeiert. Die halten sich mittlerweile vor der Kirche auf und spielen. Emma, ihren Namen habe ich geändert, hat in diesem Gottesdienst sehr gestört. Sie sang vor sich hin, immer lauter. Ganz ehrlich: Ich war ziemlich genervt. Danach frage ich: "Emma, verrätst du mir, wieso du die ganze Zeit gesungen und nicht zugehört hast?" Sie schüttelt den Kopf. "Ich habe wohl zugehört", entgegnet sie mir. "Der Priester hat gesagt, wir sollen an die Menschen denken, die wir vermissen. Ich vermisse meinen Bruder und für den habe ich gesungen und gebetet." Ich bin erstaunt und zugleich tief gerührt.
Emma ist beim heutigen Sonntagsevangelium in guter Gesellschaft. Auch Jesus betet. Der Verfasser des Lukasevangeliums erzählt, wie Jesus bei seiner Taufe betet. Fast beiläufig wird es erwähnt. Nach seiner Taufe beginnt für den dreißigjährigen Jesus sein öffentliches Wirken. Also ein entscheidender Moment. Die Haltung in solchen Momenten zu beten, wird sich auch weiter durch sein Leben ziehen. Oft zieht er sich dazu zurück. Immer spricht er dabei mit Gott.
Wann habe ich zuletzt ein richtiges tiefes Gespräch mit ihm geführt? Gott anvertraut, was mich wirklich bewegt oder vor wichtigen Entscheidungen ihm einfach erzählt, wie es mir geht und was gerade herausfordernd ist. Als Jesus genau das tut, bei seiner Taufe, sieht er, wie sich der Himmel für ihn öffnet. Und er bekommt von Gott die Zusage: Du bist geliebt.
Als Emma an diesem Nachmittag in der Kirche betet, geschieht etwas ähnliches. Gewissermaßen steht auch hier der Himmel offen. Offen, nur für Emma und für das, was sie zutiefst bedrückt. Emma ist adoptiert und hat einiges in ihrer Vergangenheit durchgemacht. Genauer möchte ich hier nicht darauf eingehen. Sie erzählt mir von ihrem kleinen Bruder. Er darf, wie sie, nicht bei ihrer Mutter bleiben. "Sollen wir gemeinsam für ihn eine Kerze anzünden und beten?", frage ich sie. Sie nickt begeistert. Dann erklärt sie mir, wie ich die Hände falten muss zum Beten. Sie spricht mit Gott, vertraut ihm alles an, was sie beschäftigt, und betet für ihren kleinen Bruder. "Ich hab ihn lieb", murmelt sie. Das Gebet ändert weder seine noch ihre komplizierte Situation. Doch danach ist sie erleichtert.
In der nächsten Situation, die mir schwerfällt, möchte ich mir Emma als Beispiel nehmen. Mich Gott in einem Gebet anvertrauen und mich daran erinnern: Es gibt immer jemanden, der mich liebhat und der für mich sein Ohr und sogar den Himmel öffnet.
Evangelium nach Lukas (Lk 3,15–16.21–22)
In jener Zeit war das Volk voll Erwartung und alle überlegten im Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei.
Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Es geschah aber, dass sich zusammen mit dem ganzen Volk auch Jesus taufen ließ. Und während er betete, öffnete sich der Himmel und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.
Die Autorin
Luisa Maurer arbeitet als Pastoralreferentin im Bistum Trier und ist Rundfunkbeauftragte des Bistums für den Saarländischen Rundfunk und das Deutschlandradio.
Ausgelegt!
Als Vorbereitung auf die Sonntagsmesse oder als anschließender Impuls: Unser Format "Ausgelegt!" versorgt Sie mit dem jeweiligen Evangelium und Denkanstößen von ausgewählten Theologen.