Emeritierung des Wiener Erzbischofs steht bevor

Kardinal und Krisenmanager: Christoph Schönborn wird 80

Veröffentlicht am 22.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Andreas Gutenbrunner – Lesedauer: 

Wien ‐ Jahrzehntelang prägte er die Kirche in Österreich und spielte auch auf weltkirchlicher Ebene eine tragende Rolle. Nun wird der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn 80 Jahre alt – und darf nun wohl aus seinem Amt scheiden.

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"Ich liebe die Kirche. Ich verdanke ihr so unglaublich viel in meinem langen Leben, ich habe so viel gewonnen durch sie – und dass sie Fehler hat, das sehe ich an mir selber." Der Satz aus einem TV-Interview ist typisch für den Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Seit mehr als drei Jahrzehnten prägt der Theologe und Dominikaner die katholische Kirche in Österreich und zählt zu den profiliertesten Vertretern der Weltkirche. Am 22. Januar wird er 80 Jahre alt.

"Vorläufig und auf unbestimmte Zeit" hat der Papst Schönborns Amtszeit zu dessen 75. Geburtstag verlängert, so wie Franziskus es gerne tut bei Bischöfen, die er schätzt. Seit Beginn des Pontifikats hatte Schönborn eine wichtige Rolle als Vermittler und theologischer Interpret der Anliegen von Franziskus – in Fragen der Synodalität genauso wie im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen.

Katholischer "Schrittmacher"

Eine Aufgabe, die der Kardinal auch bei den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. erfüllte. Als katholischen "Schrittmacher" über drei Pontifikate hinweg beschrieb ihn der Vatikanjournalist John Allen. Schon unter Johannes Paul II. hielt Wiens Erzbischof 1996 die Fastenexerzitien für Papst und Römische Kurie. Bei den Papstwahlen 2005 und 2013 wurde er selbst als möglicher Kandidat gehandelt.

Österreichs größte Diözese leitet der Dominikaner seit 1995; er übernahm sie mitten im Sturm des Missbrauchsskandals um seinen Vorgänger Hans Hermann Groer. Es folgten harte Jahre, in denen Schönborn die auch durch vorherige Bischofsernennungen zerstrittene Ortskirche in ruhigere Gewässer führte. 1998 zum Kardinal erhoben, warb er als Hirte und Krisenmanager auf vielen Ebenen um neues Vertrauen.

Als 2010 weitere Fälle von Missbrauch bekannt wurden und die Kirche erschütterten, setzte sich Schönborn als Bischofskonferenz-Vorsitzender entschieden für umfassende Aufklärung und Prävention ein. Dabei scheute er selbst Konflikte mit der Kurie nicht. Das von ihm initiierte Modell mit klaren Richtlinien und einer unabhängigen Kommission fand international Beachtung, ebenso sein Zugehen auf Opfer kirchlicher Gewalt, etwa im TV-Gespräch mit der Theologin Doris Wagner 2019.

Bild: ©KNA/Cristian Gennari/Agenzia Romano Siciliani (Archivbild)

Kardinal Christoph Schönborn bei der Vorstellung des nachsynodalen Schreibens "Amoris laetitia" von Papst Franziskus. Seit Beginn dessen Pontifikats hatte Schönborn eine wichtige Rolle als Vermittler und theologischer Interpret der Anliegen von Franziskus.

Ins Scheinwerferlicht rückte Schönborn in Österreich mit Themen wie den Stadtmissions-Initiativen und dem Mitteleuropäischen Katholikentag, in Debatten um das Verhältnis von Glaube und Wissenschaft oder während der Corona-Krise. 2007 konnte er Benedikt XVI., mit dem er seit Studienzeiten eng verbunden war, zu einem Österreich-Besuch begrüßen – ein Höhepunkt in Schönborns Amtszeit. Inzwischen ist er der weltweit dienstälteste Kardinal, der noch eine Diözese leitet.

In Wien war Schönborn ab 1991 Weihbischof. Zuvor hatte Johannes Paul II. den damals in Fribourg lehrenden Dogmatikprofessor 1987 zum Redaktionssekretär des Weltkatechismus bestellt. Diese Arbeit unter der Leitung von Glaubenspräfekt Ratzinger bezeichnete Schönborn später als die "vielleicht intensivste meines Lebens". Losgelassen hat ihn die Leidenschaft für den Glaubensschatz nie. Auf seine Initiative erschien auch der Jugendkatechismus "Youcat" – heute eines der meistverkauften katholischen Bücher.

Von Volks- zu "Entscheidungskirche"

Unübersehbare Veränderungen in Kirche und Gesellschaft und die Herausforderungen der Säkularisierung begleiteten Schönborns Amtszeit. Schon vor Jahren sprach er vom Weg der Volkskirche hin zu einer "Entscheidungskirche überzeugter Christen". Sein Pastoralkonzept ist geprägt vom Versuch spiritueller Erneuerung – und von der Überzeugung, dass Christen wieder Mission leben sollen. Seine wöchentlichen geistlichen und gesellschaftspolitischen Kommentare in zwei großen Tageszeitungen dürften die meistgelesenen "Predigten" Österreichs sein. Auch auf Social Media ist der Kardinal stark präsent.

Schönborn, der die Katholiken stets an ihre jüdischen Wurzeln erinnert, agierte im christlich-jüdischen Dialog auch auf globaler Ebene. Im Gespräch mit dem Islam erregte 2001 sein Iran-Besuch Aufsehen. Im Vatikan gehörte Schönborn etlichen Behörden an und war lange Mitglied des Synodenrats. An neun Weltbischofssynoden nahm er teil – mit jener über die Familie als Höhepunkt. Auf Wunsch von Franziskus stellte er 2016 dessen Schreiben "Amoris laetitia" der Weltpresse vor.

In Rom wird Schönborn auch künftig präsent sein. Seit einem Jahrzehnt gehört er der Kardinalskommission der Vatikanbank an. Erst Mitte Oktober ernannte der Papst den Wiener Kardinal zum Präsidenten des Aufsichtsgremiums.

Von Andreas Gutenbrunner

Hinweis

Der Autor ist Redakteur der österreichischen KNA-Partneragentur Kathpress.