Ein Tagungsband des Päpstlichen Familienrates überrascht mit ungewohnten Thesen zur Verhütung

Natürlich oder künstlich?

Veröffentlicht am 05.08.2015 um 00:01 Uhr – Von Thomas Jansen (KNA) – Lesedauer: 
Familienplanung

Rom ‐ "Familie und Kirche. Eine unauflösliche Verbindung", heißt ein neues Buch, das für Aufsehen in Italien sorgt. Der rund 550 Seiten starke Band enthält Beiträge namhafter Theologen und befasst sich mit verschiedenen Formen der Empfängnisverhütung.

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"Familie und Kirche. Eine unauflösliche Verbindung", heißt das neue Buch, das für Aufsehen in Italien sorgt. Die Tageszeitung "La Repubblica" widmete ihm gleich zwei ausführliche Artikel. "Künstliche Verhütungsmittel nicht immer verboten", lautete eine Schlagzeile. Der rund 550 Seiten starke Tagungsband versteht sich als "interdisziplinärer Beitrag" zur bevorstehenden Weltbischofssynode rund um Ehe und Familie. Er enthält die Redebeiträge namhafter Theologen aus mehreren Ländern von einer Konferenz, die im Januar, Februar und März jeweils für einen Tag in Rom stattfand.

Es könne auch eine Praxis künstlicher Empfängnisverhütung geben, die von einer "dauerhaften und überzeugten Verantwortlichkeit" für die Weitergabe des Lebens geprägt sei, schreibt Maurizio Chiodi, Moraltheologe aus Mailand in dem Tagungsband. Die Kirche dürfe sich gegenüber solchen Methoden keineswegs vorbehaltlos öffnen. Ebenso wenig sollte sie diese jedoch prinzipiell verdammen, fordert der italienische Geistliche. Der einzelne Geschlechtsakt müsse immer in einem größeren Zusammenhang mit der Beziehung eines Ehepaares gesehen werden. Grundlage für seine ethische Beurteilung könne nicht allein die Methode der Empfängnisverhütung sein.

Natürliche Empfängnisverhütung hat Vorbildcharakter

Nach Auffassung des italienischen Theologen hat die natürliche Empfängnisverhütung zwar Vorbildcharakter, weil die Rücksichtnahme auf den Zyklus der Frau den Dialog zwischen den Eheleuten besonders fördere. Doch biete allein die Methode noch keine Gewähr dafür, dass ein solcher Dialog auch stattfinde. So könne auch bei der Anwendung natürlicher Methoden der Verhütung Egoismus im Spiel sein.

Ohne jede Polemik vorgetragen ist das Ganze, 47 Jahre nach dem Verbot künstlicher Empfängnisverhütung in der Enzyklika "Humanae Vitae" durch Papst Paul VI., keineswegs revolutionär - wenn der Beitrag eben nicht in der Vatikanischen Verlagsbuchhandlung erschienen wäre.

Bild: ©picture alliance / abaca

Papst Benedikt XVI. sagte 2010, dass es "begründete Einzelfälle" geben könne, in denen der Gebrauch künstlicher Verhütungsmittel das kleinere Übel darstelle.

Und so sieht sich der Präsident des Päpstlichen Familienrates, Erzbischof Vincenzo Paglia, in seinem Vorwort auch genötigt, darauf hinzuweisen, dass das Buch nicht der Vorbereitung eines offiziellen Dokuments seiner Behörde diene. Man wolle auch keine Entscheidungen vorwegnehmen, für die das Lehramt der katholischen Kirche zuständig sei, so der Erzbischof.

Welche Rolle das Thema künstliche Empfängnisverhütung bei der Bischofssynode im Oktober haben wird, bleibt unterdessen abzuwarten. Auffällig war, dass es bei der Synode im vergangenen Jahr kaum in Erscheinung trat - obwohl es wie auch jetzt im Arbeitspapier für das Treffen angesprochen wird.

Verhütungsmittel in "begründeten Einzelfällen" das kleinere Übel?

Als erste vorsichtige Öffnung in dieser Frage werteten Beobachter 2010 eine Äußerung von Papst Benedikt XVI. In seinem Interview-Buch "Licht der Welt" mit dem deutschen Journalisten Peter Seewald äußerte er, dass es "begründete Einzelfälle" geben könne, in denen der Gebrauch künstlicher Verhütungsmittel das kleinere Übel darstelle. Er bezog sich damit offenbar auf die Aidsprävention. Als Beispiel nannte er die Benutzung von Kondomen durch Prostituierte.

Papst Franziskus hat sich bislang nicht direkt zum Verbot künstlicher Empfängnisverhütung geäußert. Er hat die Enzyklika "Humanae vitae" allerdings mehrfach gelobt. Und zumindest indirekt hat er die offizielle kirchliche Lehre verteidigt: Seine berühmte Aussage, gute Katholiken müssten sich nicht wie Kaninchen vermehren, ergibt nur dann einen Sinn, wenn man annimmt, dass er am Verbot künstlicher Verhütung festhält. Spätestens während seiner Afrika-Reise im November wird jedoch vermutlich auch Franziskus Klartext reden müssen.

Linktipp: Planen statt verhüten

Manch einer hat die Bücher noch im Regal - oder in einer Kiste auf dem Dachboden: Bücher zur "Natürlichen Familienplanung" (NFP), die einem wohlmeinende Großeltern geschenkt haben. Denn diese Praxis entspricht der Lehre der katholischen Kirche, die in Sachen Sexualität sehr eindeutig ist: künstliche Verhütung ist verboten. Die NFP ist hingegen erlaubt und viele Bistümer bieten dazu Informationen an.
Von Thomas Jansen (KNA)