Doch kein Sensationsfund? Bedeutung von Inschrift laut Experten unklar
Rund zwei Monate nach der Präsentation der sogenannten Frankfurter Silber-Inschrift äußern Wissenschaftler Zweifel an ihrer Bedeutung. "Spekulationen darüber, ob und wie der Träger des Amuletts von Nida ein Bekenntnis zum Christentum verstanden und gelebt hat, sind aufgrund des quasi interreligiösen Charakters von Amuletten schwierig", schreiben der Kirchenhistoriker Christoph Markschies und der Judaist Peter Schäfer in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag). Bisherige Deutungen berücksichtigten unter anderem zu wenig, dass es sich bei dem Fund um ein Amulett handele, dessen kaum entzifferbare Schrift auf dem gefalteten Text im Behälter für damalige Träger kaum lesbar gewesen sei.
Die Inschrift ist nach Darstellung des Frankfurter Oberbürgermeisters Mike Josef (SPD) der bislang älteste Nachweis für christliches Leben nördlich der Alpen. Das antike Nida gilt als Vorgängerin der heutigen Stadt. Als einen "Sensationsfund" bezeichnete Josef die Inschrift bei der Vorstellung Ende 2024 vor Journalisten in Frankfurt. Die hauchdünne Silber-Inschrift überdauerte die Jahrhunderte, weil sie in einem Silber-Amulett vor Zerstörung geschützt war.
Fund war jahrelang eine Geheimsache
Das Grab auf einem römischen Friedhof vor den Toren Frankfurts, in dem das Amulett mit der Folie entdeckt wurde, wird auf Mitte des dritten Jahrhunderts nach Christi Geburt datiert. Die rund 1.800 Jahre alte Silber-Rolle wurde nach der Entdeckung im Jahr 2018 erforscht, ihre Existenz im Dezember öffentlich gemacht.

Der Kirchenhistoriker Christoph Markschies (Foto) und der Judaist Peter Schäfer hinterfragen die Theorie der Frankfurter Silber-Inschrift als ältestes Zeugnis christlichen Lebens nördlich der Alpen. "Ist das aber mehr als eine schöne Hypothese?"
Es sei davon auszugehen, dass sie zu den ältesten lateinischen Übersetzungen einer Schrift des Neuen Testaments gehöre, sagte der Archäologe Markus Scholz im Januar dem Deutschlandfunk. "Jede Zunge bekenne sich (zu Jesus Christus)", lautet das Ende der 18-zeiligen Silber-Inschrift.
Das Amulett sei noch nicht ausführlich wissenschaftlich publiziert, eine vorläufige Übersetzung des Textes durch Scholz diene vielen als Basis eines "Hypothesenturms", schreiben nun Markschies und Schäfer. Die Theorie vom ersten Zeugnis christlichen Lebens hierzulande hinterfragen sie: "Ist das aber mehr als eine schöne Hypothese?"
Experten mahnen zu Vorsicht bei Zuordnung
Religionsgeschichtliche Aspekte lassen aus ihrer Sicht Zweifel daran zu. Etwa sei der Name Jesus auch in jüdischen Texten beliebt gewesen. "So verständlich es ist, dass jeder neue Fund von Forschung und Öffentlichkeit begeistert begrüßt wird, so vorsichtig muss man mit eindeutigen Zuordnungen sein", betonen die Autoren.
Markschies lehrt Ältere Kirchengeschichte in Berlin und ist Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Schäfer lehrte Judaistik in Berlin sowie Princeton und leitete das Jüdische Museum Berlin. (KNA)