Neuer Weltverfolgungsindex von "Open Doors" veröffentlicht

Studie: 380 Millionen Christen weltweit verfolgt – Tausende getötet

Veröffentlicht am 15.01.2025 um 09:22 Uhr – Lesedauer: 

Kelkheim ‐ Es ist eine Rangliste des Schreckens: Weltweit seien 380 Millionen Christen einem hohen bis extremen Maß an Verfolgung ausgesetzt, heißt es im neuen Weltverfolgungsindex von "Open Doors". Wo es demnach besonders schlimm ist.

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Getötet, bedroht, gewaltsam vertrieben: Millionen Christen weltweit sind laut dem neuen Weltverfolgungsindex auch im vergangenen Jahr Opfer von Verfolgung durch Staaten und radikale religiöse Gruppierungen geworden. Wie das den Freikirchen nahe stehende Hilfswerk "Open Doors" am Mittwoch im hessischen Kelkheim mitteilte, waren im Zeitraum zwischen Oktober 2023 und September 2024 rund 380 Millionen Christen weltweit wegen ihres Glaubens mindestens in hohem Maße Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Im Jahr zuvor hatte das Hilfswerk von 365 Millionen Betroffenen gesprochen.

4.476 Christen wegen ihres Glaubens getötet

4.476 Christen weltweit wurden laut Weltverfolgungsindex in Zusammenhang mit der Ausübung ihres Glaubens getötet; im Jahr zuvor waren es über 500 mehr. Angriffe auf Häuser von Christen nahmen von 21.431 im Vorjahreszeitraum auf 28.368 erneut deutlich zu. Rund 16 Millionen Christen in Subsahara-Afrika wurden aufgrund von Gewalt und Konflikten gewaltsam vertrieben – gegenüber 16,2 Millionen im Jahr zuvor.

Der Weltverfolgungsindex listet die 50 Länder auf, in denen Christen weltweit am härtesten wegen ihres Glaubens verfolgt und diskriminiert werden. Auf Rang eins liegt nach wie vor Nordkorea, gefolgt von Somalia, dem Jemen, Libyen, Sudan, Eritrea, Nigeria, Pakistan, Iran und Afghanistan. Das bevölkerungsreichste Land Indien belegt wie im Vorjahr Rang 11, China hat sich von Rang 19 auf 15 verschlechtert.

Die deutlichste Verschlechterung ihrer Lage erleiden laut "Open Doors" Christen im zentralasiatischen Kirgisistan, das erstmals in die Negativliste (Rang 47) kam. Zu den größten Herausforderungen für Christen zählt wie schon im Vorjahr ein hohes Maß tödlicher Gewalt in weiten Teilen des afrikanischen Kontinents. Neben Nigeria ist der Tschad (Rang 49) erstmals in der Negativliste vertreten. Dort sei die Bevölkerung zunehmend von islamischem Extremismus und der Bedrohung durch radikale Gruppen wie Boko Haram betroffen, heißt es. Es gebe Entführungen und Zwangsvertreibungen von Christen.

Erdogan bei Papst Franziskus
Bild: ©picture alliance/AP Images/Kayhan Ozer (Archivbild)

Die Lage der Christen in der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich verdunkelt.

Auch die Lage der Christen in der Türkei hat sich verdunkelt: Das Land rutschte von Rang 50 auf Rang 45. Unter Präsident Recep Tayyip Erdogan sei religiöser Nationalismus zu einer prägenden Kraft innerhalb der islamischen Gesellschaft geworden, heißt es. Wer kein Muslim sei oder sich sogar vom Islam abgewandt habe oder wer einen abweichenden Glauben offen praktiziere, werde nicht als loyaler Türke betrachtet. Christen und christliche Kirchen seien immer wieder verbaler und auch tätlicher Gewalt ausgesetzt; im aktuellen Berichtszeitraum wurden zwei Christen getötet.

Markus Rode, Leiter von "Open Doors" Deutschland, sieht trotz deutlich zunehmender Verfolgung auch Zeichen der Hoffnung. Nach seinen Worten finden immer mehr Hindus, Muslime und Buddhisten neue Hoffnung im christlichen Glauben, auch wenn sie deshalb massiv von ihren eigenen Familien, religiösen Extremisten und autokratischen Regierungen verfolgt würden. Er appellierte an demokratische Regierungen und die freien Medien, auf das Unrecht aufmerksam zu machen.

Das 1955 gegründete Hilfswerk untersucht jedes Jahr das Ausmaß an Gewalt, staatlicher Unterdrückung sowie gesellschaftlicher und behördlicher Feindseligkeit gegenüber Christen in rund 100 Ländern. Die Daten dafür liefern kirchliche Netzwerke, regionale Menschenrechtsanwälte, Analysten sowie Experten von "Open Doors" International.

Datenerhebung umstritten

Das Hilfswerk spricht von Verfolgung und Diskriminierung von Christen, wenn ihr Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit verletzt und/oder nicht geschützt wird oder ihnen das Recht verweigert wird, ihren Glauben auszuüben. Diese Definition beinhaltet unter anderem Diskriminierung, Einschüchterung, Ächtung, sexuellen Missbrauch und Gewalt bis hin zur ethnischen Säuberung und Völkermord.

Die Zahlen von "Open Doors" sind wegen dieser weiten Definition umstritten. Oft gibt es Verbindungen zwischen sozialen, politischen und religiösen Gegensätzen. Die beiden großen Kirchen verzichten darauf, konkrete Zahlen zu nennen. (KNA)