Überraschung hinter Kirchenmauern
Mit "fabelhaft" wird das Hotel "Dream" in der Europäischen Kulturhauptstadt Mons in einem Online-Bewertungsportal ausgezeichnet: stilvoll eingerichtete Zimmer, A-la-carte-Restaurant und ein Fitnesscenter. Das Bistro "Mea Culpa" bietet kleine Snacks, von den Zimmern öffnet sich durch Spitzbogen der Blick auf den Belfried, das Wahrzeichen der Stadt. Bis auf die Fassade und die gotischen Fenster ist fast nichts mehr übrig von der einstigen Kapelle.
Um ein Haar wäre die Brüsseler Kirche Sainte-Catherine zur Markthalle verkommen. Architektonisch nicht herausragend, wenngleich denkmalgeschützt, kam der Bau im Stadtzentrum mit seinen Elementen aus Neugotik und Neo-Renaissance angesichts einer anstehenden teuren Renovierung als Obst- und Gemüsemarkt ins Gespräch. Doch Mitte 2014 die Wende: Vier jungen Priestern ist dort Gottesdienst und Seelsorge anvertraut - Sainte-Catherine bleibt Sakralraum.
Auch Italiener benötigen nicht zwingend jede Kirche zum Beten. Zu den bekanntesten Beispielen zählt San Pancrazio in Florenz - aber diese Umwidmung ist, wie die meisten in Italien, nicht einem jüngeren Gläubigenschwund geschuldet, sondern liegt schon Generationen zurück: 1808 hatte man das mittelalterliche Gotteshaus noch einmal nach dem neoklassischen Zeitgeschmack aufgehübscht. Doch kurz darauf gab es keine geistliche Verwendung mehr für die kleine Kirche in der Altstadt.
Erst zog die Lottozentrale ein, dann ein Gericht, schließlich eine Tabak-Manufaktur; letzterer verdankt sich der Einbau stählerner Träger im Dachgeschoss, die den christlichen Bau um industrielle Formen ergänzen. Inzwischen beherbergt San Pancrazio das Museum Marino Marini (1901-1980). Der monastisch-strenge Raum entspricht aufs Schönste den teils archaisch anmutenden Plastiken Marinis - ein echter Musentempel.
Petition "Fass meine Kirche nicht an"
Umnutzung ja - aber bitte keine Moscheen. Frankreichs konservativer Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy hatte kürzlich die Petition "Fass meine Kirche nicht an" gegen eine Übernahme christlicher Gotteshäuser durch Muslime unterzeichnet. 67 Prozent der Franzosen stimmten nach einer Umfrage Sarkozy zu. Der Präsident des französischen Islamrates, Dalil Boubakeur, hatte zuvor in einem Interview die Weiterverwendung von Kirchen thematisiert. Bisher gebe es lediglich 2.200 Moscheen für rund fünf Millionen Muslime im Land; das sei nicht genug.
In den Niederlanden boomt das Geschäft mit der Säkularisierung - Einrichtungsgegenstände aus Gotteshäusern werden in die Dominikanische Republik, nach Indonesien oder den Kongo verschifft. Und die "toten Kirchen", wie die Niederländer sie nennen, über Internet-Portale mit der Bezeichnung "koop of verkoop van kerken en kloosters" angeboten. Das Kulturministerium hat Richtlinien erarbeitet, wie bei der Umwidmung aufgelassener Kirchen vorgegangen werden soll.
So geschehen bei der Jakobuskerk in Utrecht. Seit 1991 wurden dort keine Gottesdienste mehr abgehalten; zuletzt diente die Kirche als Showroom für antike Möbel oder als Konzertraum. Die Glasfenster und alten Türen wurden aufgearbeitet, ein Wohnbereich entstand frei im Raum.
Prominent ist das frühere Dominikanerkloster von Maastricht. Die vielleicht "schönste Buchhandlung der Welt" erfreut sich einer großen Besucherschar, die dort schmökern und unter jahrhundertealten Fresken Kaffee trinken kann. Der Denkmalschutz hat dafür gesorgt, dass alle Einbauten wie Treppen, Galerien und Regale leicht wieder zu entfernen sind.
Selbst vor Rom hat der Geist der Säkularisierung nicht haltgemacht
Selbst vor Rom, der Hauptstadt des Katholizismus, hat der Geist der Säkularisierung nicht haltgemacht. In Santa Maria della Clemenza in Trastevere, wo einst die "Erzbruderschaft vom Allerheiligsten Sakrament" ihren Sitz hatte, wird jetzt Dionysos gehuldigt: Ein Restaurant ist in die Gewölbe eingezogen, "La Canonica".
Andere römische Kirchen wurden zu Wohnungen in begehrter Altstadtlage, zu einer Edelboutique für Lederwaren, Sitz des Roten Kreuzes oder kommunales Konferenz- und Ausstellungszentrum. Doch das bleiben Einzelfälle. Die letzten nennenswerten Profanierungen in Rom gab es in den 60er und 70er Jahren, wie es in der Bistumsverwaltung heißt. Die rund 340 Pfarrkirchen und Hunderte weitere Gotteshäuser und Kapellen dienen dem Gebet; die Frage einer Umnutzung wie in nördlichen Nachbarländern stellt sich nach Kirchenangaben nicht. Notfalls, so ein Mitarbeiter, schließe man einfach die Tür zu.