Jesu Krisenausrüstung: Hunger, Ehrfurcht und Einsicht

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Wir stehen unter dem Eindruck der Nachrichten dieser Tage: Gedemütigte Staatschefs, jubelnde Nationalisten, und Angehörige von Gewaltopfern, die flehen, dass aus ihren Toten kein politisches Kapital geschlagen werde. Die Dinge scheinen aus der Hand zu gleiten und gleichzeitig zieht sich die Faust immer fester zu. Irgendwie versuchen wir irgendetwas im Griff zu behalten: Sondervermögen und Brandmauern gegen die Angst. Wir schauen gebannt auf den Nachrichtenstrom in unserem Smartphone und – nicht wenige – erstarren.
Da kommt der Teufel im Evangelium dieses Ersten Fastensonntags doch ganz recht. Er befreit aus der Starre mit einfachen, klaren Lösungen: Iss Steine, dann spürst du den Hunger nicht. Unterwirf dich den Stärkeren, dann kannst du dir die Schwächeren unterwerfen. Und schlussendlich: Unterwirf dir Gott und mach, was du willst.
Jesus begegnet diesem Teufel in der Wüste, in der Stille, jenseits des Lärms. Kompromisslos stellt sich Jesus ihm entgegen. Seine Waffen? Hunger. Ein Hunger nach Gerechtigkeit, den er sich weigert zu betäuben. Ehrfurcht. Eine Ehrfurcht, die Gott allein gilt und durch Gott bedingungslos jedem Menschen. Und Vernunft. Eine Vernunft, die hinschaut, wahrnimmt, einsieht – und so urteilsfähig bleibt inmitten der Meinungen.
Ich stelle mir vor, diese christliche Krisenausrüstung anzulegen: Hunger, Ehrfurcht und Einsicht. Wie wäre das, wenn ich hungrig bliebe und den Hunger Tag für Tag spürte. Wenn ich mich ehrfürchtig in die Welt stellte, staunend gar. Wenn ich wahrnehmend abwartete, bis sich ein Urteil in mir formt – verbunden mit der Wirklichkeit und nicht mit dem lautesten Gebrüll. Dann fühlte ich mich, ehrlich, verwundbar und erlebte meine Ohnmacht. Und gleichzeitig liegt in dieser Haltung etwas, das mir Leben verspricht und Sinn und – vielleicht – einen echten Frieden überhaupt erst ermöglicht.
Von dem Soziologen Hartmut Rosa stammt der Begriff der "Unverfügbarkeit". Sie beschreibt eine Haltung, die es wagt, einen Schritt zurückzutreten. So entsteht Resonanz: ein innere Verbindung mit der Welt, mit Gott und meinem Gegenüber. In seinem Schlusswort in dem Buch "Unverfügbarkeit" resümiert Rosa:
"Vielleicht kann [dieses Buch] erklären helfen, woher all der Frust und der Zorn auf das Leben und die Gesellschaft und die Verzweiflung über eine Welt resultieren mögen, die uns doch in historisch bespiellosem Maße offen und zur Verfügung steht. Sie haben ihre Ursache nicht in dem, was uns immer noch verwehrt ist, sondern in dem, was wir verloren haben, weil wir über es verfügen und herrschen." (Rosa, H. (2019). Unverfügbarkeit (2. Aufl.). Wien ; Salzburg: Residenz Verlag. Schluss)
Bei aller Härte der darin anklingenden Realitäten – vielleicht kann das ein Fastenvorsatz sein in dieser Zeit: Die Unverfügbarkeit leben und etwas Verlorenes darin wiederfinden.
Evangelium nach Lukas (Lk 4, 1–13)
In jener Zeit kehrte Jesus, erfüllt vom Heiligen Geist, vom Jordan zurück.
Er wurde vom Geist in der Wüste umhergeführt, vierzig Tage lang, und er wurde vom Teufel versucht.
In jenen Tagen aß er nichts; als sie aber vorüber waren, hungerte ihn.
Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden.
Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Da führte ihn der Teufel hinauf und zeigte ihm in einem Augenblick alle Reiche des Erdkreises.
Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören.
Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.
Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm:
Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab; denn es steht geschrieben:
Seinen Engeln befiehlt er deinetwegen, dich zu behüten;
und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
Da antwortete ihm Jesus: Es ist gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel bis zur bestimmten Zeit von ihm ab.
Die Autorin
Schwester Elisabeth Muche gehört zur Kongregation der Helferinnen, ist in der Geistlichen Begleitung tätig und arbeitet als Psychotherapeutin in Ausbildung in München.
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