Bozen-Brixen legt als erste italienische Diözese Missbrauchsstudie vor
Als erstes italienisches Bistum hat die Diözese Bozen-Brixen einen Missbrauchsbericht vorgelegt. Die Münchner Kanzlei Westpfahl-Spilker-Wastl (WSW) präsentierte am Montag die Ergebnisse ihres Untersuchungsberichts "Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker im Bereich der Diözese Bozen-Brixen von 1964 bis 2023". Die Kanzlei hatte bereits Untersuchungen im Auftrag des Erzbistums München und Freising und weiterer deutscher Bistümer erarbeitet. Die Südtiroler Diözese sei die einzige der über 200 Bistümer Italiens, die bislang "den schmerzhaften Weg der Aufklärung" gegangen sei, betonte Rechtsanwalt Ulrich Wastl. Er lobte die gute Zusammenarbeit, Lernbereitschaft und Fehlerkultur der Bistumsleitung.
Aus den rund 1.000 gesichteten Personalakten ergaben sich laut dem Bericht 67 Hinweise auf Sachverhalte mit möglichen sexuellen Übergriffen, von denen 59 Personen betroffen seien. 16 Fälle seien ungeklärt. Insgesamt werden 41 Priester beschuldigt – bei 29 Priestern träfen die Vorwürfe entweder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit oder nachweisbar zu, bei 12 weiteren konnten die Vorwürfe nicht ausreichend beurteilt werden. Manchen Priestern werden mehrere Taten vorgeworfen.
Bei 24 Fällen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker hätten Verantwortliche im Bistum teilweise über Jahre hinweg fehlerhaft oder zumindest unangemessen gehandelt. Wastl nannte den Fall eines Priesters, der seit den 1960er-Jahren kleine Mädchen "begrapscht" und missbraucht habe, aber jahrzehntelang von einer Gemeinde in die nächste versetzt worden sei. Erst 2010 habe man "den Mut gehabt", ihn aus der Seelsorge zu entfernen.
Über die Hälfte der Betroffenen weiblich
Als Besonderheit nennen die Berichterstatter, dass mehr als 51 Prozent der Betroffenen weiblich waren und nur 18 Prozent eindeutig dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden konnten. Dagegen habe bei Untersuchungen etwa in deutschen Diözesen die Zahl der männlichen Betroffenen bei weitem überwogen. Nach der rund 90-minütigen Pressekonferenz erhielten Bischof Ivo Muser und Generalvikar Eugen Runggaldier die beiden je rund 600 Seiten umfassenden Bände auf Deutsch und Italienisch, den vorherrschenden Sprachen in dem Südtiroler Bistum.
Muser äußerte anschließend in einer kurzen Stellungnahme Scham über die berichteten Missbrauchsfälle und den Umgang der Kirche mit ihnen. Gerade im Gespräch mit Betroffenen habe er viel über die zerstörerische Kraft von Missbrauch gelernt. Den jetzt beschrittenen Weg wolle das Bistum weitergehen. Die Kirche müsse immer mehr zu einem sicheren Raum für Kinder, Jugendliche und andere Menschen werden, "die besonders unsere Aufmerksamkeit, unsere Sensibilität und unseren Respekt brauchen", so der Bischof. Er kündigte für Freitag eine Pressekonferenz an, nachdem er den Bericht gelesen haben werde. (KNA)