Ein silberner "Sensationsfund" zieht Neugierige ins Museum
So klein wie eine Schachtel Streichhölzer ist das wertvolle Exponat, das seit Ende 2024 dem Archäologischen Museum Frankfurt Aufmerksamkeit beschert: Die am 18. Dezember erstmals öffentlich ausgestellte Frankfurter Silber-Inschrift zieht zahlreiche Gäste ins Museum. Mehr als 10.000 Besucher begrüßte das Museum in den ersten vier Wochen, wie ein Sprecher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte.
Die etwa 1.800 Jahre alte Inschrift ist nach Darstellung des Frankfurter Oberbürgermeisters Mike Josef (SPD) der bislang älteste Nachweis für christliches Leben nördlich der Alpen. Experten teilen diese Einschätzung. Es sei davon auszugehen, dass die Schrift zu den ältesten lateinischen Übersetzungen einer Schrift des Neuen Testaments gehöre, sagte der Archäologe Markus Scholz im Januar dem Deutschlandfunk. Auch neue Erkenntnisse über die Verbreitung der Bibel seien möglich. "Das wird noch Diskussionsgegenstand der Theologie, wahrscheinlich über längere Zeit sein." Zwar sind laut Scholz magische Beschwörungen damals bereits bekannt gewesen, aber die Verwendung von Edelmetallen stand noch am Anfang. Daher zähle die Silber-Rolle auch "zu den ältesten Beispielen überhaupt für diese Praxis", erläuterte Scholz, der Professor an der Goethe-Universität in Frankfurt ist.
"Jede Zunge bekenne sich (zu Jesus Christus)"
Das Grab auf einem römischen Friedhof vor den Toren Frankfurts, in dem das Amulett mit der Folie entdeckt wurde, wird auf Mitte des dritten Jahrhunderts nach Christi Geburt datiert. Das Skelett des Mannes wurde dabei im Grab mit der Nummer 134 aufgefunden und die kleine Silber-Rolle nach ihrer Entdeckung im Jahr 2018 jahrelang erforscht. Erst im vergangenen Dezember wurde ihre Existenz öffentlich gemacht. "Jede Zunge bekenne sich (zu Jesus Christus)", lautet das Ende der 18-zeiligen Silber-Inschrift. Aus Sicht der Wissenschaft sei noch unklar, ob die Menschen damals bereits über christliche Textvorlagen verfügten, so Scholz.
Die Person, welche das Schutzamulett getragen hatte, könnte eine höherstehende Person gewesen sein. "Das musste man sich erstmal leisten können", so Scholz im Radio. Der Träger des Amuletts sei eher keine arme Person gewesen. Bei der verstorbenen Person habe es sich nach Einschätzung beteiligter Wissenschaftler um einen Mann gehandelt, der 35 bis 40 Jahre alt geworden sei. Unter seinem Kinn entdeckten die Experten das Amulett. Anhand der Grabbeigaben wie einem Krug aus gebranntem Ton konnte seine Bestattung bis auf wenige Jahrzehnte eingegrenzt werden. Die hauchdünne Silber-Inschrift überdauerte die Jahrhunderte, weil sie in einem Silber-Amulett vor Zerstörung geschützt war. Die wissenschaftliche Auswertung der Bedeutung des Fundes durch Experten für das frühe Christentum oder Theologen stehe dabei erst am Anfang – so gleichlautende Einschätzungen nach der Präsentation des Fundes.
Kirchliche wie universitäre Gruppen melden nun Besuche im Archäologischen Museum Frankfurt an; sie wollen dort die Inschrift im Original sehen. Und nicht nur Experten zeigen Interesse an dem Fundstück. "Gerade vor Weihnachten und zwischen den Jahren waren es spürbar mehr Besucherinnen und Besucher", sagte der Sprecher des Frankfurter Museums der KNA. Es gebe zwar keine statistische Auswertung darüber, wie viele Besucher um den Jahreswechsel speziell wegen dieser Silber-Inschrift gekommen sein, doch seien Mitarbeiter von den Gästen häufig gezielt danach gefragt worden, teilte er mit.
Eine Folge guter Marketingarbeit: "So etwas ist ein Sensationsfund", betonte etwa Frankfurts Oberbürgermeister Josef bei der beeindruckenden Vorstellung mit filmischer Präsentation der Inschrift und anschließenden Experten-Vorträgen. Durch diesen Fund werde man die Geschichte des Christentums in Frankfurt und weit darüber hinaus um rund 50 bis 100 Jahre zurückdrehen müssen, versicherte der Oberbürgermeister.
Dezernentin: Fund wird Wissenschaft noch lange beschäftigen
Gleich an drei Stellen des rund 50 Wörter umfassenden Textes in lateinischer Sprache ist von Jesus Christus die Rede. Für die Entschlüsselung seien modernste Methoden angewandt worden, denn die hauchdünne Folie war durch die lange Zeit im Boden zu brüchig geworden, um sie wieder auszurollen – sie würde auseinanderfallen. "Die Herausforderung in der Analyse bestand darin, dass das Silberblech zwar gerollt, aber nach rund 1800 Jahren natürlich auch zerknickt und gepresst war", berichtete der Laborleiter für bildgebende Verfahren am Leibniz-Zentrum für Archäologie in Mainz, Ivan Calandra, im Rahmen der Präsentation im Dezember. Mit einem Computertomographen wurde die Folie gescannt und ein 3D-Modell erstellt. Dieses fügte Einzelsegmente des Scans virtuell Stück für Stück aneinander, so dass am Ende alle Worte wieder sichtbar wurden.
Inwieweit allerdings der christliche Träger der Silber-Inschrift seinen persönlichen Glauben zur damaligen Zeit aber auch bereits offen praktizieren und bekennen konnte, lässt sich aus Sicht der Wissenschaft nicht feststellen. Nicht ausgeschlossen, dass auch dieses Geheimnis durch weitere Forschungen enthüllt werden kann. Frankfurts Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig: "Dieser außergewöhnliche Fund tangiert viele Forschungsbereiche und wird die Wissenschaft noch lange beschäftigen."