Vor 70 Jahren starb der Priester Karl Leisner in Dachau

Seine einzige Messe feierte er im KZ

Veröffentlicht am 12.08.2015 um 00:01 Uhr – Von Christoph Arens (KNA) – Lesedauer: 
Seine einzige Messe feierte er im KZ
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Selige

Bonn ‐ Der Glaube von Karl Leisner hatte auch im Konzentrationslager Bestand: "... aber zwingen laß ich mich nicht, denn ich bin frei", schrieb er in seinem Tagebuch. Vor 70 Jahren starb der einzige Priester, der in einem KZ geweiht wurde.

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"Karl Leisner ist uns eine Inspiration", sagte kürzlich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx. In seiner Person werde deutlich, dass es Menschen gegeben habe, die "angesichts brutalster Gewalt nicht verstummt" seien. Leisner studierte Theologie in Münster und Freiburg im Breisgau und engagierte sich in der katholischen Jugendarbeit. Anders als andere verfiel er nicht der NS-Ideologie. Seine Kraft schöpfte er aus der Schönstatt-Bewegung, deren Spiritualität er 1933 bei Schülerexerzitien in Vallendar-Schönstatt kennengelernt hatte. In seiner Freiburger Studienzeit reifte in ihm der Entschluss, Priester zu werden.

Inhaftierung statt Weihe

Am 25. März 1939 wurde er vom Münsteraner Bischof Clemens Graf von Galen zum Diakon geweiht. Aufgrund einer Lungenerkrankung verbrachte Leisner anschließend mehrere Monate im Schwarzwald zur Kur. Als das Radio am 8. November 1939 meldete, dass Hitler das versuchte Bürgerbräu-Attentat von Georg Elser überlebt hatte, rutschte dem Theologen ein leises "Schade" heraus - eine Äußerung, die nicht ungehört blieb. Ein Mitpatient verpfiff ihn. Schon einen Tag später wurde Leisner wegen staatsfeindlicher Äußerungen inhaftiert.

Die Priesterweihe zu Weihnachten 1939 im münsterischen Paulus-Dom fand ohne ihn statt. Bereits früher war Leisner den Nationalsozialisten unangenehm aufgefallen: Er engagierte sich im Bistum Münster in der katholischen "Jungschar", machte Gruppenstunden, organisierte Zeltlager im ganzen Bistum. Von Galen wurde auf ihn aufmerksam und setzte ihn zum "Diözesanjungscharführer" ein. Die Gestapo bespitzelte ihn und legte eine Akte an.

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Video: © Nicole Stroth

Leid, Hass, Tod: Die Nationalsozialisten haben tiefe Wunden geschlagen. Und auch 70 Jahre danach darf das Erinnern nicht aufhören.

Nach seiner Inhaftierung kam Leisner 1939 nach einer "Schutzhaft" zunächst ins KZ Sachsenhausen, im Dezember 1940 als politischer Häftling nach Dachau, wo auch seine Tuberkulose ausbrach. Obwohl er selbst gesundheitlich angeschlagen war, begegnete er Mitgefangenen stets fröhlich, fand aufmunternde Worte und teilte seine Essensrationen. Der Jesuit Otto Pies, dem der junge Mann aufgefallen war, stand dem Diakon als geistlicher Begleiter zur Seite. Er war es auch, der am 17. Dezember 1944 die geheime Priesterweihe des Häftlings 22356 in die Wege leitete. Denn dessen gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich zunehmend, und seine Mithäftlinge wollten ihm noch diesen Wunsch erfüllen.

Eingelieferter Bischof weiht Leisner zum Priester

In größter Geheimhaltung wurden die Bischofsgewänder für den kurz zuvor ins KZ eingelieferten Bischof von Clermont-Ferrand, Gabriel Emmanuel Joseph Piguet, erstellt. Die Weihe am Gaudete-Sonntag in Block 26 brachte alle Beteiligten in große Gefahr, doch das Vorhaben blieb unentdeckt. Für den todkranken, von den Entbehrungen der Gefangenschaft schwer gezeichneten 29-Jährigen erfüllte sich an diesem dritten Adventssonntag ein Herzenswunsch.

Karl Leisner und Otto Pies.
Bild: ©KNA

Karl Leisner (r.) mit seinem Freund und geistlichem Begleiter Jesuitenpater Otto Pies im Konzentrationslager Dachau.

Anfang Mai 1945 wurde Leisner aus dem KZ befreit und ins Lungensanatorium Planegg bei München gebracht. Doch seine Lungenkrankheit und die Jahre der grausamen KZ-Haft hatten Spuren hinterlassen. Er starb wenige Monate später am 12. August 1945 in Planegg. Wohl wissend um sein nahendes Ende, hatte er zuletzt in seinem Tagebuch vermerkt: "Segne auch, Höchster, meine Feinde!"

Sein Grab befindet sich im Viktor-Dom in Xanten, wo auch die Gebeine von Märtyrern der Christenverfolgung im Römischen Reich sowie die katholischen NS-Opfer Gerhard Storm und Heinz Bello begraben liegen. Papst Johannes Paul II. sprach Leisner am 23. Juni 1996 im Berliner Olympiastadion selig. Inzwischen läuft das Heiligsprechungsverfahren.

Linktipp: Kreuz und Hakenkreuz

Ablehnung, Annäherung, erneute Ablehnung und Konfrontation – das Verhältnis der katholischen Kirche zum Nationalsozialismus in den Jahren zwischen 1930 und 1945 war uneinheitlich und zahlreichen Schwankungen unterworfen. Die Diktatur des Hitler-Regimes bedeutete auch für die Kirche eine Zeit schwerer Konflikte.
Von Christoph Arens (KNA)