Kleine und große Reformen
Was soll die Pflegeversicherung erreichen?
Die Pflegeversicherung wurde 1995 als fünfte Säule der Sozialversicherungen eingeführt. Sie sollte verhindern, dass immer mehr Pflegebedürftige in die Sozialhilfe abrutschen. Rund 69,9 Millionen Deutsche waren 2013 in der sozialen Pflegeversicherung versichert, 9,5 Millionen Bundesbürger versicherten sich privat für die Pflege.
Welche Leistungen bietet die gesetzliche Pflegeversicherung?
Die gesetzliche Pflegeversicherung arbeitet nach dem Grundsatz "ambulant vor stationär". Bundesweit rund 2,7 Millionen Menschen erhalten derzeit Leistungen der Pflegeversicherungen, davon mehr als 150.000 aus der Privatversicherung.
Warum ist der Pflegebedürftigkeitsbegriff so wichtig?
Der Pflegebedürftigkeitsbegriff definiert, wer welche Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung hat. Politiker und Pflegeexperten sind sich einig, dass die bislang geltende Definition zu eng gefasst war, weil fast nur körperliche Einschränkungen Geltung finden. Um der wachsenden Zahl Demenzkranker gerecht zu werden, soll künftig auch der besondere Hilfs- und Betreuungsbedarf von Menschen mit kognitiven oder geistigen Einschränkungen berücksichtigt werden.
Die bislang drei Pflegestufen werden künftig durch fünf Pflegegrade ersetzt. Die Einstufung erfolgt nach sechs Kriterien: Dazu zählen das Maß der Selbstversorgung und der Mobilität, geistige und kommunikative Fähigkeiten sowie die Gestaltung des Alltags und soziale Kontakte.
Welche Ziele verfolgt die Reform der Versicherung?
Alle Parteien wollen, dass Demenzkranke und ihre Angehörigen bessergestellt werden. Nach Schätzungen gibt es heute in Deutschland rund 1,4 Millionen Demenzkranke. Bis 2030 wird ein Anstieg auf bis zu 2,2 Millionen erwartet. Außerdem sollen pflegende Angehörige bei der Renten- und der Arbeitslosenversicherung besser gestellt werden.
Wann ist mit einer umfassenden Reform zu rechnen?
Die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs ist schon seit 2006 Thema der Bundespolitik. Da sie mehrere Milliarden Euro kostet, war sie auch stark umstritten. Das Gesetz soll 2016 in Kraft treten. Die Umsetzung braucht allerdings weitere zwölf Monate, so dass höhere Leistungen wohl erst 2017 gezahlt werden. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) versichert, dass die Überleitung in das neue System automatisch erfolgt und dass alle Pflegebedürftigen weiterhin mindestens die gleichen Leistungen erhalten wie bisher. Eine Neubegutachtung werde immer dann Sinn machen, wenn sich der Zustand dauerhaft verschlechtert habe.
Gab es zuletzt schon weitere Reformschritte?
Bereits zum 1. Januar diesen Jahres waren Leistungsverbesserungen in Kraft getreten. Damit war vor allem die häusliche Pflege gestärkt worden, etwa durch mehr Tages- und Kurzzeitpflege. Die Leistungen der Pflegeversicherung wurden flexibilisiert und ausgeweitet. Zudem wurde die Zahl der Betreuungskräfte in Pflegeheimen von 25.000 auf bis zu 45.000 erhöht.
Was kostet die Reform?
Bereits zur Finanzierung des ersten Pflegestärkungsgesetzes wurden die Beitragssätze um 0,3 Prozentpunkte erhöht. 0,2 Prozentpunkte davon sollen für Leistungsverbesserungen verwendet werden. Die restlichen 0,1 Prozentpunkte oder 1,2 Milliarden Euro gehen in einen Vorsorgefonds, der künftige Leistungen für die wachsende Zahl der Pflegebedürftigen abfedern soll.
Mit der neuen Reform werden die Beitragssätze um weitere 0,2 Prozentpunkte angehoben. Die beiden geplanten Beitragserhöhungen sollen insgesamt rund fünf Milliarden Euro in die Kassen der Pflegeversicherung spülen. Dies reicht allerdings offenbar nicht aus. Für die Überleitung auf das neue System des zweiten Pflegestärkungsgesetzes veranschlagt Gröhe einmalig weitere 4,4 Milliarden Euro. Das Geld soll aus den Rücklagen der Pflegeversicherung kommen.